Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Abs. Der Zustand des Menschen.

Auf eine andere Art nöthigen die Soldaten ihre
Waden dikker zu werden, indem sie um die Blutadern
Bänder herumlegen, und also die Rükkehr des Fettes
aufhalten. Jch habe aber von den meisten dieser Punkte
bereits an ihrem Orte geredet.

Man siehet aber leicht ein, warum der Mensch nach
der Vollendung des Wachsthums fett wird. Es wird
nämlich derselbe alsdenn gut genähret, das Wachsthum
verzehrt keine Säfte mehr, es ist das Fadengewebe schlaf
(l), und gemeiniglich lebt der Mensch in diesem Zeital-
ter, da die Gewalt seiner Begierden ein wenig nachge-
lassen, viel ruhiger als zuvor. Es werden nämlich die-
jenigen Menschen, welche ihre Leibesübungen fortsezzen,
dergleichen die Bauern (m) und Soldaten sind; wie
auch diejenigen, bei denen das Fadengewebe schärfer ge-
spannt ist, dergleichen colerische Personen, und die wil-
den Thiere sind, so vom Raube leben, niemals fett.

Vielleicht entweichen auch die Säfte, aus denen
Seiten der Schlagadern darum, weil die nach und nach
verhärtete kleinste Gefässe den Säften einen grössern Wi-
derstand entgegen sezzen, und den Seitendrukk vergrös-
sern (m*). Dahingegen werden die alten Ochsen (n)
nach vielen Arbeiten, wenn sie nunmehr der Ruhe und
ein gutes Futter geniessen, in wenig Monaten ausseror-
dentlich fett. Was die Hüner betrift, so lassen sie sich
viel eher in der Jugend fett machen (o).

Das Wachsthum hat beinahe keine Gränzen. So
weiß man, daß Ochsen bis auf zwey tausend acht hun-
dert Pfunde (p) zugenommen, da sie doch gewöhnlicher
Weise nur dreyhundert Pfunde wiegen; so wurden Men-

schen
(l) [Spaltenumbruch] Es sagt noch der berühmte
WINTRINGHAM p. 35. daß nun
die Blutgefässe mehr widerstehen,
es gehe also das Fett wegen der
Ableitungskraft in die Fächer.
(m) L. I. p. 39.
(m*) [Spaltenumbruch] Conf. HEISTER mutat.
natur. corp. hum. p.
30.
(n) L. I. p. 39.
(o) REAUMUR Art. de faire
eclore p.
387.
(p) L. I. p. 50.
II. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.

Auf eine andere Art noͤthigen die Soldaten ihre
Waden dikker zu werden, indem ſie um die Blutadern
Baͤnder herumlegen, und alſo die Ruͤkkehr des Fettes
aufhalten. Jch habe aber von den meiſten dieſer Punkte
bereits an ihrem Orte geredet.

Man ſiehet aber leicht ein, warum der Menſch nach
der Vollendung des Wachsthums fett wird. Es wird
naͤmlich derſelbe alsdenn gut genaͤhret, das Wachsthum
verzehrt keine Saͤfte mehr, es iſt das Fadengewebe ſchlaf
(l), und gemeiniglich lebt der Menſch in dieſem Zeital-
ter, da die Gewalt ſeiner Begierden ein wenig nachge-
laſſen, viel ruhiger als zuvor. Es werden naͤmlich die-
jenigen Menſchen, welche ihre Leibesuͤbungen fortſezzen,
dergleichen die Bauern (m) und Soldaten ſind; wie
auch diejenigen, bei denen das Fadengewebe ſchaͤrfer ge-
ſpannt iſt, dergleichen coleriſche Perſonen, und die wil-
den Thiere ſind, ſo vom Raube leben, niemals fett.

Vielleicht entweichen auch die Saͤfte, aus denen
Seiten der Schlagadern darum, weil die nach und nach
verhaͤrtete kleinſte Gefaͤſſe den Saͤften einen groͤſſern Wi-
derſtand entgegen ſezzen, und den Seitendrukk vergroͤſ-
ſern (m*). Dahingegen werden die alten Ochſen (n)
nach vielen Arbeiten, wenn ſie nunmehr der Ruhe und
ein gutes Futter genieſſen, in wenig Monaten auſſeror-
dentlich fett. Was die Huͤner betrift, ſo laſſen ſie ſich
viel eher in der Jugend fett machen (o).

Das Wachsthum hat beinahe keine Graͤnzen. So
weiß man, daß Ochſen bis auf zwey tauſend acht hun-
dert Pfunde (p) zugenommen, da ſie doch gewoͤhnlicher
Weiſe nur dreyhundert Pfunde wiegen; ſo wurden Men-

ſchen
(l) [Spaltenumbruch] Es ſagt noch der beruͤhmte
WINTRINGHAM p. 35. daß nun
die Blutgefaͤſſe mehr widerſtehen,
es gehe alſo das Fett wegen der
Ableitungskraft in die Faͤcher.
(m) L. I. p. 39.
(m*) [Spaltenumbruch] Conf. HEISTER mutat.
natur. corp. hum. p.
30.
(n) L. I. p. 39.
(o) REAUMUR Art. de faire
eclore p.
387.
(p) L. I. p. 50.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0945" n="891[893]"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Ab&#x017F;. Der Zu&#x017F;tand des Men&#x017F;chen.</hi> </fw><lb/>
              <p>Auf eine andere Art no&#x0364;thigen die Soldaten ihre<lb/>
Waden dikker zu werden, indem &#x017F;ie um die Blutadern<lb/>
Ba&#x0364;nder herumlegen, und al&#x017F;o die Ru&#x0364;kkehr des Fettes<lb/>
aufhalten. Jch habe aber von den mei&#x017F;ten die&#x017F;er Punkte<lb/>
bereits an ihrem Orte geredet.</p><lb/>
              <p>Man &#x017F;iehet aber leicht ein, warum der Men&#x017F;ch nach<lb/>
der Vollendung des Wachsthums fett wird. Es wird<lb/>
na&#x0364;mlich der&#x017F;elbe alsdenn gut gena&#x0364;hret, das Wachsthum<lb/>
verzehrt keine Sa&#x0364;fte mehr, es i&#x017F;t das Fadengewebe &#x017F;chlaf<lb/><note place="foot" n="(l)"><cb/>
Es &#x017F;agt noch der beru&#x0364;hmte<lb/><hi rendition="#aq">WINTRINGHAM p.</hi> 35. daß nun<lb/>
die Blutgefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e mehr wider&#x017F;tehen,<lb/>
es gehe al&#x017F;o das Fett wegen der<lb/>
Ableitungskraft in die Fa&#x0364;cher.</note>, und gemeiniglich lebt der Men&#x017F;ch in die&#x017F;em Zeital-<lb/>
ter, da die Gewalt &#x017F;einer Begierden ein wenig nachge-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, viel ruhiger als zuvor. Es werden na&#x0364;mlich die-<lb/>
jenigen Men&#x017F;chen, welche ihre Leibesu&#x0364;bungen fort&#x017F;ezzen,<lb/>
dergleichen die Bauern <note place="foot" n="(m)"><hi rendition="#aq">L. I. p.</hi> 39.</note> und Soldaten &#x017F;ind; wie<lb/>
auch diejenigen, bei denen das Fadengewebe &#x017F;cha&#x0364;rfer ge-<lb/>
&#x017F;pannt i&#x017F;t, dergleichen coleri&#x017F;che Per&#x017F;onen, und die wil-<lb/>
den Thiere &#x017F;ind, &#x017F;o vom Raube leben, niemals fett.</p><lb/>
              <p>Vielleicht entweichen auch die Sa&#x0364;fte, aus denen<lb/>
Seiten der Schlagadern darum, weil die nach und nach<lb/>
verha&#x0364;rtete klein&#x017F;te Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e den Sa&#x0364;ften einen gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Wi-<lb/>
der&#x017F;tand entgegen &#x017F;ezzen, und den Seitendrukk vergro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern <note place="foot" n="(m*)"><cb/><hi rendition="#aq">Conf. HEISTER mutat.<lb/>
natur. corp. hum. p.</hi> 30.</note>. Dahingegen werden die alten Och&#x017F;en <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq">L. I. p.</hi> 39.</note><lb/>
nach vielen Arbeiten, wenn &#x017F;ie nunmehr der Ruhe und<lb/>
ein gutes Futter genie&#x017F;&#x017F;en, in wenig Monaten au&#x017F;&#x017F;eror-<lb/>
dentlich fett. Was die Hu&#x0364;ner betrift, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
viel eher in der Jugend fett machen <note place="foot" n="(o)"><hi rendition="#aq">REAUMUR Art. de faire<lb/>
eclore p.</hi> 387.</note>.</p><lb/>
              <p>Das Wachsthum hat beinahe keine Gra&#x0364;nzen. So<lb/>
weiß man, daß Och&#x017F;en bis auf zwey tau&#x017F;end acht hun-<lb/>
dert Pfunde <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq">L. I. p.</hi> 50.</note> zugenommen, da &#x017F;ie doch gewo&#x0364;hnlicher<lb/>
Wei&#x017F;e nur dreyhundert Pfunde wiegen; &#x017F;o wurden Men-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chen</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[891[893]/0945] II. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen. Auf eine andere Art noͤthigen die Soldaten ihre Waden dikker zu werden, indem ſie um die Blutadern Baͤnder herumlegen, und alſo die Ruͤkkehr des Fettes aufhalten. Jch habe aber von den meiſten dieſer Punkte bereits an ihrem Orte geredet. Man ſiehet aber leicht ein, warum der Menſch nach der Vollendung des Wachsthums fett wird. Es wird naͤmlich derſelbe alsdenn gut genaͤhret, das Wachsthum verzehrt keine Saͤfte mehr, es iſt das Fadengewebe ſchlaf (l), und gemeiniglich lebt der Menſch in dieſem Zeital- ter, da die Gewalt ſeiner Begierden ein wenig nachge- laſſen, viel ruhiger als zuvor. Es werden naͤmlich die- jenigen Menſchen, welche ihre Leibesuͤbungen fortſezzen, dergleichen die Bauern (m) und Soldaten ſind; wie auch diejenigen, bei denen das Fadengewebe ſchaͤrfer ge- ſpannt iſt, dergleichen coleriſche Perſonen, und die wil- den Thiere ſind, ſo vom Raube leben, niemals fett. Vielleicht entweichen auch die Saͤfte, aus denen Seiten der Schlagadern darum, weil die nach und nach verhaͤrtete kleinſte Gefaͤſſe den Saͤften einen groͤſſern Wi- derſtand entgegen ſezzen, und den Seitendrukk vergroͤſ- ſern (m*). Dahingegen werden die alten Ochſen (n) nach vielen Arbeiten, wenn ſie nunmehr der Ruhe und ein gutes Futter genieſſen, in wenig Monaten auſſeror- dentlich fett. Was die Huͤner betrift, ſo laſſen ſie ſich viel eher in der Jugend fett machen (o). Das Wachsthum hat beinahe keine Graͤnzen. So weiß man, daß Ochſen bis auf zwey tauſend acht hun- dert Pfunde (p) zugenommen, da ſie doch gewoͤhnlicher Weiſe nur dreyhundert Pfunde wiegen; ſo wurden Men- ſchen (l) Es ſagt noch der beruͤhmte WINTRINGHAM p. 35. daß nun die Blutgefaͤſſe mehr widerſtehen, es gehe alſo das Fett wegen der Ableitungskraft in die Faͤcher. (m) L. I. p. 39. (m*) Conf. HEISTER mutat. natur. corp. hum. p. 30. (n) L. I. p. 39. (o) REAUMUR Art. de faire eclore p. 387. (p) L. I. p. 50.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/945
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 891[893]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/945>, abgerufen am 28.03.2024.