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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.
den Tag von Jedermann gelesen ward. Dem Bur-
germeister kam solches bald zu Ohren/ ließ demnach
den Rector zu sich bitten/ und tractirete ihn sehr wol;
Aber nach der Mahlzeit hielte er ihm vor/ daß ihm die
gemachte Grabschrifft fürtrefflich gefalle. Er ersuch-
te ihn darneben/ noch eine andere zu machen/ und dar-
innen gleicher Gestalt die dürre Warheit zu schreiben.
Dann/ sprach er/ neben dem Weinschenck lieget deß
Pastorn Schwieger-Vatter begraben/ welcher ein
einziges Kind/ deß Pastorn jetzige Frau hinterlassen/
dieser Mann war ein Einnehmer einer Stadt nicht
weit von hier/ aber in seinem gantzen Leben so geitzig/
daß er nimmer gnug haben kunte. Er asse sich hun-
gerig/ und trunck sich durstig/ auch in seinem hohen
Alter legte er sich/ auß lauter Geitz/ zu seinem Schwie-
ger-Sohn/ biß er endlich vor 9. Wochen gestorben/
und allhier begraben worden. Darum thut so wol/
und machet eine hübsche Grabschrifft darauf/ so soll
euch die Schul-Stelle verbleiben/ die ihr sonsten ver-
würcket hättet. Troll erinnerte sich ehemahl gelesen
zu haben eine Grabschrifft/ die auf einen solchen Geitz-
Halß gemacht war/ setzete sich demnach in deß Bur-
germeisters Gegenwart nieder/ und setzte sie auf/
welche man hernach mit grossen Buchstaben gleicher
Gestalt abfassete/ und auf deß Geitzigen Holtz-Creutz
nagelte. Es lautete aber diese Schrifft wie folget:

Dem unersättlichen Geitz-Halß.
Wie artig hat sich der Geitzige zum Vollsauffer gesellet!
Ein Gottloser zu einem Gottlosen?
Dem Geitzigen gleichet kein Mensch so wol/
als ein Wassersüchtiger.
Dieser hat Wassers/ jener Silbers gnug:
doch dürsten Beyde mehr zu kriegen/
und lassen niemahls sich genügen.
Ja
C c c 4

Romans II. Buch.
den Tag von Jedermann geleſen ward. Dem Bur-
germeiſter kam ſolches bald zu Ohren/ ließ demnach
den Rector zu ſich bitten/ und tractirete ihn ſehr wol;
Aber nach der Mahlzeit hielte er ihm vor/ daß ihm die
gemachte Grabſchrifft fuͤrtrefflich gefalle. Er erſuch-
te ihn darneben/ noch eine andere zu machen/ und dar-
iñen gleicher Geſtalt die duͤrre Warheit zu ſchreiben.
Dann/ ſprach er/ neben dem Weinſchenck lieget deß
Paſtorn Schwieger-Vatter begraben/ welcher ein
einziges Kind/ deß Paſtorn jetzige Frau hinterlaſſen/
dieſer Mann war ein Einnehmer einer Stadt nicht
weit von hier/ aber in ſeinem gantzen Leben ſo geitzig/
daß er nimmer gnug haben kunte. Er aſſe ſich hun-
gerig/ und trunck ſich durſtig/ auch in ſeinem hohen
Alter legte er ſich/ auß lauter Geitz/ zu ſeinem Schwie-
ger-Sohn/ biß er endlich vor 9. Wochen geſtorben/
und allhier begraben worden. Darum thut ſo wol/
und machet eine huͤbſche Grabſchrifft darauf/ ſo ſoll
euch die Schul-Stelle verbleiben/ die ihr ſonſten ver-
wuͤrcket haͤttet. Troll erinnerte ſich ehemahl geleſen
zu haben eine Grabſchrifft/ die auf einen ſolchen Geitz-
Halß gemacht war/ ſetzete ſich demnach in deß Bur-
germeiſters Gegenwart nieder/ und ſetzte ſie auf/
welche man hernach mit groſſen Buchſtaben gleicher
Geſtalt abfaſſete/ und auf deß Geitzigen Holtz-Creutz
nagelte. Es lautete aber dieſe Schrifft wie folget:

Dem unerſaͤttlichen Geitz-Halß.
Wie artig hat ſich der Geitzige zum Vollſauffer geſellet!
Ein Gottloſer zu einem Gottloſen?
Dem Geitzigen gleichet kein Menſch ſo wol/
als ein Waſſerſuͤchtiger.
Dieſer hat Waſſers/ jener Silbers gnug:
doch duͤrſten Beyde mehr zu kriegen/
und laſſen niemahls ſich genuͤgen.
Ja
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[775/0795] Romans II. Buch. den Tag von Jedermann geleſen ward. Dem Bur- germeiſter kam ſolches bald zu Ohren/ ließ demnach den Rector zu ſich bitten/ und tractirete ihn ſehr wol; Aber nach der Mahlzeit hielte er ihm vor/ daß ihm die gemachte Grabſchrifft fuͤrtrefflich gefalle. Er erſuch- te ihn darneben/ noch eine andere zu machen/ und dar- iñen gleicher Geſtalt die duͤrre Warheit zu ſchreiben. Dann/ ſprach er/ neben dem Weinſchenck lieget deß Paſtorn Schwieger-Vatter begraben/ welcher ein einziges Kind/ deß Paſtorn jetzige Frau hinterlaſſen/ dieſer Mann war ein Einnehmer einer Stadt nicht weit von hier/ aber in ſeinem gantzen Leben ſo geitzig/ daß er nimmer gnug haben kunte. Er aſſe ſich hun- gerig/ und trunck ſich durſtig/ auch in ſeinem hohen Alter legte er ſich/ auß lauter Geitz/ zu ſeinem Schwie- ger-Sohn/ biß er endlich vor 9. Wochen geſtorben/ und allhier begraben worden. Darum thut ſo wol/ und machet eine huͤbſche Grabſchrifft darauf/ ſo ſoll euch die Schul-Stelle verbleiben/ die ihr ſonſten ver- wuͤrcket haͤttet. Troll erinnerte ſich ehemahl geleſen zu haben eine Grabſchrifft/ die auf einen ſolchen Geitz- Halß gemacht war/ ſetzete ſich demnach in deß Bur- germeiſters Gegenwart nieder/ und ſetzte ſie auf/ welche man hernach mit groſſen Buchſtaben gleicher Geſtalt abfaſſete/ und auf deß Geitzigen Holtz-Creutz nagelte. Es lautete aber dieſe Schrifft wie folget: Dem unerſaͤttlichen Geitz-Halß. Wie artig hat ſich der Geitzige zum Vollſauffer geſellet! Ein Gottloſer zu einem Gottloſen? Dem Geitzigen gleichet kein Menſch ſo wol/ als ein Waſſerſuͤchtiger. Dieſer hat Waſſers/ jener Silbers gnug: doch duͤrſten Beyde mehr zu kriegen/ und laſſen niemahls ſich genuͤgen. Ja C c c 4

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 775. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/795>, abgerufen am 18.04.2024.