Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Zunge.
Sperling/ binket wie der Finke/ und bildet also
das Wesen und die Sprache oder den Laut aller
Thiere.

Rede und Thiere.

Die Zunge bringet GOTT das schuldige Lob-
opfer unsrer Lippen/ sie regieret und giebt Gesetze
der Stadt/ dem Hausstand/ und ist der Werk-
zeug/ durch welchen GOttes Wort in die gantze
Welt ist ausgebreitet worden/ deß wegen auch die
erste Gabe deß H. Geistes ist gewesen/ daß sie mit
vielen Zungen allerley Sprachen reden können.
Die Zunge ist gestaltet wie der Blitz/ ihre Bewe-
gung ist Blitzgeschwind/ und bringet mehrmals
den Donner und Hagel mit sich. Die Zunge zün-
det an/ und ist kein Feuer/ sie verwundet und ist
kein Schwert/ sie lindert und ist kein Oehl/ sie hei-
let und ist kein Artzt/ sie vergifftet und ist keine
Schlange. Sie speiset die Ohren/ eröffnet das
verborgne/ lehret das unbewuste/ erkläret das
tunkle. Sie ist die Bottschaffterin unsers Wil-
lens/ die Hand unsres Hertzens/ das Liecht uns-
res Verlangens/ die Quelle alles Trostes/ und
Händlerin zwischen GOtt und den Menschen.
Ja niemand kan der Zungen Lob ausreden/ als
die Zunge selbsten/ wie sich das Aug in den Spie-
gel selbsten sehen muß/ und sonsten seine Gestalt
nicht zu Gesicht bringen kan.

Zügen

Zunge.
Sperling/ binket wie der Finke/ und bildet alſo
das Weſen und die Sprache oder den Laut aller
Thiere.

☞Rede und Thiere.

Die Zunge bringet GOTT das ſchuldige Lob-
opfer unſrer Lippen/ ſie regieret und giebt Geſetze
der Stadt/ dem Hausſtand/ und iſt der Werk-
zeug/ durch welchen GOttes Wort in die gantze
Welt iſt ausgebreitet worden/ deß wegen auch die
erſte Gabe deß H. Geiſtes iſt geweſen/ daß ſie mit
vielen Zungen allerley Sprachen reden koͤnnen.
Die Zunge iſt geſtaltet wie der Blitz/ ihre Bewe-
gung iſt Blitzgeſchwind/ und bringet mehrmals
den Donner und Hagel mit ſich. Die Zunge zuͤn-
det an/ und iſt kein Feuer/ ſie verwundet und iſt
kein Schwert/ ſie lindert und iſt kein Oehl/ ſie hei-
let und iſt kein Artzt/ ſie vergifftet und iſt keine
Schlange. Sie ſpeiſet die Ohren/ eroͤffnet das
verborgne/ lehret das unbewuſte/ erklaͤret das
tunkle. Sie iſt die Bottſchaffterin unſers Wil-
lens/ die Hand unſres Hertzens/ das Liecht unſ-
res Verlangens/ die Quelle alles Troſtes/ und
Haͤndlerin zwiſchen GOtt und den Menſchen.
Ja niemand kan der Zungen Lob ausreden/ als
die Zunge ſelbſten/ wie ſich das Aug in den Spie-
gel ſelbſten ſehen muß/ und ſonſten ſeine Geſtalt
nicht zu Geſicht bringen kan.

Zuͤgen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0532" n="502[500]"/><fw place="top" type="header">Zunge.</fw><lb/>
Sperling/ binket wie der Finke/ und bildet al&#x017F;o<lb/>
das We&#x017F;en und die Sprache oder den Laut aller<lb/>
Thiere.</p><lb/>
            <p>&#x261E;<hi rendition="#fr">Rede</hi> und <hi rendition="#fr">Thiere.</hi></p><lb/>
            <p>Die Zunge bringet GOTT das &#x017F;chuldige Lob-<lb/>
opfer un&#x017F;rer Lippen/ &#x017F;ie regieret und giebt Ge&#x017F;etze<lb/>
der Stadt/ dem Haus&#x017F;tand/ und i&#x017F;t der Werk-<lb/>
zeug/ durch welchen GOttes Wort in die gantze<lb/>
Welt i&#x017F;t ausgebreitet worden/ deß wegen auch die<lb/>
er&#x017F;te Gabe deß H. Gei&#x017F;tes i&#x017F;t gewe&#x017F;en/ daß &#x017F;ie mit<lb/>
vielen Zungen allerley Sprachen reden ko&#x0364;nnen.<lb/>
Die Zunge i&#x017F;t ge&#x017F;taltet wie der Blitz/ ihre Bewe-<lb/>
gung i&#x017F;t Blitzge&#x017F;chwind/ und bringet mehrmals<lb/>
den Donner und Hagel mit &#x017F;ich. Die Zunge zu&#x0364;n-<lb/>
det an/ und i&#x017F;t kein Feuer/ &#x017F;ie verwundet und i&#x017F;t<lb/>
kein Schwert/ &#x017F;ie lindert und i&#x017F;t kein Oehl/ &#x017F;ie hei-<lb/>
let und i&#x017F;t kein Artzt/ &#x017F;ie vergifftet und i&#x017F;t keine<lb/>
Schlange. Sie &#x017F;pei&#x017F;et die Ohren/ ero&#x0364;ffnet das<lb/>
verborgne/ lehret das unbewu&#x017F;te/ erkla&#x0364;ret das<lb/>
tunkle. Sie i&#x017F;t die Bott&#x017F;chaffterin un&#x017F;ers Wil-<lb/>
lens/ die Hand un&#x017F;res Hertzens/ das Liecht un&#x017F;-<lb/>
res Verlangens/ die Quelle alles Tro&#x017F;tes/ und<lb/>
Ha&#x0364;ndlerin zwi&#x017F;chen GOtt und den Men&#x017F;chen.<lb/>
Ja niemand kan der Zungen Lob ausreden/ als<lb/>
die Zunge &#x017F;elb&#x017F;ten/ wie &#x017F;ich das Aug in den Spie-<lb/>
gel &#x017F;elb&#x017F;ten &#x017F;ehen muß/ und &#x017F;on&#x017F;ten &#x017F;eine Ge&#x017F;talt<lb/>
nicht zu Ge&#x017F;icht bringen kan.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Zu&#x0364;gen</hi> </fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[502[500]/0532] Zunge. Sperling/ binket wie der Finke/ und bildet alſo das Weſen und die Sprache oder den Laut aller Thiere. ☞Rede und Thiere. Die Zunge bringet GOTT das ſchuldige Lob- opfer unſrer Lippen/ ſie regieret und giebt Geſetze der Stadt/ dem Hausſtand/ und iſt der Werk- zeug/ durch welchen GOttes Wort in die gantze Welt iſt ausgebreitet worden/ deß wegen auch die erſte Gabe deß H. Geiſtes iſt geweſen/ daß ſie mit vielen Zungen allerley Sprachen reden koͤnnen. Die Zunge iſt geſtaltet wie der Blitz/ ihre Bewe- gung iſt Blitzgeſchwind/ und bringet mehrmals den Donner und Hagel mit ſich. Die Zunge zuͤn- det an/ und iſt kein Feuer/ ſie verwundet und iſt kein Schwert/ ſie lindert und iſt kein Oehl/ ſie hei- let und iſt kein Artzt/ ſie vergifftet und iſt keine Schlange. Sie ſpeiſet die Ohren/ eroͤffnet das verborgne/ lehret das unbewuſte/ erklaͤret das tunkle. Sie iſt die Bottſchaffterin unſers Wil- lens/ die Hand unſres Hertzens/ das Liecht unſ- res Verlangens/ die Quelle alles Troſtes/ und Haͤndlerin zwiſchen GOtt und den Menſchen. Ja niemand kan der Zungen Lob ausreden/ als die Zunge ſelbſten/ wie ſich das Aug in den Spie- gel ſelbſten ſehen muß/ und ſonſten ſeine Geſtalt nicht zu Geſicht bringen kan. Zuͤgen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/532
Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 502[500]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/532>, abgerufen am 16.04.2024.