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Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

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und Ordnung wieder her, und wird französischer Kayser, und noch hatte die gute Obstfrau in Brienne nichts, als sein Wort: "Ihr sollt nicht vergessen seyn!" Aber ein Wort noch immer so gut, als baares Geld, und besser. Denn als der Kayser in Brienne einmal erwartet wurde, er war aber in der Stille schon dort, und mag wohl sehr gerührt gewesen [seyn], wenn er da an die vorige Zeit gedachte, und an die jetzige, und wie ihn Gott in so kurzer Zeit, und durch so viele Gefahren unversehrt bis auf den neuen Kayserthron geführt hatte, da blieb er auf der Gasse plötzlich stille stehen, legte den Finger an die Stirne, wie einer, der sich auf etwas besinnt, nannte bald darauf den Namen der Obstfrau, erkundigte sich nach ihrer Wohnung, so ziemlich baufällig war, und trat mit einem einzigen treuen Begleiter zu ihr hinein. Eine enge Thüre führte ihn in ein kleines, aber reinliches Zimmer, wo die Frau mit zwei Kindern am Kamin kniete, und ein sparsames Abendessen bereitete.

"Kann ich hier etwas zur Erfrischung haben?" so fragte der Kayser. - Ei ja! erwiederte die Frau, die Melonen sind reif, und holte eine. Während die zwey fremden Herren die Melone verzehrten, und die Frau noch ein paar Reiser an das Feuer legte, "Kennt Ihr denn den Kayser auch, der heute hier seyn soll?" fragte der eine. Er ist noch nicht da, antwortete die Frau, er kommt erst. Warum soll ich ihn nicht kennen? Manchen Teller und manches Körbchen voll Obst hat er mir abgekauft, als er noch hier in der Schule war. - "Hat er denn auch alles ordentlich bezahlt?" - "Ja freylich, er hat alles ordentlich bezahlt." Da sagte zu ihr der fremde

und Ordnung wieder her, und wird französischer Kayser, und noch hatte die gute Obstfrau in Brienne nichts, als sein Wort: „Ihr sollt nicht vergessen seyn!“ Aber ein Wort noch immer so gut, als baares Geld, und besser. Denn als der Kayser in Brienne einmal erwartet wurde, er war aber in der Stille schon dort, und mag wohl sehr gerührt gewesen [seyn], wenn er da an die vorige Zeit gedachte, und an die jetzige, und wie ihn Gott in so kurzer Zeit, und durch so viele Gefahren unversehrt bis auf den neuen Kayserthron geführt hatte, da blieb er auf der Gasse plötzlich stille stehen, legte den Finger an die Stirne, wie einer, der sich auf etwas besinnt, nannte bald darauf den Namen der Obstfrau, erkundigte sich nach ihrer Wohnung, so ziemlich baufällig war, und trat mit einem einzigen treuen Begleiter zu ihr hinein. Eine enge Thüre führte ihn in ein kleines, aber reinliches Zimmer, wo die Frau mit zwei Kindern am Kamin kniete, und ein sparsames Abendessen bereitete.

„Kann ich hier etwas zur Erfrischung haben?“ so fragte der Kayser. – Ei ja! erwiederte die Frau, die Melonen sind reif, und holte eine. Während die zwey fremden Herren die Melone verzehrten, und die Frau noch ein paar Reiser an das Feuer legte, „Kennt Ihr denn den Kayser auch, der heute hier seyn soll?“ fragte der eine. Er ist noch nicht da, antwortete die Frau, er kommt erst. Warum soll ich ihn nicht kennen? Manchen Teller und manches Körbchen voll Obst hat er mir abgekauft, als er noch hier in der Schule war. – „Hat er denn auch alles ordentlich bezahlt?“ – „Ja freylich, er hat alles ordentlich bezahlt.“ Da sagte zu ihr der fremde

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[187/0195] und Ordnung wieder her, und wird französischer Kayser, und noch hatte die gute Obstfrau in Brienne nichts, als sein Wort: „Ihr sollt nicht vergessen seyn!“ Aber ein Wort noch immer so gut, als baares Geld, und besser. Denn als der Kayser in Brienne einmal erwartet wurde, er war aber in der Stille schon dort, und mag wohl sehr gerührt gewesen seyn, wenn er da an die vorige Zeit gedachte, und an die jetzige, und wie ihn Gott in so kurzer Zeit, und durch so viele Gefahren unversehrt bis auf den neuen Kayserthron geführt hatte, da blieb er auf der Gasse plötzlich stille stehen, legte den Finger an die Stirne, wie einer, der sich auf etwas besinnt, nannte bald darauf den Namen der Obstfrau, erkundigte sich nach ihrer Wohnung, so ziemlich baufällig war, und trat mit einem einzigen treuen Begleiter zu ihr hinein. Eine enge Thüre führte ihn in ein kleines, aber reinliches Zimmer, wo die Frau mit zwei Kindern am Kamin kniete, und ein sparsames Abendessen bereitete. „Kann ich hier etwas zur Erfrischung haben?“ so fragte der Kayser. – Ei ja! erwiederte die Frau, die Melonen sind reif, und holte eine. Während die zwey fremden Herren die Melone verzehrten, und die Frau noch ein paar Reiser an das Feuer legte, „Kennt Ihr denn den Kayser auch, der heute hier seyn soll?“ fragte der eine. Er ist noch nicht da, antwortete die Frau, er kommt erst. Warum soll ich ihn nicht kennen? Manchen Teller und manches Körbchen voll Obst hat er mir abgekauft, als er noch hier in der Schule war. – „Hat er denn auch alles ordentlich bezahlt?“ – „Ja freylich, er hat alles ordentlich bezahlt.“ Da sagte zu ihr der fremde

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Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/195>, abgerufen am 24.04.2024.