Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

abgelassen, bis es fertig war und der Hahn auf dem Kirchthurm stand. So ist Rom entstanden. Was du zu thun hast, machs auch so!

7.

"Frisch gewagt ist halb gewonnen." Daraus folgt: "Frisch gewagt ist auch halb verloren." Das kann nicht fehlen. Deswegen sagt man auch: "Wagen gewinnt, Wagen verliert." Was muß also den Ausschlag geben? Prüfung, ob man die Kräfte habe zu dem, was man wagen will, Ueberlegung wie es anzufangen sey, Benutzung der günstigen Zeit und Umstände, und hintennach, wenn man sein muthiges A. gesagt hat, ein besonnenes B., und sein bescheidenes C. Aber so viel muß wahr bleiben: Wenn etwas Gewagtes soll unternommen werden, und kann nicht anders seyn, so ist ein frischer Muth zur Sache der Meister, und der muß dich durchreißen. Aber wenn du immer willst, und fangst nie an, oder du hast schon angefangen, und es reut dich wieder, und willst, wie man sagt, auf dem trockenen Lande ertrinken, guter Freund, dann ist "schlecht gewagt ganz verloren."

8.

"Es ist nicht alles Gold, was glänzt." Mancher, der nicht an dieses Sprichwort denkt, wird betrogen. Aber eine andere Erfahrung wird noch öfter vergessen: "Manches glänzt nicht und ist doch Gold," und wer das nicht glaubt, und nicht daran denkt, der ist noch schlimmer daran. In einem wohlbestellten Acker, in einem gut eingerichteten Gewerbe ist viel Gold verborgen, und eine fleißige Hand weiß es zu finden, und ein ruhiges Herz dazu und ein gutes Gewissen glänzt auch nicht, und ist noch mehr als Goldes werth.

abgelassen, bis es fertig war und der Hahn auf dem Kirchthurm stand. So ist Rom entstanden. Was du zu thun hast, machs auch so!

7.

„Frisch gewagt ist halb gewonnen.“ Daraus folgt: „Frisch gewagt ist auch halb verloren.“ Das kann nicht fehlen. Deswegen sagt man auch: „Wagen gewinnt, Wagen verliert.“ Was muß also den Ausschlag geben? Prüfung, ob man die Kräfte habe zu dem, was man wagen will, Ueberlegung wie es anzufangen sey, Benutzung der günstigen Zeit und Umstände, und hintennach, wenn man sein muthiges A. gesagt hat, ein besonnenes B., und sein bescheidenes C. Aber so viel muß wahr bleiben: Wenn etwas Gewagtes soll unternommen werden, und kann nicht anders seyn, so ist ein frischer Muth zur Sache der Meister, und der muß dich durchreißen. Aber wenn du immer willst, und fangst nie an, oder du hast schon angefangen, und es reut dich wieder, und willst, wie man sagt, auf dem trockenen Lande ertrinken, guter Freund, dann ist „schlecht gewagt ganz verloren.“

8.

„Es ist nicht alles Gold, was glänzt.“ Mancher, der nicht an dieses Sprichwort denkt, wird betrogen. Aber eine andere Erfahrung wird noch öfter vergessen: „Manches glänzt nicht und ist doch Gold,“ und wer das nicht glaubt, und nicht daran denkt, der ist noch schlimmer daran. In einem wohlbestellten Acker, in einem gut eingerichteten Gewerbe ist viel Gold verborgen, und eine fleißige Hand weiß es zu finden, und ein ruhiges Herz dazu und ein gutes Gewissen glänzt auch nicht, und ist noch mehr als Goldes werth.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0083" n="75"/>
abgelassen, bis es fertig war und der Hahn auf dem Kirchthurm stand. So ist Rom entstanden. Was du zu thun hast, machs auch so!</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>7.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#g">&#x201E;Frisch gewagt ist halb gewonnen.&#x201C;</hi> Daraus folgt: &#x201E;Frisch gewagt ist auch halb verloren.&#x201C; Das kann nicht fehlen. Deswegen sagt man auch: <hi rendition="#g">&#x201E;Wagen gewinnt, Wagen verliert.&#x201C;</hi> Was muß also den Ausschlag geben? Prüfung, ob man die Kräfte habe zu dem, was man wagen will, Ueberlegung wie es anzufangen sey, Benutzung der günstigen Zeit und Umstände, und hintennach, wenn man sein muthiges A. gesagt hat, ein besonnenes B., und sein bescheidenes C. Aber so viel muß wahr bleiben: Wenn etwas Gewagtes soll unternommen werden, und kann nicht anders seyn, so ist ein frischer Muth zur Sache der Meister, und der muß dich durchreißen. Aber wenn du immer willst, und fangst nie an, oder du hast schon angefangen, und es reut dich wieder, und willst, wie man sagt, auf dem trockenen Lande ertrinken, guter Freund, dann ist &#x201E;schlecht gewagt ganz verloren.&#x201C;</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>8.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#g">&#x201E;Es ist nicht alles Gold, was glänzt.&#x201C;</hi> Mancher, der nicht an dieses Sprichwort denkt, wird betrogen. Aber eine andere Erfahrung wird noch öfter vergessen: <hi rendition="#g">&#x201E;Manches glänzt nicht und ist doch Gold,&#x201C;</hi> und wer das nicht glaubt, und nicht daran denkt, der ist noch schlimmer daran. In einem wohlbestellten Acker, in einem gut eingerichteten Gewerbe ist viel Gold verborgen, und eine fleißige Hand weiß es zu finden, und ein ruhiges Herz dazu und ein gutes Gewissen glänzt auch nicht, und ist noch mehr als Goldes werth.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0083] abgelassen, bis es fertig war und der Hahn auf dem Kirchthurm stand. So ist Rom entstanden. Was du zu thun hast, machs auch so! 7. „Frisch gewagt ist halb gewonnen.“ Daraus folgt: „Frisch gewagt ist auch halb verloren.“ Das kann nicht fehlen. Deswegen sagt man auch: „Wagen gewinnt, Wagen verliert.“ Was muß also den Ausschlag geben? Prüfung, ob man die Kräfte habe zu dem, was man wagen will, Ueberlegung wie es anzufangen sey, Benutzung der günstigen Zeit und Umstände, und hintennach, wenn man sein muthiges A. gesagt hat, ein besonnenes B., und sein bescheidenes C. Aber so viel muß wahr bleiben: Wenn etwas Gewagtes soll unternommen werden, und kann nicht anders seyn, so ist ein frischer Muth zur Sache der Meister, und der muß dich durchreißen. Aber wenn du immer willst, und fangst nie an, oder du hast schon angefangen, und es reut dich wieder, und willst, wie man sagt, auf dem trockenen Lande ertrinken, guter Freund, dann ist „schlecht gewagt ganz verloren.“ 8. „Es ist nicht alles Gold, was glänzt.“ Mancher, der nicht an dieses Sprichwort denkt, wird betrogen. Aber eine andere Erfahrung wird noch öfter vergessen: „Manches glänzt nicht und ist doch Gold,“ und wer das nicht glaubt, und nicht daran denkt, der ist noch schlimmer daran. In einem wohlbestellten Acker, in einem gut eingerichteten Gewerbe ist viel Gold verborgen, und eine fleißige Hand weiß es zu finden, und ein ruhiges Herz dazu und ein gutes Gewissen glänzt auch nicht, und ist noch mehr als Goldes werth.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-12-03T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-12-03T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-12-03T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/83
Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/83>, abgerufen am 25.04.2024.