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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Lehr.
mals |mit dem Verkehren; zu Zeiten mit bethö-
ren. Die edle/ guldne/ gesuchte/ erfahrne/ belobte/
beliebte/ erhabne Lehre. Der Jugend Haß deß
Alters Liebe.

Die Lehre ins Gemein wird bedeutet durch
ein offnes Buch.

266. Leib.

Das Reimwort zu dem Weib. Der Leib ist
eine kleine Welt/ das Haubt vergleicht dem Him-
melszelt/ ist von der Seel als GOTT bewohnt/
die Augen sind wie Sonn und Mond/ das Blut
ist gleich so manchen Flüssen/ die sich mit Lebens-
safft ergiessen. Die Haare sind wie rauhe Bau-
men/ etc. Der Leib ist unsre Lieb/ und Lieb ist
unser Leib/ nach eigner Liebe Trieb etc. (Lieb und
Leib ist ein Buchstabwechsel) Die Lieb ohn Ge-
genlieb pflegt nicht lang zu bestehen: gleich wie
deß Menschen Leib/ ohn Speise/ muß vergehen.
Der Leib ist ein Geripp mit Fleisch und Haut
umhüllet/ der abgeseelte Leib/ wird vieler Wür-
mer Speise/ deßwegen ihn auch H. Rist den Ma-
denspeiser nennet. Der Seelen Wagen/ und Ent-
haltniß/ ist abgefleischet/ eingedorret/ das See-
lenhaus/ die Hütt' aus welcher blickt die Eitel-
keit mit Graus.

267. Leiche.

Der Tode/ blasse/ kalte/ erstarrte/ vom Tod
gestreckte/ erstorbne/ betraurte/ Erdenartige/

schwe-
V iiij

Lehr.
mals |mit dem Verkehren; zu Zeiten mit bethoͤ-
ren. Die edle/ guldne/ geſuchte/ erfahrne/ belobte/
beliebte/ erhabne Lehre. Der Jugend Haß deß
Alters Liebe.

Die Lehre ins Gemein wird bedeutet durch
ein offnes Buch.

266. Leib.

Das Reimwort zu dem Weib. Der Leib iſt
eine kleine Welt/ das Haubt vergleicht dem Him-
melszelt/ iſt von der Seel als GOTT bewohnt/
die Augen ſind wie Sonn und Mond/ das Blut
iſt gleich ſo manchen Fluͤſſen/ die ſich mit Lebens-
ſafft ergieſſen. Die Haare ſind wie rauhe Bau-
men/ ꝛc. Der Leib iſt unſre Lieb/ und Lieb iſt
unſer Leib/ nach eigner Liebe Trieb ꝛc. (Lieb und
Leib iſt ein Buchſtabwechſel) Die Lieb ohn Ge-
genlieb pflegt nicht lang zu beſtehen: gleich wie
deß Menſchen Leib/ ohn Speiſe/ muß vergehen.
Der Leib iſt ein Geripp mit Fleiſch und Haut
umhuͤllet/ der abgeſeelte Leib/ wird vieler Wuͤr-
mer Speiſe/ deßwegen ihn auch H. Riſt den Ma-
denſpeiſer nennet. Der Seelen Wagen/ und Ent-
haltniß/ iſt abgefleiſchet/ eingedorret/ das See-
lenhaus/ die Huͤtt’ aus welcher blickt die Eitel-
keit mit Graus.

267. Leiche.

Der Tode/ blaſſe/ kalte/ erſtarrte/ vom Tod
geſtreckte/ erſtorbne/ betraurte/ Erdenartige/

ſchwe-
V iiij
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[313[311]/0343] Lehr. mals |mit dem Verkehren; zu Zeiten mit bethoͤ- ren. Die edle/ guldne/ geſuchte/ erfahrne/ belobte/ beliebte/ erhabne Lehre. Der Jugend Haß deß Alters Liebe. Die Lehre ins Gemein wird bedeutet durch ein offnes Buch. 266. Leib. Das Reimwort zu dem Weib. Der Leib iſt eine kleine Welt/ das Haubt vergleicht dem Him- melszelt/ iſt von der Seel als GOTT bewohnt/ die Augen ſind wie Sonn und Mond/ das Blut iſt gleich ſo manchen Fluͤſſen/ die ſich mit Lebens- ſafft ergieſſen. Die Haare ſind wie rauhe Bau- men/ ꝛc. Der Leib iſt unſre Lieb/ und Lieb iſt unſer Leib/ nach eigner Liebe Trieb ꝛc. (Lieb und Leib iſt ein Buchſtabwechſel) Die Lieb ohn Ge- genlieb pflegt nicht lang zu beſtehen: gleich wie deß Menſchen Leib/ ohn Speiſe/ muß vergehen. Der Leib iſt ein Geripp mit Fleiſch und Haut umhuͤllet/ der abgeſeelte Leib/ wird vieler Wuͤr- mer Speiſe/ deßwegen ihn auch H. Riſt den Ma- denſpeiſer nennet. Der Seelen Wagen/ und Ent- haltniß/ iſt abgefleiſchet/ eingedorret/ das See- lenhaus/ die Huͤtt’ aus welcher blickt die Eitel- keit mit Graus. 267. Leiche. Der Tode/ blaſſe/ kalte/ erſtarrte/ vom Tod geſtreckte/ erſtorbne/ betraurte/ Erdenartige/ ſchwe- V iiij

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 313[311]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/343>, abgerufen am 28.03.2024.