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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Tochter.
460. Tochter.

Jungfrau. Das liebste Kind im Haus/ das
nach der Mutter ahmet/ artet/ gefolgig ihrer
Zucht. Ein Hausraht dem man nicht kan ohne
Gelt vergeben. Sie ist deß Vaters Sorg/ der
Mutter Lieb und Lob. Nach der Mutter Ehr
und Tugend ahmt die Tochter in der Jugend.

461. Der Tod.

Der Tod ist die abholde Endschafft alles ver-
gänglichen Weltwesens/ wann er nicht mit dem
Gebet versüsset wird. Er übergehet die blühende
Zeit der Jahren nicht/ und ist keine grössere Tu-
gend als wol sterben. Er kommet schligweiß an.
Der dürre Streckebein. Er ist der Sünden saurer
Lohn/ er sihet noch Stand noch Alter an/ er ist das
abscheulichste Ding/ unter allen erschröcklich-
sten/ der bösen ärgster Haß. Deß Lebens schieler
Feind/ der dürre Streckenbein/ der unverschäm-
te Gast/ der sich nicht ruffen lässet/ der wüterige
Tod/ der grimmerbitterte Sensenmann/ der blei-
che/ blasse/ nimmersatte/ rachgierige/ Menschen-
mörder/ Menschenfraß/ der unwidertreibliche
überwinder/ der Würger/ der Lebensrauber/ der
verhasste Lebensdieb/ der Schlaffes geeler Bru-
dermann. Mein' Odemsneige wird bald ausge-
zäpfet werden/ es schicket sich mit mir gemachlich
zu der Erden. Der Schmertz durchnagt das
Hertz/ die Brust will mir zerbürsten/ und meine

Seele
F f
Tochter.
460. Tochter.

Jungfrau. Das liebſte Kind im Haus/ das
nach der Mutter ahmet/ artet/ gefolgig ihrer
Zucht. Ein Hausraht dem man nicht kan ohne
Gelt vergeben. Sie iſt deß Vaters Sorg/ der
Mutter Lieb und Lob. Nach der Mutter Ehr
und Tugend ahmt die Tochter in der Jugend.

461. Der Tod.

Der Tod iſt die abholde Endſchafft alles ver-
gaͤnglichen Weltweſens/ wann er nicht mit dem
Gebet verſuͤſſet wird. Er uͤbergehet die bluͤhende
Zeit der Jahren nicht/ und iſt keine groͤſſere Tu-
gend als wol ſterben. Er kommet ſchligweiß an.
Der duͤrre Streckebein. Er iſt der Suͤndẽ ſaureꝛ
Lohn/ er ſihet noch Stand noch Alter an/ er iſt das
abſcheulichſte Ding/ unter allen erſchroͤcklich-
ſten/ der boͤſen aͤrgſter Haß. Deß Lebens ſchieler
Feind/ der duͤrre Streckenbein/ der unverſchaͤm-
te Gaſt/ der ſich nicht ruffen laͤſſet/ der wuͤterige
Tod/ der grimmerbitterte Senſenmann/ der blei-
che/ blaſſe/ nimmerſatte/ rachgierige/ Menſchen-
moͤrder/ Menſchenfraß/ der unwidertreibliche
uͤberwinder/ der Wuͤrger/ der Lebensrauber/ der
verhaſſte Lebensdieb/ der Schlaffes geeler Bru-
dermann. Mein’ Odemsneige wird bald ausge-
zaͤpfet werden/ es ſchicket ſich mit mir gemachlich
zu der Erden. Der Schmertz durchnagt das
Hertz/ die Bruſt will mir zerbuͤrſten/ und meine

Seele
F f
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[451[449]/0481] Tochter. 460. Tochter. ☞Jungfrau. Das liebſte Kind im Haus/ das nach der Mutter ahmet/ artet/ gefolgig ihrer Zucht. Ein Hausraht dem man nicht kan ohne Gelt vergeben. Sie iſt deß Vaters Sorg/ der Mutter Lieb und Lob. Nach der Mutter Ehr und Tugend ahmt die Tochter in der Jugend. 461. Der Tod. Der Tod iſt die abholde Endſchafft alles ver- gaͤnglichen Weltweſens/ wann er nicht mit dem Gebet verſuͤſſet wird. Er uͤbergehet die bluͤhende Zeit der Jahren nicht/ und iſt keine groͤſſere Tu- gend als wol ſterben. Er kommet ſchligweiß an. Der duͤrre Streckebein. Er iſt der Suͤndẽ ſaureꝛ Lohn/ er ſihet noch Stand noch Alter an/ er iſt das abſcheulichſte Ding/ unter allen erſchroͤcklich- ſten/ der boͤſen aͤrgſter Haß. Deß Lebens ſchieler Feind/ der duͤrre Streckenbein/ der unverſchaͤm- te Gaſt/ der ſich nicht ruffen laͤſſet/ der wuͤterige Tod/ der grimmerbitterte Senſenmann/ der blei- che/ blaſſe/ nimmerſatte/ rachgierige/ Menſchen- moͤrder/ Menſchenfraß/ der unwidertreibliche uͤberwinder/ der Wuͤrger/ der Lebensrauber/ der verhaſſte Lebensdieb/ der Schlaffes geeler Bru- dermann. Mein’ Odemsneige wird bald ausge- zaͤpfet werden/ es ſchicket ſich mit mir gemachlich zu der Erden. Der Schmertz durchnagt das Hertz/ die Bruſt will mir zerbuͤrſten/ und meine Seele F f

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 451[449]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/481>, abgerufen am 29.03.2024.