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Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Nr. 138, Hamburg, 13. Juni 1832.

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Staats und [Abbildung] Gelehrte
Zei   tung
des Hamburgischen unpartheiischen
CORRESPONDENTEN.

Anno 1832.   Am Mittewochen, den 13 Juni.
No. 138.



Verlegt von den Grundschen Erben.



[Beginn Spaltensatz]

Die furchtbaren Ereignisse des gestrigen und des
heutigen Tages haben alle guten Patrioten mit der
tiefsten Betrübniß erfüllt. Der Streit scheint sich
zuerst dadurch entsponnen zu haben, daß ein Haufe
Republikaner, nachdem die Trauerreden auf dem
Bastillenplatze gehalten worden waren, den Leichen-
wagen nach dem Pantheon führen wollte. Jetzt
brach eine Anzahl Menschen, welche phrygische
Mützen auf Stöcken und rothe Fahnen trugen, in
den Aufruf aus: Es lebe die Republik! Nieder mit
Ludwig Philipp! Das Militär wollte sich der Un-
ruhigen bemächtigen, als plötzlich mehrere Flinten-
schüsse fielen, ohne daß sich bestimmen ließe, wer
angefangen habe, das Volk oder die Truppen. Wie
dem auch sey, die Gemüther wurden immer aufge-
regter, und da sich diese Nachricht mit Blitzes-
schnelle über ganz Paris verbreitete, schlossen sich
alle Läden und der Generalmarsch ertönte in allen
Richtungen. Die Republikaner entwaffneten jetzt
mehrere kleinere Posten der Nationalgarde und der
Linie, worauf sie die Boulevards durchzogen. Den
ganzen Abend hindurch chargirten die Lanciers, die
Kürassiere, die Carabiniere und die Dragoner die
Republikaner-Haufen, die jetzt Barricaden zu er-
richten und mehrere Straßen zu entpflastern ansin-
gen. Leider stellte sich die Artillerie der National-
garde und einzelne Jnfanteristen derselben auf die
Seite der Republikaner; die Majorität der bewaff-
neten Bürgermiliz blieb indessen der bestehenden Ord-
nung treu. Auf dem Platze des Petits-Peres und
bei der Mairie des 6ten Bezirks in der Straße
St. Martin kam es zu lebhaften Gefechten zwischen
der Nationalgarde und den Republikanern; die An-
zahl der Todten und Verwundeten war sehr groß.
Noch blutiger wurde der Kampf mit Anbruch der
Nacht auf den Boulevards. Mehrere Schwertfeger-
[Spaltenumbruch] Magazine wurden erbrochen. Um Mitternacht be-
stand die 3te Legion ein verzweifeltes Gefecht mit
den Republikanern in dem Passage du Saumon,
woraus die Republikaner nur mit großer Mühe ver-
trieben wurden. Nach Mitternacht ließ der Kampf
etwas nach, doch hörte man fortwährend einzelne
Flintenschüsse. Alle Laternen waren zerschlagen und
Paris befand sich in der vollkommensten Dunkelheit.
Erst um 2 Uhr früh Morgens trennte sich das Mi-
nisterial-Conseil, welches seit 9 Uhr Abends bei-
sammen war. Es war davon die Rede, Paris in
Belagerungsstand zu erklären; doch scheint die Re-
gierung entschlossen, diese Maaßregel erst im äußer-
sten Falle zu ergreifen, um nicht den Schrecken in
den Departements zu verbreiten. Jn der Nacht
traf eine große Menge Nationalgarden aus der Um-
gegend, unter dem Rufe: Nieder mit den Republi-
kanern! Nieder mit den Carlisten! hier ein, und
man theilte ihnen Patronen aus. An Linientrup-
pen waren bereits 40,000 Mann von allen Waffen-
gattungen beisammen, und es kamen fortwährend
neue hinzu. Der König wollte sich anfangs an die
Spitze der Truppen stellen, doch widerriethen es die
Minister; dagegen übernahm der Herzog v. Nemours
die Leitung seines Regiments. Um 2 Uhr wurde
ein Detaschement Jnfanterie und Cavallerie mit ge-
ladenen Gewehren vom Generalstabe abgeschickt, mit
dem Befehle, alle Verdächtigen auf den Straßen zu
verhaften, aber nur im schlimmsten Falle Feuer zu
geben. Zwischen 3 und 4 Uhr kam es auf zwei
Punkten in der Straße St. Martin zum Gefechte,
wo die Republikaner bereits Abends vorher Barri-
caden errichtet hatten, welche die Behörden während
der Nacht niederreissen ließen. Um 5 Uhr traf das
5te Lancier-Regiment aus St. Germain en Laye ein.
Kanonen wurden bei den Thoren St. Denis und
St. Martin und am Eingange der Straße St.

Staats und [Abbildung] Gelehrte
Zei   tung
des Hamburgiſchen unpartheiiſchen
CORRESPONDENTEN.

Anno 1832.   Am Mittewochen, den 13 Juni.
No. 138.



Verlegt von den Grundſchen Erben.



[Beginn Spaltensatz]

Die furchtbaren Ereigniſſe des geſtrigen und des
heutigen Tages haben alle guten Patrioten mit der
tiefſten Betrübniß erfüllt. Der Streit ſcheint ſich
zuerſt dadurch entſponnen zu haben, daß ein Haufe
Republikaner, nachdem die Trauerreden auf dem
Baſtillenplatze gehalten worden waren, den Leichen-
wagen nach dem Pantheon führen wollte. Jetzt
brach eine Anzahl Menſchen, welche phrygiſche
Mützen auf Stöcken und rothe Fahnen trugen, in
den Aufruf aus: Es lebe die Republik! Nieder mit
Ludwig Philipp! Das Militär wollte ſich der Un-
ruhigen bemächtigen, als plötzlich mehrere Flinten-
ſchüſſe fielen, ohne daß ſich beſtimmen ließe, wer
angefangen habe, das Volk oder die Truppen. Wie
dem auch ſey, die Gemüther wurden immer aufge-
regter, und da ſich dieſe Nachricht mit Blitzes-
ſchnelle über ganz Paris verbreitete, ſchloſſen ſich
alle Läden und der Generalmarſch ertönte in allen
Richtungen. Die Republikaner entwaffneten jetzt
mehrere kleinere Poſten der Nationalgarde und der
Linie, worauf ſie die Boulevards durchzogen. Den
ganzen Abend hindurch chargirten die Lanciers, die
Küraſſiere, die Carabiniere und die Dragoner die
Republikaner-Haufen, die jetzt Barricaden zu er-
richten und mehrere Straßen zu entpflaſtern anſin-
gen. Leider ſtellte ſich die Artillerie der National-
garde und einzelne Jnfanteriſten derſelben auf die
Seite der Republikaner; die Majorität der bewaff-
neten Bürgermiliz blieb indeſſen der beſtehenden Ord-
nung treu. Auf dem Platze des Petits-Pères und
bei der Mairie des 6ten Bezirks in der Straße
St. Martin kam es zu lebhaften Gefechten zwiſchen
der Nationalgarde und den Republikanern; die An-
zahl der Todten und Verwundeten war ſehr groß.
Noch blutiger wurde der Kampf mit Anbruch der
Nacht auf den Boulevards. Mehrere Schwertfeger-
[Spaltenumbruch] Magazine wurden erbrochen. Um Mitternacht be-
ſtand die 3te Legion ein verzweifeltes Gefecht mit
den Republikanern in dem Paſſage du Saumon,
woraus die Republikaner nur mit großer Mühe ver-
trieben wurden. Nach Mitternacht ließ der Kampf
etwas nach, doch hörte man fortwährend einzelne
Flintenſchüſſe. Alle Laternen waren zerſchlagen und
Paris befand ſich in der vollkommenſten Dunkelheit.
Erſt um 2 Uhr früh Morgens trennte ſich das Mi-
niſterial-Conſeil, welches ſeit 9 Uhr Abends bei-
ſammen war. Es war davon die Rede, Paris in
Belagerungsſtand zu erklären; doch ſcheint die Re-
gierung entſchloſſen, dieſe Maaßregel erſt im äußer-
ſten Falle zu ergreifen, um nicht den Schrecken in
den Departements zu verbreiten. Jn der Nacht
traf eine große Menge Nationalgarden aus der Um-
gegend, unter dem Rufe: Nieder mit den Republi-
kanern! Nieder mit den Carliſten! hier ein, und
man theilte ihnen Patronen aus. An Linientrup-
pen waren bereits 40,000 Mann von allen Waffen-
gattungen beiſammen, und es kamen fortwährend
neue hinzu. Der König wollte ſich anfangs an die
Spitze der Truppen ſtellen, doch widerriethen es die
Miniſter; dagegen übernahm der Herzog v. Nemours
die Leitung ſeines Regiments. Um 2 Uhr wurde
ein Detaſchement Jnfanterie und Cavallerie mit ge-
ladenen Gewehren vom Generalſtabe abgeſchickt, mit
dem Befehle, alle Verdächtigen auf den Straßen zu
verhaften, aber nur im ſchlimmſten Falle Feuer zu
geben. Zwiſchen 3 und 4 Uhr kam es auf zwei
Punkten in der Straße St. Martin zum Gefechte,
wo die Republikaner bereits Abends vorher Barri-
caden errichtet hatten, welche die Behörden während
der Nacht niederreiſſen ließen. Um 5 Uhr traf das
5te Lancier-Regiment aus St. Germain en Laye ein.
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Britt-Marie Schuster, Manuel Wille, Arnika Lutz: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-09-26T11:04:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

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Zitationshilfe: Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Nr. 138, Hamburg, 13. Juni 1832, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1381306_1832/1>, abgerufen am 16.04.2024.