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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.
zwar diesen Tag hin/ aber am folgenden Morgen
laurete Venereus auf ein gutes Frühstück/ welches
ihm die Edel-Frau zu schicken verheissen hatte. Jn-
zwischen kommt der strenge Verwalter mit einem
Prügel herzu gegangen/ und begunte ihn mit Droh-
Worten zur Arbeit anzumahnen/ er aber lachete/
welches Jenem dergestalt zu Hertzen gieng/ daß er
den Prügel aufhub/ und einen starcken Streich auf
den Stummen loß führete. Venereus hatte schon ei-
nen starcken Ruck halt/ worauf er sich verließ/ lieff
demnach dem alten Grunser ein/ risse ihm den Stock
auß der Faust/ und schlug ihn darmit so ungewa-
schen auf den Kopff/ daß er zu Boden sanck/ wie ein
geschlagener Ochse. Solches sahe die Frau/ welche
geschwind herzu kam/ und weil sie leicht erachten kun-
te/ daß durch den Venereum sie in grosse Ungelegen-
heit kommen könte/ so sie ihn länger bey sich behielte/
riethe sie ihm/ in den Stall zu gehen/ und mit dem be-
sten Pferd darvon zu reiten/ darzu verehret sie ihm ei-
nen Beutel mit 100. Ducaten/ um sich darvon zu
kleiden. Der Verwalter bliebe zwar nicht von Stund
an todt/ aber seine Sinnen kamen ihm so bald nicht
wieder/ dannenhero verfügete sich die Edel-Frau
noch vorher mit Venereo in ihr Gemach/ und machte
sich für das Pferd und Geld bezahlet. Damahl er-
sahe dieser etliche schöne Kleider an der Wand han-
gen/ um welche er die Frau begrüssete/ und sie kunte
ihm solche für grosser Liebe nicht abschlagen/ ob sie
gleich ihrem Sohn gehöreten. Also zog sich Venereus
an/ und praesentirte sich als ein ansehnlicher Caval-
lier,
setzte sich darauf zu Pferde/ und ritte zum Thor
hinauß. Die Adeliche Jungfrau/ die solches gemer-
cket/ hatte sich schon vorher auß dem Hof gemachet/
und wie er sie vorbey reiten wolte/ ergriffe sie das

Pferd

Romans II. Buch.
zwar dieſen Tag hin/ aber am folgenden Morgen
laurete Venereus auf ein gutes Fruͤhſtuͤck/ welches
ihm die Edel-Frau zu ſchicken verheiſſen hatte. Jn-
zwiſchen kommt der ſtrenge Verwalter mit einem
Pruͤgel herzu gegangen/ und begunte ihn mit Droh-
Worten zur Arbeit anzumahnen/ er aber lachete/
welches Jenem dergeſtalt zu Hertzen gieng/ daß er
den Pruͤgel aufhub/ und einen ſtarcken Streich auf
den Stummen loß fuͤhrete. Venereus hatte ſchon ei-
nen ſtarcken Ruck halt/ worauf er ſich verließ/ lieff
demnach dem alten Grunſer ein/ riſſe ihm den Stock
auß der Fauſt/ und ſchlug ihn darmit ſo ungewa-
ſchen auf den Kopff/ daß er zu Boden ſanck/ wie ein
geſchlagener Ochſe. Solches ſahe die Frau/ welche
geſchwind herzu kam/ und weil ſie leicht erachten kun-
te/ daß durch den Venereum ſie in groſſe Ungelegen-
heit kommen koͤnte/ ſo ſie ihn laͤnger bey ſich behielte/
riethe ſie ihm/ in den Stall zu gehen/ und mit dem be-
ſten Pferd darvon zu reiten/ darzu verehret ſie ihm ei-
nen Beutel mit 100. Ducaten/ um ſich darvon zu
kleiden. Der Verwalter bliebe zwar nicht von Stund
an todt/ aber ſeine Sinnen kamen ihm ſo bald nicht
wieder/ dannenhero verfuͤgete ſich die Edel-Frau
noch vorher mit Venereo in ihr Gemach/ und machte
ſich fuͤr das Pferd und Geld bezahlet. Damahl er-
ſahe dieſer etliche ſchoͤne Kleider an der Wand han-
gen/ um welche er die Frau begruͤſſete/ und ſie kunte
ihm ſolche fuͤr groſſer Liebe nicht abſchlagen/ ob ſie
gleich ihrem Sohn gehoͤreten. Alſo zog ſich Venereus
an/ und præſentirte ſich als ein anſehnlicher Caval-
lier,
ſetzte ſich darauf zu Pferde/ und ritte zum Thor
hinauß. Die Adeliche Jungfrau/ die ſolches gemer-
cket/ hatte ſich ſchon vorher auß dem Hof gemachet/
und wie er ſie vorbey reiten wolte/ ergriffe ſie das

Pferd
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[637/0655] Romans II. Buch. zwar dieſen Tag hin/ aber am folgenden Morgen laurete Venereus auf ein gutes Fruͤhſtuͤck/ welches ihm die Edel-Frau zu ſchicken verheiſſen hatte. Jn- zwiſchen kommt der ſtrenge Verwalter mit einem Pruͤgel herzu gegangen/ und begunte ihn mit Droh- Worten zur Arbeit anzumahnen/ er aber lachete/ welches Jenem dergeſtalt zu Hertzen gieng/ daß er den Pruͤgel aufhub/ und einen ſtarcken Streich auf den Stummen loß fuͤhrete. Venereus hatte ſchon ei- nen ſtarcken Ruck halt/ worauf er ſich verließ/ lieff demnach dem alten Grunſer ein/ riſſe ihm den Stock auß der Fauſt/ und ſchlug ihn darmit ſo ungewa- ſchen auf den Kopff/ daß er zu Boden ſanck/ wie ein geſchlagener Ochſe. Solches ſahe die Frau/ welche geſchwind herzu kam/ und weil ſie leicht erachten kun- te/ daß durch den Venereum ſie in groſſe Ungelegen- heit kommen koͤnte/ ſo ſie ihn laͤnger bey ſich behielte/ riethe ſie ihm/ in den Stall zu gehen/ und mit dem be- ſten Pferd darvon zu reiten/ darzu verehret ſie ihm ei- nen Beutel mit 100. Ducaten/ um ſich darvon zu kleiden. Der Verwalter bliebe zwar nicht von Stund an todt/ aber ſeine Sinnen kamen ihm ſo bald nicht wieder/ dannenhero verfuͤgete ſich die Edel-Frau noch vorher mit Venereo in ihr Gemach/ und machte ſich fuͤr das Pferd und Geld bezahlet. Damahl er- ſahe dieſer etliche ſchoͤne Kleider an der Wand han- gen/ um welche er die Frau begruͤſſete/ und ſie kunte ihm ſolche fuͤr groſſer Liebe nicht abſchlagen/ ob ſie gleich ihrem Sohn gehoͤreten. Alſo zog ſich Venereus an/ und præſentirte ſich als ein anſehnlicher Caval- lier, ſetzte ſich darauf zu Pferde/ und ritte zum Thor hinauß. Die Adeliche Jungfrau/ die ſolches gemer- cket/ hatte ſich ſchon vorher auß dem Hof gemachet/ und wie er ſie vorbey reiten wolte/ ergriffe ſie das Pferd

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 637. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/655>, abgerufen am 23.04.2024.