Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Frucht. XXIX. B.
in das nahe liegende Fadengewebe (c), und man weis,
daß bisweilen der Tod darauf erfolgt ist (d).

Es drükket nämlich der Kopf der Frucht, und der,
in dem engen Mutterhalse einquartirte kleine Gast, die
Urinblase vorwärts gegen den Schaamknochen hin, und
zwar mehr von obenher, weniger hingegen nach unten
hin, wo die Frucht weniger Beweglichkeit äussert, und
wo der Kopf spizzer ist. Auf diese Art wird die ganze
Blase dergestalt gedrengt (f), daß zarte Mädchen von
einigen wenigen Tropfen, welche dennoch keinen rechten
Durchgang finden können, um den Harn zu lassen, ge-
reizt werden (g), und dennoch entstehet an der rükkwärts
gedrükkten Blase nunmehr mit der Harnröhre ein sehr
spizzer Winkel, unterwärts schwillt die Blase unter der
Harnröhre auf, wo der Drukk kleiner ist, sie steiget daher
nicht ohne Anstrengung in die Höhe, und es kann der
Urin nicht anders, als mit Beschwerlichkeit seinen Aus-
fluß finden. Doch ist es nicht zu zweifeln, daß, so wie
der Ausgang des Urins von der Gebärmutter gehindert
wird, auch umgekehrt von einer ganz vollen Blase, die
Scheide und der Muttermund zusammen gedrükkt wer-
de, und man bemerket leicht, daß auch die Geburt da-
durch aufgehalten werden müsse (h).

Jndem nun eben dieser Kopf der Frucht (i) nunmehr
auf den Mastdarm drükkt, so verursachet dieses der Mut-
ter eine unangenehme Empfindung, und erwecket bei ihr
(e)

bis-
(c) [Spaltenumbruch] PARSONS p. 21. PINAEUS
p.
95. die Blase in der Geburt
zerrissen. Eph. Nat. Cur. Vol. VI.
obs.
28. daher leeren vorsichtige
Wundärzte die Blase vor der Ge-
burt aus. LEVRET p. 131. V.
DOEVEREN. Serm. Academ. conf.
L. XXVI. p.
309.
(d) CHAPMAN improo of
midwfr. case 40. SMELLIE case
l. c.
(f) [Spaltenumbruch] Eine sehr dikke, und sehr
kleine Blase. LITTRE Mem. de
l'Acad. ann.
1718.
(g) ARISTOTELES. MAURI-
CEAU p.
138. 212.
(h) PORTAL p. 134.
(i) HIPPOCRAT. peri andr.
phys. n. 37. VAROL. p. 114. BER-
GER p. 493. VISCHER & Van
der POLL. het Roonhuys gebein.
p. 7. SMELLIE ibid.
(e) PARSONS p. 20.

Die Frucht. XXIX. B.
in das nahe liegende Fadengewebe (c), und man weis,
daß bisweilen der Tod darauf erfolgt iſt (d).

Es druͤkket naͤmlich der Kopf der Frucht, und der,
in dem engen Mutterhalſe einquartirte kleine Gaſt, die
Urinblaſe vorwaͤrts gegen den Schaamknochen hin, und
zwar mehr von obenher, weniger hingegen nach unten
hin, wo die Frucht weniger Beweglichkeit aͤuſſert, und
wo der Kopf ſpizzer iſt. Auf dieſe Art wird die ganze
Blaſe dergeſtalt gedrengt (f), daß zarte Maͤdchen von
einigen wenigen Tropfen, welche dennoch keinen rechten
Durchgang finden koͤnnen, um den Harn zu laſſen, ge-
reizt werden (g), und dennoch entſtehet an der ruͤkkwaͤrts
gedruͤkkten Blaſe nunmehr mit der Harnroͤhre ein ſehr
ſpizzer Winkel, unterwaͤrts ſchwillt die Blaſe unter der
Harnroͤhre auf, wo der Drukk kleiner iſt, ſie ſteiget daher
nicht ohne Anſtrengung in die Hoͤhe, und es kann der
Urin nicht anders, als mit Beſchwerlichkeit ſeinen Aus-
fluß finden. Doch iſt es nicht zu zweifeln, daß, ſo wie
der Ausgang des Urins von der Gebaͤrmutter gehindert
wird, auch umgekehrt von einer ganz vollen Blaſe, die
Scheide und der Muttermund zuſammen gedruͤkkt wer-
de, und man bemerket leicht, daß auch die Geburt da-
durch aufgehalten werden muͤſſe (h).

Jndem nun eben dieſer Kopf der Frucht (i) nunmehr
auf den Maſtdarm druͤkkt, ſo verurſachet dieſes der Mut-
ter eine unangenehme Empfindung, und erwecket bei ihr
(e)

bis-
(c) [Spaltenumbruch] PARSONS p. 21. PINAEUS
p.
95. die Blaſe in der Geburt
zerriſſen. Eph. Nat. Cur. Vol. VI.
obſ.
28. daher leeren vorſichtige
Wundaͤrzte die Blaſe vor der Ge-
burt aus. LEVRET p. 131. V.
DOEVEREN. Serm. Academ. conf.
L. XXVI. p.
309.
(d) CHAPMAN improo of
midwfr. caſe 40. SMELLIE caſe
l. c.
(f) [Spaltenumbruch] Eine ſehr dikke, und ſehr
kleine Blaſe. LITTRE Mem. de
l’Acad. ann.
1718.
(g) ARISTOTELES. MAURI-
CEAU p.
138. 212.
(h) PORTAL p. 134.
(i) HIPPOCRAT. peri andr.
phyſ. n. 37. VAROL. p. 114. BER-
GER p. 493. VISCHER & Van
der POLL. het Roonhuys gebein.
p. 7. SMELLIE ibid.
(e) PARSONS p. 20.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0742" n="688[690]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Frucht. <hi rendition="#aq">XXIX.</hi> B.</hi></fw><lb/>
in das nahe liegende Fadengewebe <note place="foot" n="(c)"><cb/><hi rendition="#aq">PARSONS p. 21. PINAEUS<lb/>
p.</hi> 95. die Bla&#x017F;e in der Geburt<lb/>
zerri&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#aq">Eph. Nat. Cur. Vol. VI.<lb/>
ob&#x017F;.</hi> 28. daher leeren vor&#x017F;ichtige<lb/>
Wunda&#x0364;rzte die Bla&#x017F;e vor der Ge-<lb/>
burt aus. <hi rendition="#aq">LEVRET p. 131. V.<lb/>
DOEVEREN. Serm. Academ. conf.<lb/>
L. XXVI. p.</hi> 309.</note>, und man weis,<lb/>
daß bisweilen der Tod darauf erfolgt i&#x017F;t <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">CHAPMAN</hi> improo of<lb/>
midwfr. ca&#x017F;e 40. SMELLIE ca&#x017F;e<lb/>
l. c.</hi></note>.</p><lb/>
              <p>Es dru&#x0364;kket na&#x0364;mlich der Kopf der Frucht, und der,<lb/>
in dem engen Mutterhal&#x017F;e einquartirte kleine Ga&#x017F;t, die<lb/>
Urinbla&#x017F;e vorwa&#x0364;rts gegen den Schaamknochen hin, und<lb/>
zwar mehr von obenher, weniger hingegen nach unten<lb/>
hin, wo die Frucht weniger Beweglichkeit a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ert, und<lb/>
wo der Kopf &#x017F;pizzer i&#x017F;t. Auf die&#x017F;e Art wird die ganze<lb/>
Bla&#x017F;e derge&#x017F;talt gedrengt <note place="foot" n="(f)"><cb/>
Eine &#x017F;ehr dikke, und &#x017F;ehr<lb/>
kleine Bla&#x017F;e. <hi rendition="#aq">LITTRE Mem. de<lb/>
l&#x2019;Acad. ann.</hi> 1718.</note>, daß zarte Ma&#x0364;dchen von<lb/>
einigen wenigen Tropfen, welche dennoch keinen rechten<lb/>
Durchgang finden ko&#x0364;nnen, um den Harn zu la&#x017F;&#x017F;en, ge-<lb/>
reizt werden <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq">ARISTOTELES. MAURI-<lb/>
CEAU p.</hi> 138. 212.</note>, und dennoch ent&#x017F;tehet an der ru&#x0364;kkwa&#x0364;rts<lb/>
gedru&#x0364;kkten Bla&#x017F;e nunmehr mit der Harnro&#x0364;hre ein &#x017F;ehr<lb/>
&#x017F;pizzer Winkel, unterwa&#x0364;rts &#x017F;chwillt die Bla&#x017F;e unter der<lb/>
Harnro&#x0364;hre auf, wo der Drukk kleiner i&#x017F;t, &#x017F;ie &#x017F;teiget daher<lb/>
nicht ohne An&#x017F;trengung in die Ho&#x0364;he, und es kann der<lb/>
Urin nicht anders, als mit Be&#x017F;chwerlichkeit &#x017F;einen Aus-<lb/>
fluß finden. Doch i&#x017F;t es nicht zu zweifeln, daß, &#x017F;o wie<lb/>
der Ausgang des Urins von der Geba&#x0364;rmutter gehindert<lb/>
wird, auch umgekehrt von einer ganz vollen Bla&#x017F;e, die<lb/>
Scheide und der Muttermund zu&#x017F;ammen gedru&#x0364;kkt wer-<lb/>
de, und man bemerket leicht, daß auch die Geburt da-<lb/>
durch aufgehalten werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e <note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#aq">PORTAL p.</hi> 134.</note>.</p><lb/>
              <p>Jndem nun eben die&#x017F;er Kopf der Frucht <note place="foot" n="(i)"><hi rendition="#aq">HIPPOCRAT. peri andr.<lb/>
phy&#x017F;. n. 37. VAROL. p. 114. BER-<lb/>
GER p. 493. VISCHER &amp; Van<lb/>
der POLL. het Roonhuys gebein.<lb/>
p. 7. SMELLIE ibid.</hi></note> nunmehr<lb/>
auf den Ma&#x017F;tdarm dru&#x0364;kkt, &#x017F;o verur&#x017F;achet die&#x017F;es der Mut-<lb/>
ter eine unangenehme Empfindung, und erwecket bei ihr<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bis-</fw><lb/><note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq">PARSONS p.</hi> 20.</note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[688[690]/0742] Die Frucht. XXIX. B. in das nahe liegende Fadengewebe (c), und man weis, daß bisweilen der Tod darauf erfolgt iſt (d). Es druͤkket naͤmlich der Kopf der Frucht, und der, in dem engen Mutterhalſe einquartirte kleine Gaſt, die Urinblaſe vorwaͤrts gegen den Schaamknochen hin, und zwar mehr von obenher, weniger hingegen nach unten hin, wo die Frucht weniger Beweglichkeit aͤuſſert, und wo der Kopf ſpizzer iſt. Auf dieſe Art wird die ganze Blaſe dergeſtalt gedrengt (f), daß zarte Maͤdchen von einigen wenigen Tropfen, welche dennoch keinen rechten Durchgang finden koͤnnen, um den Harn zu laſſen, ge- reizt werden (g), und dennoch entſtehet an der ruͤkkwaͤrts gedruͤkkten Blaſe nunmehr mit der Harnroͤhre ein ſehr ſpizzer Winkel, unterwaͤrts ſchwillt die Blaſe unter der Harnroͤhre auf, wo der Drukk kleiner iſt, ſie ſteiget daher nicht ohne Anſtrengung in die Hoͤhe, und es kann der Urin nicht anders, als mit Beſchwerlichkeit ſeinen Aus- fluß finden. Doch iſt es nicht zu zweifeln, daß, ſo wie der Ausgang des Urins von der Gebaͤrmutter gehindert wird, auch umgekehrt von einer ganz vollen Blaſe, die Scheide und der Muttermund zuſammen gedruͤkkt wer- de, und man bemerket leicht, daß auch die Geburt da- durch aufgehalten werden muͤſſe (h). Jndem nun eben dieſer Kopf der Frucht (i) nunmehr auf den Maſtdarm druͤkkt, ſo verurſachet dieſes der Mut- ter eine unangenehme Empfindung, und erwecket bei ihr bis- (e) (c) PARSONS p. 21. PINAEUS p. 95. die Blaſe in der Geburt zerriſſen. Eph. Nat. Cur. Vol. VI. obſ. 28. daher leeren vorſichtige Wundaͤrzte die Blaſe vor der Ge- burt aus. LEVRET p. 131. V. DOEVEREN. Serm. Academ. conf. L. XXVI. p. 309. (d) CHAPMAN improo of midwfr. caſe 40. SMELLIE caſe l. c. (f) Eine ſehr dikke, und ſehr kleine Blaſe. LITTRE Mem. de l’Acad. ann. 1718. (g) ARISTOTELES. MAURI- CEAU p. 138. 212. (h) PORTAL p. 134. (i) HIPPOCRAT. peri andr. phyſ. n. 37. VAROL. p. 114. BER- GER p. 493. VISCHER & Van der POLL. het Roonhuys gebein. p. 7. SMELLIE ibid. (e) PARSONS p. 20.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/742
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 688[690]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/742>, abgerufen am 19.04.2024.