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Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.

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Frau Krause (wendet sich blitzschnell und trifft Helene mit einem
vernichtenden Blick; kurz und herrisch):
Schickt sich doas? (Frau
Krause, im Begriff sich zu setzen, erinnert sich, daß das Tischgebet noch nicht
gesprochen ist, und faltet mechanisch, doch ohne ihrer Bosheit im Uebrigen Herr
zu sein, die Hände.)
Frau Spiller (spricht das Tischgebet).
Komm', Herr Jesu, sei unser Gast,
Segne, was Du uns bescheeret hast.
Amen.

(Alle setzen sich mit Geräusch. Mit dem Zulangen und Zureichen, welches
einige Zeit in Anspruch nimmt, kommt man über die peinliche Situation hinweg.)
Hoffmann (zu Loth). Lieber Freund, Du bedienst
Dich wohl?! Austern?
Loth. Nun, will probiren, es sind die ersten
Austern, die ich esse.
Frau Krause (hat soeben eine Auster geschlürft. Mit vollem
Munde):
In dar Seisong mein'n Se woll?
Loth. Ich meine überhaupt.
(Frau Krause und Frau Spiller wechseln Blicke.)
Hoffmann (zu Kahl, der eine Citrone mit den Zähnen auspreßt):
Zwei Tage nicht gesehen, Herr Kahl! Tüchtig Mäuse
gejagt in der Zeit?
Kahl. N...n..ne!
Hoffmann (zu Loth): Herr Kahl ist nämlich ein leiden-
schaftlicher Jäger.
Kahl. D..d..die M..mm..maus, das ist
'n in...in..infamtes Am..am..amf..ff..
fibium.
Helene (platzt heraus): Zu lächerlich ist das, Alles
schießt er todt, Zahmes und Wildes.
Kahl. N..nächten hab ich d..d..die alte
Szss..sau vu ins t..todt g..g..geschossen.
Loth. Da ist wohl Schießen Ihre Hauptbeschäftigung?
Frau Krause. Herr Kahl thut's ock bloßig zum
Prifatvergnigen.
Frau Spillern. Wald, Wild, Weib pflegten
Seine Exellenz der Herr Minister von Schadendorf oft-
mals zu sagen.
Frau Krauſe (wendet ſich blitzſchnell und trifft Helene mit einem
vernichtenden Blick; kurz und herriſch):
Schickt ſich doas? (Frau
Krauſe, im Begriff ſich zu ſetzen, erinnert ſich, daß das Tiſchgebet noch nicht
geſprochen iſt, und faltet mechaniſch, doch ohne ihrer Bosheit im Uebrigen Herr
zu ſein, die Hände.)
Frau Spiller (ſpricht das Tiſchgebet).
Komm', Herr Jeſu, ſei unſer Gaſt,
Segne, was Du uns beſcheeret haſt.
Amen.

(Alle ſetzen ſich mit Geräuſch. Mit dem Zulangen und Zureichen, welches
einige Zeit in Anſpruch nimmt, kommt man über die peinliche Situation hinweg.)
Hoffmann (zu Loth). Lieber Freund, Du bedienſt
Dich wohl?! Auſtern?
Loth. Nun, will probiren, es ſind die erſten
Auſtern, die ich eſſe.
Frau Krauſe (hat ſoeben eine Auſter geſchlürft. Mit vollem
Munde):
In dar Seiſong mein'n Se woll?
Loth. Ich meine überhaupt.
(Frau Krauſe und Frau Spiller wechſeln Blicke.)
Hoffmann (zu Kahl, der eine Citrone mit den Zähnen auspreßt):
Zwei Tage nicht geſehen, Herr Kahl! Tüchtig Mäuſe
gejagt in der Zeit?
Kahl. N...n..ne!
Hoffmann (zu Loth): Herr Kahl iſt nämlich ein leiden-
ſchaftlicher Jäger.
Kahl. D..d..die M..mm..maus, das iſt
'n in...in..infamtes Am..am..amf..ff..
fibium.
Helene (platzt heraus): Zu lächerlich iſt das, Alles
ſchießt er todt, Zahmes und Wildes.
Kahl. N..nächten hab ich d..d..die alte
Szſſ..ſau vu ins t..todt g..g..geſchoſſen.
Loth. Da iſt wohl Schießen Ihre Hauptbeſchäftigung?
Frau Krauſe. Herr Kahl thut's ock bloßig zum
Prifatvergnigen.
Frau Spillern. Wald, Wild, Weib pflegten
Seine Exellenz der Herr Miniſter von Schadendorf oft-
mals zu ſagen.
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[26/0032] Frau Krauſe (wendet ſich blitzſchnell und trifft Helene mit einem vernichtenden Blick; kurz und herriſch):Schickt ſich doas? (Frau Krauſe, im Begriff ſich zu ſetzen, erinnert ſich, daß das Tiſchgebet noch nicht geſprochen iſt, und faltet mechaniſch, doch ohne ihrer Bosheit im Uebrigen Herr zu ſein, die Hände.) Frau Spiller (ſpricht das Tiſchgebet). Komm', Herr Jeſu, ſei unſer Gaſt, Segne, was Du uns beſcheeret haſt. Amen. (Alle ſetzen ſich mit Geräuſch. Mit dem Zulangen und Zureichen, welches einige Zeit in Anſpruch nimmt, kommt man über die peinliche Situation hinweg.) Hoffmann (zu Loth). Lieber Freund, Du bedienſt Dich wohl?! Auſtern? Loth. Nun, will probiren, es ſind die erſten Auſtern, die ich eſſe. Frau Krauſe (hat ſoeben eine Auſter geſchlürft. Mit vollem Munde): In dar Seiſong mein'n Se woll? Loth. Ich meine überhaupt. (Frau Krauſe und Frau Spiller wechſeln Blicke.) Hoffmann (zu Kahl, der eine Citrone mit den Zähnen auspreßt): Zwei Tage nicht geſehen, Herr Kahl! Tüchtig Mäuſe gejagt in der Zeit? Kahl. N...n..ne! Hoffmann (zu Loth): Herr Kahl iſt nämlich ein leiden- ſchaftlicher Jäger. Kahl. D..d..die M..mm..maus, das iſt 'n in...in..infamtes Am..am..amf..ff.. fibium. Helene (platzt heraus): Zu lächerlich iſt das, Alles ſchießt er todt, Zahmes und Wildes. Kahl. N..nächten hab ich d..d..die alte Szſſ..ſau vu ins t..todt g..g..geſchoſſen. Loth. Da iſt wohl Schießen Ihre Hauptbeſchäftigung? Frau Krauſe. Herr Kahl thut's ock bloßig zum Prifatvergnigen. Frau Spillern. Wald, Wild, Weib pflegten Seine Exellenz der Herr Miniſter von Schadendorf oft- mals zu ſagen.

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_sonnenaufgang_1889/32>, abgerufen am 28.03.2024.