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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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Die Frucht. XXIX. B.

Nach ihnen stand Bernhard Jdema (d), ein Arzt,
auf; seine Parthei unterstüzzte der berühmte Croeser,
Professor zu Gröningen (e), und selbst der vortrefliche
Gorter (f). Diese behaupteten nicht nur, daß die
Frucht in der Scheide Athem hole, und schreie (g) (h),
sondern daß selbige auch in der Gebärmutter Athem ho-
len könne (i).

Es versicherte der berühmte Jdema (k), ein Kind
in der Scheide selbst schreien gehört zu haben.

Diese Streitigkeit wird bei den Gerichtshöfen wich-
tig. Denn wenn ein Kind in der Scheide atmen kann,
so kann die erst feste Lunge schwimmbar werden, und es
muß die Verurtheilung der Mütter verdächtig werden,
so oft man sie aus dem Grunde eines Kindermordes
schuldig hält, weil die Lunge des Kindes, welches sie an
die Welt gebracht, schwimmend befunden wird. Es
bleibet nämlich eine sichtbare Ausflucht übrig, daß das
Kind Athem geholet, indem es durch die Scheide ge-
gangen, und daß es folglich von der Mutter keine Ge-
waltthätigkeit erfahren.

Nun ist es gewis, daß gemeiniglich die Lunge einer
Frucht dicht, und daher die Ringe der Luftröhre in der
Lunge zusammen gedrükkt sind, und der Luft so leichtlich
nicht einen Zutritt vergönnen: Diese Ringe sind auch
ausserhalb der Lunge bei einer Frucht nahe gegen einan-
der gezogen (l). Es ist ferner bekannt, daß die Luftge-

fässe
(d) [Spaltenumbruch] Gedagten om. het. dryven
en zinken der longe. Leeuward.
1739 & rervolg. der gedagten 16.
eod. ann. & nareeden na de ge-
tagten ibid. 1740. ib. & noodige
tusschen inspraak over. het. dry-
ven. &c. Leeuward. 1741. p.
4.
(e) Kort. ontwerp. van de eerste
inademiag. Groning. 1740. p. 4.
& berigt. over. het. dryven. &c.
Leeuwenwaard.
4.
(f) [Spaltenumbruch] Filos. Verhandel. III.
(g) CROEZER ontwerp. p. 11.
RUTH in disp. Pragae edit.
(h) CROEZER ontwerp. p. 23.
(i) p. 24. ibid.
(k) Anmerkingen p 8. & ver-
volog. der Gedanken p.
21. Exem-
pel führet auch an CROEZER na-
der betoog. p.
7.
(l) PETIT Mem. de 1733 p. 7.
Die Frucht. XXIX. B.

Nach ihnen ſtand Bernhard Jdema (d), ein Arzt,
auf; ſeine Parthei unterſtuͤzzte der beruͤhmte Croeſer,
Profeſſor zu Groͤningen (e), und ſelbſt der vortrefliche
Gorter (f). Dieſe behaupteten nicht nur, daß die
Frucht in der Scheide Athem hole, und ſchreie (g) (h),
ſondern daß ſelbige auch in der Gebaͤrmutter Athem ho-
len koͤnne (i).

Es verſicherte der beruͤhmte Jdema (k), ein Kind
in der Scheide ſelbſt ſchreien gehoͤrt zu haben.

Dieſe Streitigkeit wird bei den Gerichtshoͤfen wich-
tig. Denn wenn ein Kind in der Scheide atmen kann,
ſo kann die erſt feſte Lunge ſchwimmbar werden, und es
muß die Verurtheilung der Muͤtter verdaͤchtig werden,
ſo oft man ſie aus dem Grunde eines Kindermordes
ſchuldig haͤlt, weil die Lunge des Kindes, welches ſie an
die Welt gebracht, ſchwimmend befunden wird. Es
bleibet naͤmlich eine ſichtbare Ausflucht uͤbrig, daß das
Kind Athem geholet, indem es durch die Scheide ge-
gangen, und daß es folglich von der Mutter keine Ge-
waltthaͤtigkeit erfahren.

Nun iſt es gewis, daß gemeiniglich die Lunge einer
Frucht dicht, und daher die Ringe der Luftroͤhre in der
Lunge zuſammen gedruͤkkt ſind, und der Luft ſo leichtlich
nicht einen Zutritt vergoͤnnen: Dieſe Ringe ſind auch
auſſerhalb der Lunge bei einer Frucht nahe gegen einan-
der gezogen (l). Es iſt ferner bekannt, daß die Luftge-

faͤſſe
(d) [Spaltenumbruch] Gedagten om. het. dryven
en zinken der longe. Leeuward.
1739 & rervolg. der gedagten 16.
eod. ann. & nareeden na de ge-
tagten ibid. 1740. ib. & noodige
tusschen inſpraak over. het. dry-
ven. &c. Leeuward. 1741. p.
4.
(e) Kort. ontwerp. van de eerſte
inademiag. Groning. 1740. p. 4.
& berigt. over. het. dryven. &c.
Leeuwenwaard.
4.
(f) [Spaltenumbruch] Filoſ. Verhandel. III.
(g) CROEZER ontwerp. p. 11.
RUTH in diſp. Pragae edit.
(h) CROEZER ontwerp. p. 23.
(i) p. 24. ibid.
(k) Anmerkingen p 8. & ver-
volog. der Gedanken p.
21. Exem-
pel fuͤhret auch an CROEZER na-
der betoog. p.
7.
(l) PETIT Mem. de 1733 p. 7.
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[664[666]/0718] Die Frucht. XXIX. B. Nach ihnen ſtand Bernhard Jdema (d), ein Arzt, auf; ſeine Parthei unterſtuͤzzte der beruͤhmte Croeſer, Profeſſor zu Groͤningen (e), und ſelbſt der vortrefliche Gorter (f). Dieſe behaupteten nicht nur, daß die Frucht in der Scheide Athem hole, und ſchreie (g) (h), ſondern daß ſelbige auch in der Gebaͤrmutter Athem ho- len koͤnne (i). Es verſicherte der beruͤhmte Jdema (k), ein Kind in der Scheide ſelbſt ſchreien gehoͤrt zu haben. Dieſe Streitigkeit wird bei den Gerichtshoͤfen wich- tig. Denn wenn ein Kind in der Scheide atmen kann, ſo kann die erſt feſte Lunge ſchwimmbar werden, und es muß die Verurtheilung der Muͤtter verdaͤchtig werden, ſo oft man ſie aus dem Grunde eines Kindermordes ſchuldig haͤlt, weil die Lunge des Kindes, welches ſie an die Welt gebracht, ſchwimmend befunden wird. Es bleibet naͤmlich eine ſichtbare Ausflucht uͤbrig, daß das Kind Athem geholet, indem es durch die Scheide ge- gangen, und daß es folglich von der Mutter keine Ge- waltthaͤtigkeit erfahren. Nun iſt es gewis, daß gemeiniglich die Lunge einer Frucht dicht, und daher die Ringe der Luftroͤhre in der Lunge zuſammen gedruͤkkt ſind, und der Luft ſo leichtlich nicht einen Zutritt vergoͤnnen: Dieſe Ringe ſind auch auſſerhalb der Lunge bei einer Frucht nahe gegen einan- der gezogen (l). Es iſt ferner bekannt, daß die Luftge- faͤſſe (d) Gedagten om. het. dryven en zinken der longe. Leeuward. 1739 & rervolg. der gedagten 16. eod. ann. & nareeden na de ge- tagten ibid. 1740. ib. & noodige tusschen inſpraak over. het. dry- ven. &c. Leeuward. 1741. p. 4. (e) Kort. ontwerp. van de eerſte inademiag. Groning. 1740. p. 4. & berigt. over. het. dryven. &c. Leeuwenwaard. 4. (f) Filoſ. Verhandel. III. (g) CROEZER ontwerp. p. 11. RUTH in diſp. Pragae edit. (h) CROEZER ontwerp. p. 23. (i) p. 24. ibid. (k) Anmerkingen p 8. & ver- volog. der Gedanken p. 21. Exem- pel fuͤhret auch an CROEZER na- der betoog. p. 7. (l) PETIT Mem. de 1733 p. 7.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 664[666]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/718>, abgerufen am 20.04.2024.