Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Frucht. XXIX. B.
gegen das Ende der Brütung, das Amnionswasser, und
es hindert nichts, daß es nicht, weil der Schnabel be-
reits zu dieser Zeit hart ist, und die kleine Klauen ihre
Festigkeit haben, das Amnion (d) zerreissen könnte.

Man siehet endlich auch an einem Hühnchen, wel-
ches bereits Risse gemacht, daß die Lunge nicht so gleich
ihr derbes Wesen verliert, daß sie nicht schwimmt (e),
und daß das Hühnchen nicht den Augenblikk, wenn
gleich Luft dazu gelassen worden, zu schreien beginnt (f).
Jch will nicht sagen, daß die Eischale geborsten seyn
könne (g), dergleichen vor dem Auskriechen nichts Sel-
tenes ist, und daß damals die Membran bereits zerrissen
gewesen (h).

Man weis endlich, daß auch eine starke Frucht, und
welche bereits Luft geniesset, sogleich atmet und schreit,
dennoch aber in der Gebärmutter, in einem verschlossnen
Sakke, und mitten in Wassern schwimmt.

Das Schreien in der Gebärmutter, wofern man
dergleichen wirklich gehört, scheinet eine Folge von einer
besondern Ursache gewesen zu seyn, und einen sonderba-
ren Fall zum Grunde zu haben, da die Häute zerrissen
gewesen, welches vor der Geburt nicht ungewöhnlich ge-
schieht (i), und bei langwierigen und mühsamen Gebur-
ten beständig vorgeht, da die Wasser im Anfange her-
auslaufen, und nichts destoweniger die Frucht noch etli-
che Tage darauf lebendig fortgeht.

Wenn die Luft einen Zugang bekommen, und der
Kopf ausserdem so gewandt liegt, daß er aus der Scheide
Luft bekommen kann, so liesse sich wohl zugestehen, daß
die Frucht Atem holen und schreien könnte (k).

Jn-
(d) [Spaltenumbruch] Format. du poulet. II. p.
393. ad. I. p.
403. 404.
(e) Obs. 258. 259. 262.
(f) Daselbst, sonderlich 262.
(g) FABER l. c. Format. du
poulet. I. obs.
262.
(h) [Spaltenumbruch] VALISNER Giorn. di let-
ter. Suppl. III. p.
143.
(i) p. 212.
(k) Eine Frucht holet nicht
Athem. VERHEYEN II. p. 367.

Die Frucht. XXIX. B.
gegen das Ende der Bruͤtung, das Amnionswaſſer, und
es hindert nichts, daß es nicht, weil der Schnabel be-
reits zu dieſer Zeit hart iſt, und die kleine Klauen ihre
Feſtigkeit haben, das Amnion (d) zerreiſſen koͤnnte.

Man ſiehet endlich auch an einem Huͤhnchen, wel-
ches bereits Riſſe gemacht, daß die Lunge nicht ſo gleich
ihr derbes Weſen verliert, daß ſie nicht ſchwimmt (e),
und daß das Huͤhnchen nicht den Augenblikk, wenn
gleich Luft dazu gelaſſen worden, zu ſchreien beginnt (f).
Jch will nicht ſagen, daß die Eiſchale geborſten ſeyn
koͤnne (g), dergleichen vor dem Auskriechen nichts Sel-
tenes iſt, und daß damals die Membran bereits zerriſſen
geweſen (h).

Man weis endlich, daß auch eine ſtarke Frucht, und
welche bereits Luft genieſſet, ſogleich atmet und ſchreit,
dennoch aber in der Gebaͤrmutter, in einem verſchloſſnen
Sakke, und mitten in Waſſern ſchwimmt.

Das Schreien in der Gebaͤrmutter, wofern man
dergleichen wirklich gehoͤrt, ſcheinet eine Folge von einer
beſondern Urſache geweſen zu ſeyn, und einen ſonderba-
ren Fall zum Grunde zu haben, da die Haͤute zerriſſen
geweſen, welches vor der Geburt nicht ungewoͤhnlich ge-
ſchieht (i), und bei langwierigen und muͤhſamen Gebur-
ten beſtaͤndig vorgeht, da die Waſſer im Anfange her-
auslaufen, und nichts deſtoweniger die Frucht noch etli-
che Tage darauf lebendig fortgeht.

Wenn die Luft einen Zugang bekommen, und der
Kopf auſſerdem ſo gewandt liegt, daß er aus der Scheide
Luft bekommen kann, ſo lieſſe ſich wohl zugeſtehen, daß
die Frucht Atem holen und ſchreien koͤnnte (k).

Jn-
(d) [Spaltenumbruch] Format. du poulet. II. p.
393. ad. I. p.
403. 404.
(e) Obſ. 258. 259. 262.
(f) Daſelbſt, ſonderlich 262.
(g) FABER l. c. Format. du
poulet. I. obſ.
262.
(h) [Spaltenumbruch] VALISNER Giorn. di let-
ter. Suppl. III. p.
143.
(i) p. 212.
(k) Eine Frucht holet nicht
Athem. VERHEYEN II. p. 367.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0722" n="668[670]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Frucht. <hi rendition="#aq">XXIX.</hi> B.</hi></fw><lb/>
gegen das Ende der Bru&#x0364;tung, das Amnionswa&#x017F;&#x017F;er, und<lb/>
es hindert nichts, daß es nicht, weil der Schnabel be-<lb/>
reits zu die&#x017F;er Zeit hart i&#x017F;t, und die kleine Klauen ihre<lb/>
Fe&#x017F;tigkeit haben, das Amnion <note place="foot" n="(d)"><cb/><hi rendition="#aq">Format. du poulet. II. p.<lb/>
393. ad. I. p.</hi> 403. 404.</note> zerrei&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
              <p>Man &#x017F;iehet endlich auch an einem Hu&#x0364;hnchen, wel-<lb/>
ches bereits Ri&#x017F;&#x017F;e gemacht, daß die Lunge nicht &#x017F;o gleich<lb/>
ihr derbes We&#x017F;en verliert, daß &#x017F;ie nicht &#x017F;chwimmt <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq">Ob&#x017F;.</hi> 258. 259. 262.</note>,<lb/>
und daß das Hu&#x0364;hnchen nicht den Augenblikk, wenn<lb/>
gleich Luft dazu gela&#x017F;&#x017F;en worden, zu &#x017F;chreien beginnt <note place="foot" n="(f)">Da&#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;onderlich 262.</note>.<lb/>
Jch will nicht &#x017F;agen, daß die Ei&#x017F;chale gebor&#x017F;ten &#x017F;eyn<lb/>
ko&#x0364;nne <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq">FABER l. c. Format. du<lb/>
poulet. I. ob&#x017F;.</hi> 262.</note>, dergleichen vor dem Auskriechen nichts Sel-<lb/>
tenes i&#x017F;t, und daß damals die Membran bereits zerri&#x017F;&#x017F;en<lb/>
gewe&#x017F;en <note place="foot" n="(h)"><cb/><hi rendition="#aq">VALISNER Giorn. di let-<lb/>
ter. Suppl. III. p.</hi> 143.</note>.</p><lb/>
              <p>Man weis endlich, daß auch eine &#x017F;tarke Frucht, und<lb/>
welche bereits Luft genie&#x017F;&#x017F;et, &#x017F;ogleich atmet und &#x017F;chreit,<lb/>
dennoch aber in der Geba&#x0364;rmutter, in einem ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;nen<lb/>
Sakke, und mitten in Wa&#x017F;&#x017F;ern &#x017F;chwimmt.</p><lb/>
              <p>Das Schreien in der Geba&#x0364;rmutter, wofern man<lb/>
dergleichen wirklich geho&#x0364;rt, &#x017F;cheinet eine Folge von einer<lb/>
be&#x017F;ondern Ur&#x017F;ache gewe&#x017F;en zu &#x017F;eyn, und einen &#x017F;onderba-<lb/>
ren Fall zum Grunde zu haben, da die Ha&#x0364;ute zerri&#x017F;&#x017F;en<lb/>
gewe&#x017F;en, welches vor der Geburt nicht ungewo&#x0364;hnlich ge-<lb/>
&#x017F;chieht <note place="foot" n="(i)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 212.</note>, und bei langwierigen und mu&#x0364;h&#x017F;amen Gebur-<lb/>
ten be&#x017F;ta&#x0364;ndig vorgeht, da die Wa&#x017F;&#x017F;er im Anfange her-<lb/>
auslaufen, und nichts de&#x017F;toweniger die Frucht noch etli-<lb/>
che Tage darauf lebendig fortgeht.</p><lb/>
              <p>Wenn die Luft einen Zugang bekommen, und der<lb/>
Kopf au&#x017F;&#x017F;erdem &#x017F;o gewandt liegt, daß er aus der Scheide<lb/>
Luft bekommen kann, &#x017F;o lie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich wohl zuge&#x017F;tehen, daß<lb/>
die Frucht Atem holen und &#x017F;chreien ko&#x0364;nnte <note place="foot" n="(k)">Eine Frucht holet nicht<lb/>
Athem. <hi rendition="#aq">VERHEYEN II. p.</hi> 367.</note>.</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Jn-</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[668[670]/0722] Die Frucht. XXIX. B. gegen das Ende der Bruͤtung, das Amnionswaſſer, und es hindert nichts, daß es nicht, weil der Schnabel be- reits zu dieſer Zeit hart iſt, und die kleine Klauen ihre Feſtigkeit haben, das Amnion (d) zerreiſſen koͤnnte. Man ſiehet endlich auch an einem Huͤhnchen, wel- ches bereits Riſſe gemacht, daß die Lunge nicht ſo gleich ihr derbes Weſen verliert, daß ſie nicht ſchwimmt (e), und daß das Huͤhnchen nicht den Augenblikk, wenn gleich Luft dazu gelaſſen worden, zu ſchreien beginnt (f). Jch will nicht ſagen, daß die Eiſchale geborſten ſeyn koͤnne (g), dergleichen vor dem Auskriechen nichts Sel- tenes iſt, und daß damals die Membran bereits zerriſſen geweſen (h). Man weis endlich, daß auch eine ſtarke Frucht, und welche bereits Luft genieſſet, ſogleich atmet und ſchreit, dennoch aber in der Gebaͤrmutter, in einem verſchloſſnen Sakke, und mitten in Waſſern ſchwimmt. Das Schreien in der Gebaͤrmutter, wofern man dergleichen wirklich gehoͤrt, ſcheinet eine Folge von einer beſondern Urſache geweſen zu ſeyn, und einen ſonderba- ren Fall zum Grunde zu haben, da die Haͤute zerriſſen geweſen, welches vor der Geburt nicht ungewoͤhnlich ge- ſchieht (i), und bei langwierigen und muͤhſamen Gebur- ten beſtaͤndig vorgeht, da die Waſſer im Anfange her- auslaufen, und nichts deſtoweniger die Frucht noch etli- che Tage darauf lebendig fortgeht. Wenn die Luft einen Zugang bekommen, und der Kopf auſſerdem ſo gewandt liegt, daß er aus der Scheide Luft bekommen kann, ſo lieſſe ſich wohl zugeſtehen, daß die Frucht Atem holen und ſchreien koͤnnte (k). Jn- (d) Format. du poulet. II. p. 393. ad. I. p. 403. 404. (e) Obſ. 258. 259. 262. (f) Daſelbſt, ſonderlich 262. (g) FABER l. c. Format. du poulet. I. obſ. 262. (h) VALISNER Giorn. di let- ter. Suppl. III. p. 143. (i) p. 212. (k) Eine Frucht holet nicht Athem. VERHEYEN II. p. 367.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/722
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 668[670]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/722>, abgerufen am 19.04.2024.