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Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.

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Dritter Akt.
Zeit: wenige Minuten nach dem Vorfall zwischen Helene und
ihrer Stiefmutter im Hofe. Der Schauplatz ist der des ersten
Vorgangs.
(Dr. Schimmelpfennig sitzt, ein Recept schreibend, Schlapphut,
Zwirnhandschuhe und Stock vor sich auf der Tischplatte, an dem Tisch links im
Vordergrunde. Er ist von Gestalt klein und gedrungen, hat schwarzes Wollhaar
und einen ziemlich starken Schnurrbart. Schwarzer Rock im Schnitt der Jäger-
schen Normalröcke. Die Kleidung im Ganzen solid, aber nicht elegant. Hat
die Gewohnheit, fast ununterbrochen seinen Schnurrbart zu streichen oder zu
drehen, um so stärker, je erregter er innerlich wird. Sein Gesichtsausdruck,
wenn er mit Hoffmann redet, ist gezwungen ruhig, ein Zug von Sarkasmus
liegt um seine Mundwinkel. Seine Bewegungen sind lebhaft, fest und eckig,
durchaus natürlich. Hoffmann, in seidenem Schlafrock und Pantoffeln, geht
umher. Der Tisch rechts im Hintergrunde ist zum Frühstück hergerichtet.
Feines Porzellan. Gebäck, Rumcaraffe etc.
Hoffmann. Herr Doctor, sind Sie mit dem Aus-
sehen meiner Frau zufrieden?
Dr. Schimmelpfennig. Sie sieht ja ganz gut
aus, warum nicht.
Hoffmann. Denken Sie, daß Alles gut vorüber-
gehen wird?
Dr. Schimmelpfennig. Ich hoffe.
Hoffmann (nach einer Pause zögernd). Herr Doctor, ich
habe mir vorgenommen -- schon seit Wochen -- Sie,
sobald ich hierher käme, in einer ganz bestimmten Sache
um Ihren Rath zu bitten.
Dr. Schimmelpfennig (der bis jetzt unter dem Schreiben
geantwortet hat, legt die Feder beiseite, steht auf und übergiebt Hoffmann das
geschriebene Recept).
So!...das lassen Sie wohl bald
machen; (indem er Hut, Handschuhe und Stock nimmt) über Kopf-
schmerz klagt Ihre Frau, -- (in seinen Hut blickend, geschäftsmäßig)
ehe ich es vergesse: suchen Sie doch Ihrer Frau be-
greiflich zu machen, daß sie für das kommende Lebewesen
Dritter Akt.
Zeit: wenige Minuten nach dem Vorfall zwiſchen Helene und
ihrer Stiefmutter im Hofe. Der Schauplatz iſt der des erſten
Vorgangs.
(Dr. Schimmelpfennig ſitzt, ein Recept ſchreibend, Schlapphut,
Zwirnhandſchuhe und Stock vor ſich auf der Tiſchplatte, an dem Tiſch links im
Vordergrunde. Er iſt von Geſtalt klein und gedrungen, hat ſchwarzes Wollhaar
und einen ziemlich ſtarken Schnurrbart. Schwarzer Rock im Schnitt der Jäger-
ſchen Normalröcke. Die Kleidung im Ganzen ſolid, aber nicht elegant. Hat
die Gewohnheit, faſt ununterbrochen ſeinen Schnurrbart zu ſtreichen oder zu
drehen, um ſo ſtärker, je erregter er innerlich wird. Sein Geſichtsausdruck,
wenn er mit Hoffmann redet, iſt gezwungen ruhig, ein Zug von Sarkasmus
liegt um ſeine Mundwinkel. Seine Bewegungen ſind lebhaft, feſt und eckig,
durchaus natürlich. Hoffmann, in ſeidenem Schlafrock und Pantoffeln, geht
umher. Der Tiſch rechts im Hintergrunde iſt zum Frühſtück hergerichtet.
Feines Porzellan. Gebäck, Rumcaraffe etc.
Hoffmann. Herr Doctor, ſind Sie mit dem Aus-
ſehen meiner Frau zufrieden?
Dr. Schimmelpfennig. Sie ſieht ja ganz gut
aus, warum nicht.
Hoffmann. Denken Sie, daß Alles gut vorüber-
gehen wird?
Dr. Schimmelpfennig. Ich hoffe.
Hoffmann (nach einer Pauſe zögernd). Herr Doctor, ich
habe mir vorgenommen — ſchon ſeit Wochen — Sie,
ſobald ich hierher käme, in einer ganz beſtimmten Sache
um Ihren Rath zu bitten.
Dr. Schimmelpfennig (der bis jetzt unter dem Schreiben
geantwortet hat, legt die Feder beiſeite, ſteht auf und übergiebt Hoffmann das
geſchriebene Recept).
So!...das laſſen Sie wohl bald
machen; (indem er Hut, Handſchuhe und Stock nimmt) über Kopf-
ſchmerz klagt Ihre Frau, — (in ſeinen Hut blickend, geſchäftsmäßig)
ehe ich es vergeſſe: ſuchen Sie doch Ihrer Frau be-
greiflich zu machen, daß ſie für das kommende Lebeweſen
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[52/0058] Dritter Akt. Zeit: wenige Minuten nach dem Vorfall zwiſchen Helene und ihrer Stiefmutter im Hofe. Der Schauplatz iſt der des erſten Vorgangs. (Dr. Schimmelpfennig ſitzt, ein Recept ſchreibend, Schlapphut, Zwirnhandſchuhe und Stock vor ſich auf der Tiſchplatte, an dem Tiſch links im Vordergrunde. Er iſt von Geſtalt klein und gedrungen, hat ſchwarzes Wollhaar und einen ziemlich ſtarken Schnurrbart. Schwarzer Rock im Schnitt der Jäger- ſchen Normalröcke. Die Kleidung im Ganzen ſolid, aber nicht elegant. Hat die Gewohnheit, faſt ununterbrochen ſeinen Schnurrbart zu ſtreichen oder zu drehen, um ſo ſtärker, je erregter er innerlich wird. Sein Geſichtsausdruck, wenn er mit Hoffmann redet, iſt gezwungen ruhig, ein Zug von Sarkasmus liegt um ſeine Mundwinkel. Seine Bewegungen ſind lebhaft, feſt und eckig, durchaus natürlich. Hoffmann, in ſeidenem Schlafrock und Pantoffeln, geht umher. Der Tiſch rechts im Hintergrunde iſt zum Frühſtück hergerichtet. Feines Porzellan. Gebäck, Rumcaraffe etc. Hoffmann. Herr Doctor, ſind Sie mit dem Aus- ſehen meiner Frau zufrieden? Dr. Schimmelpfennig. Sie ſieht ja ganz gut aus, warum nicht. Hoffmann. Denken Sie, daß Alles gut vorüber- gehen wird? Dr. Schimmelpfennig. Ich hoffe. Hoffmann (nach einer Pauſe zögernd). Herr Doctor, ich habe mir vorgenommen — ſchon ſeit Wochen — Sie, ſobald ich hierher käme, in einer ganz beſtimmten Sache um Ihren Rath zu bitten. Dr. Schimmelpfennig (der bis jetzt unter dem Schreiben geantwortet hat, legt die Feder beiſeite, ſteht auf und übergiebt Hoffmann das geſchriebene Recept). So!...das laſſen Sie wohl bald machen; (indem er Hut, Handſchuhe und Stock nimmt) über Kopf- ſchmerz klagt Ihre Frau, — (in ſeinen Hut blickend, geſchäftsmäßig) ehe ich es vergeſſe: ſuchen Sie doch Ihrer Frau be- greiflich zu machen, daß ſie für das kommende Lebeweſen

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_sonnenaufgang_1889/58>, abgerufen am 28.03.2024.