Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650.

Bild:
<< vorherige Seite

Die erste Stund.
Poeterey/ oder Versmacher/ aber noch lang nicht
Poeten/ zu nennen.

III.

9. Deß Poeten Absehen ist gerichtet auf
den Nutzen/ und auf die Belustigung zu-
gleich. Der Nutz sol andre und auch ihn selbst be-
treffen/ und niemals wider Gott/ noch durch Aer-
gerniß wider den Nechsten gerichtet seyn. Was
Ehr und Ruhm kan man doch aus unehrlichen
und schändlichen Gedichten haben? Solche Un-
fläter/ wie sie Herr Lutherus nennet/ wollen sich
mit Koht weiß machen/ und verstellen den Sa-
tan in einen Engel deß Liechts. Jhnen solte stets
in den Ohren gellen der Fluch unsers Seligma-
chers: Verflucht sey/ der da Aergerniß gie-
bet/
und daß wir auch von einem ieden un-
nützen Wort müssen Rechenschaft geben.

Solcher Mißbrauch der Poeterey ist fast groß/
und wird von frommen Hertzen billich darüber ge-
eifert: Es kan aber der Fehler der Person nicht
der Kunst zugemessen werden/ noch der Miß-
brauch den rechten Gebrauch aufheben.

Die Zugabe deß VI. Theils der Gesprächspiele.

10. Der Poet handelt zuzeiten von der keu-
schen Lieb/ als einer Tugend/ von unkeuscher Lie-
be/ als einem viehischen Laster/ nicht zu dem Ende/
daß er dardurch iemand/ mit buhlerischen Gril-

len/
A iiij

Die erſte Stund.
Poeterey/ oder Versmacher/ aber noch lang nicht
Poeten/ zu nennen.

III.

9. Deß Poeten Abſehen iſt gerichtet auf
den Nutzen/ und auf die Beluſtigung zu-
gleich. Der Nutz ſol andre und auch ihn ſelbſt be-
treffen/ und niemals wider Gott/ noch durch Aer-
gerniß wider den Nechſten gerichtet ſeyn. Was
Ehr und Ruhm kan man doch aus unehrlichen
und ſchaͤndlichen Gedichten haben? Solche Un-
flaͤter/ wie ſie Herr Lutherus nennet/ wollen ſich
mit Koht weiß machen/ und verſtellen den Sa-
tan in einen Engel deß Liechts. Jhnen ſolte ſtets
in den Ohren gellen der Fluch unſers Seligma-
chers: Verflucht ſey/ der da Aergerniß gie-
bet/
und daß wir auch von einem ieden un-
nuͤtzen Wort muͤſſen Rechenſchaft geben.

Solcher Mißbrauch der Poeterey iſt faſt groß/
und wird von frommen Hertzen billich daruͤber ge-
eifert: Es kan aber der Fehler der Perſon nicht
der Kunſt zugemeſſen werden/ noch der Miß-
brauch den rechten Gebrauch aufheben.

☞ Die Zugabe deß VI. Theils der Geſpraͤchſpiele.

10. Der Poet handelt zuzeiten von der keu-
ſchen Lieb/ als einer Tugend/ von unkeuſcher Lie-
be/ als einem viehiſchen Laſter/ nicht zu dem Ende/
daß er dardurch iemand/ mit buhleriſchen Gril-

len/
A iiij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0025" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die er&#x017F;te Stund.</hi></fw><lb/>
Poeterey/ oder Versmacher/ aber noch lang nicht<lb/>
Poeten/ zu nennen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">III.</hi> </head><lb/>
          <p>9. <hi rendition="#fr">Deß Poeten Ab&#x017F;ehen</hi> i&#x017F;t gerichtet auf<lb/>
den <hi rendition="#fr">Nutzen/</hi> und auf die <hi rendition="#fr">Belu&#x017F;tigung</hi> zu-<lb/>
gleich. Der Nutz &#x017F;ol andre und auch ihn &#x017F;elb&#x017F;t be-<lb/>
treffen/ und niemals wider Gott/ noch durch Aer-<lb/>
gerniß wider den Nech&#x017F;ten gerichtet &#x017F;eyn. Was<lb/>
Ehr und Ruhm kan man doch aus unehrlichen<lb/>
und &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Gedichten haben? Solche <hi rendition="#fr">U</hi>n-<lb/>
fla&#x0364;ter/ wie &#x017F;ie Herr Lutherus nennet/ wollen &#x017F;ich<lb/>
mit Koht weiß machen/ und ver&#x017F;tellen den Sa-<lb/>
tan in einen Engel deß Liechts. Jhnen &#x017F;olte &#x017F;tets<lb/>
in den Ohren gellen der Fluch un&#x017F;ers Seligma-<lb/>
chers: <hi rendition="#fr">Verflucht &#x017F;ey/ der da Aergerniß gie-<lb/>
bet/</hi> und <hi rendition="#fr">daß wir auch von einem ieden un-<lb/>
nu&#x0364;tzen Wort mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Rechen&#x017F;chaft geben.</hi><lb/>
Solcher Mißbrauch der Poeterey i&#x017F;t fa&#x017F;t groß/<lb/>
und wird von frommen Hertzen billich daru&#x0364;ber ge-<lb/>
eifert: Es kan aber der Fehler der Per&#x017F;on nicht<lb/>
der Kun&#x017F;t zugeme&#x017F;&#x017F;en werden/ noch der Miß-<lb/>
brauch den rechten Gebrauch aufheben.</p><lb/>
          <p>&#x261E; Die Zugabe deß <hi rendition="#aq">VI.</hi> Theils der Ge&#x017F;pra&#x0364;ch&#x017F;piele.</p><lb/>
          <p>10. Der Poet handelt zuzeiten von der keu-<lb/>
&#x017F;chen Lieb/ als einer Tugend/ von unkeu&#x017F;cher Lie-<lb/>
be/ als einem viehi&#x017F;chen La&#x017F;ter/ nicht zu dem Ende/<lb/>
daß er dardurch iemand/ mit buhleri&#x017F;chen Gril-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A iiij</fw><fw place="bottom" type="catch">len/</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0025] Die erſte Stund. Poeterey/ oder Versmacher/ aber noch lang nicht Poeten/ zu nennen. III. 9. Deß Poeten Abſehen iſt gerichtet auf den Nutzen/ und auf die Beluſtigung zu- gleich. Der Nutz ſol andre und auch ihn ſelbſt be- treffen/ und niemals wider Gott/ noch durch Aer- gerniß wider den Nechſten gerichtet ſeyn. Was Ehr und Ruhm kan man doch aus unehrlichen und ſchaͤndlichen Gedichten haben? Solche Un- flaͤter/ wie ſie Herr Lutherus nennet/ wollen ſich mit Koht weiß machen/ und verſtellen den Sa- tan in einen Engel deß Liechts. Jhnen ſolte ſtets in den Ohren gellen der Fluch unſers Seligma- chers: Verflucht ſey/ der da Aergerniß gie- bet/ und daß wir auch von einem ieden un- nuͤtzen Wort muͤſſen Rechenſchaft geben. Solcher Mißbrauch der Poeterey iſt faſt groß/ und wird von frommen Hertzen billich daruͤber ge- eifert: Es kan aber der Fehler der Perſon nicht der Kunſt zugemeſſen werden/ noch der Miß- brauch den rechten Gebrauch aufheben. ☞ Die Zugabe deß VI. Theils der Geſpraͤchſpiele. 10. Der Poet handelt zuzeiten von der keu- ſchen Lieb/ als einer Tugend/ von unkeuſcher Lie- be/ als einem viehiſchen Laſter/ nicht zu dem Ende/ daß er dardurch iemand/ mit buhleriſchen Gril- len/ A iiij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650/25
Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650/25>, abgerufen am 28.03.2024.