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Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847.

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zuströmen, steht die Fertigkeit ihres Sprachorganes
sie auszudrücken nicht in Harmonie, und die natürliche
Folge ist ein undeutliches schnelles Hervorstottern
der Wörter, welches man kaum oder gar nicht
verstehen kann.

Sobald man merkt, daß das Kind undeutlich
spricht, muß man es sofort den Satz wiederholen,
und dabei jede Sylbe deutlich aussprechen lassen;
oder man thue als ob man es gar nicht verstanden
hätte; es wird alsdann von selbst seinen Gedanken
eine verständlichere Form zu geben suchen. Da eine
schlechte Aussprache so oft mit krampfhafter Reiz-
barkeit zusammenhängt, so wird eine nervenstärkende
Erziehung auch von diesem Fehler befreien.

Oft hängt eine undeutliche Sprache von einer
moralischen Jnfirmität ab. Sehr schüchterne Kinder
wagen es kaum ihre Stimme hören zu lassen, oder
übereilen sich, wenn sie etwas zu sagen haben, um
nur ja recht schnell einer ihnen peinlichen Aufmerk-
samkeit zu entgehen.

Die Schüchternheit ist überhaupt ein Fehler, den
man nicht mit dem Kinde wachsen lassen darf, da er
im Leben sehr hinderlich werden wird. Man bringe
solche Patienten (denn es ist eine Krankheit) so viel
wie möglich unter Menschen. Harte Worte, Dro-
hungen und Schläge sind hier wie überall, ein schlechtes
Mittel zur Besserung. Es ist offenbar, daß wenn

zuſtroͤmen, ſteht die Fertigkeit ihres Sprachorganes
ſie auszudruͤcken nicht in Harmonie, und die natuͤrliche
Folge iſt ein undeutliches ſchnelles Hervorſtottern
der Woͤrter, welches man kaum oder gar nicht
verſtehen kann.

Sobald man merkt, daß das Kind undeutlich
ſpricht, muß man es ſofort den Satz wiederholen,
und dabei jede Sylbe deutlich ausſprechen laſſen;
oder man thue als ob man es gar nicht verſtanden
haͤtte; es wird alsdann von ſelbſt ſeinen Gedanken
eine verſtaͤndlichere Form zu geben ſuchen. Da eine
ſchlechte Ausſprache ſo oft mit krampfhafter Reiz-
barkeit zuſammenhaͤngt, ſo wird eine nervenſtaͤrkende
Erziehung auch von dieſem Fehler befreien.

Oft haͤngt eine undeutliche Sprache von einer
moraliſchen Jnfirmitaͤt ab. Sehr ſchuͤchterne Kinder
wagen es kaum ihre Stimme hoͤren zu laſſen, oder
uͤbereilen ſich, wenn ſie etwas zu ſagen haben, um
nur ja recht ſchnell einer ihnen peinlichen Aufmerk-
ſamkeit zu entgehen.

Die Schüchternheit iſt uͤberhaupt ein Fehler, den
man nicht mit dem Kinde wachſen laſſen darf, da er
im Leben ſehr hinderlich werden wird. Man bringe
ſolche Patienten (denn es iſt eine Krankheit) ſo viel
wie moͤglich unter Menſchen. Harte Worte, Dro-
hungen und Schlaͤge ſind hier wie uͤberall, ein ſchlechtes
Mittel zur Beſſerung. Es iſt offenbar, daß wenn

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[158/0168] zuſtroͤmen, ſteht die Fertigkeit ihres Sprachorganes ſie auszudruͤcken nicht in Harmonie, und die natuͤrliche Folge iſt ein undeutliches ſchnelles Hervorſtottern der Woͤrter, welches man kaum oder gar nicht verſtehen kann. Sobald man merkt, daß das Kind undeutlich ſpricht, muß man es ſofort den Satz wiederholen, und dabei jede Sylbe deutlich ausſprechen laſſen; oder man thue als ob man es gar nicht verſtanden haͤtte; es wird alsdann von ſelbſt ſeinen Gedanken eine verſtaͤndlichere Form zu geben ſuchen. Da eine ſchlechte Ausſprache ſo oft mit krampfhafter Reiz- barkeit zuſammenhaͤngt, ſo wird eine nervenſtaͤrkende Erziehung auch von dieſem Fehler befreien. Oft haͤngt eine undeutliche Sprache von einer moraliſchen Jnfirmitaͤt ab. Sehr ſchuͤchterne Kinder wagen es kaum ihre Stimme hoͤren zu laſſen, oder uͤbereilen ſich, wenn ſie etwas zu ſagen haben, um nur ja recht ſchnell einer ihnen peinlichen Aufmerk- ſamkeit zu entgehen. Die Schüchternheit iſt uͤberhaupt ein Fehler, den man nicht mit dem Kinde wachſen laſſen darf, da er im Leben ſehr hinderlich werden wird. Man bringe ſolche Patienten (denn es iſt eine Krankheit) ſo viel wie moͤglich unter Menſchen. Harte Worte, Dro- hungen und Schlaͤge ſind hier wie uͤberall, ein ſchlechtes Mittel zur Beſſerung. Es iſt offenbar, daß wenn

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Zitationshilfe: Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/168>, abgerufen am 28.03.2024.