Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

Das ist dem Scharfrichter von Landau begegnet, und es wäre dem Hausfreund leid, wenn er sagen könnte, wer die arme Seele war, die auf einem so blutigen Weg in die Ewigkeit hat gehen müßen. Nein, es hat niemand erfahren wer sie war, und was sie gesündiget hat, und niemand weiß das Grab.


Der Staar von Segringen.

Selbst einem Staaren kann es nützlich seyn, wenn er etwas gelernt hat, wie viel mehr einem Menschen. - In einem respectabeln Dorf, ich will sagen, in Segringen, es ist aber nicht dort geschehen, sondern hier im Land, und derjenige dem es begegnet ist, liest es vielleicht in diesem Augenblick, nicht der Staar, aber der Mensch. In Segringen der Barbier hatte einen Staar, und der wohlbekannte Lehrjung gab ihm Unterricht im Sprechen. Der Staar lernte nicht nur alle Wörter, die ihm sein Sprachmeister aufgab, sondern er ahmte zuletzt auch selber nach, was er von seinem Herrn hörte, zum Exempel: Ich bin der Barbier von Segringen. Sein Herr hatte sonst noch allerley Redensarten an sich, die er bei jeder Gelegenheit wiederholte, zum Exempel: So, so, la, la; oder: par Compagnie, (das heißt so viel als: in Gesellschaft mit andern); oder: wie Gott will; oder: du Dolpatsch. So titulierte er nämlich insgemein den Lehrjungen, wenn er das halbe Pflaster auf den Tisch strich, anstatt aufs Tuch, oder wenn er das Scheermesser am Rücken abzog, anstatt an der Schneide, oder wenn er ein Arzneiglas zerbrach. Alle diese Redensarten

Das ist dem Scharfrichter von Landau begegnet, und es wäre dem Hausfreund leid, wenn er sagen könnte, wer die arme Seele war, die auf einem so blutigen Weg in die Ewigkeit hat gehen müßen. Nein, es hat niemand erfahren wer sie war, und was sie gesündiget hat, und niemand weiß das Grab.


Der Staar von Segringen.

Selbst einem Staaren kann es nützlich seyn, wenn er etwas gelernt hat, wie viel mehr einem Menschen. – In einem respectabeln Dorf, ich will sagen, in Segringen, es ist aber nicht dort geschehen, sondern hier im Land, und derjenige dem es begegnet ist, liest es vielleicht in diesem Augenblick, nicht der Staar, aber der Mensch. In Segringen der Barbier hatte einen Staar, und der wohlbekannte Lehrjung gab ihm Unterricht im Sprechen. Der Staar lernte nicht nur alle Wörter, die ihm sein Sprachmeister aufgab, sondern er ahmte zuletzt auch selber nach, was er von seinem Herrn hörte, zum Exempel: Ich bin der Barbier von Segringen. Sein Herr hatte sonst noch allerley Redensarten an sich, die er bei jeder Gelegenheit wiederholte, zum Exempel: So, so, la, la; oder: par Compagnie, (das heißt so viel als: in Gesellschaft mit andern); oder: wie Gott will; oder: du Dolpatsch. So titulierte er nämlich insgemein den Lehrjungen, wenn er das halbe Pflaster auf den Tisch strich, anstatt aufs Tuch, oder wenn er das Scheermesser am Rücken abzog, anstatt an der Schneide, oder wenn er ein Arzneiglas zerbrach. Alle diese Redensarten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0238" n="230"/>
        </p>
        <p>Das ist dem Scharfrichter von Landau begegnet, und es wäre dem Hausfreund leid, wenn er sagen könnte, wer die arme Seele war, die auf einem so blutigen Weg in die Ewigkeit hat gehen müßen. Nein, es hat niemand erfahren wer sie war, und was sie gesündiget hat, und niemand weiß das Grab.</p>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Der Staar von Segringen.</head><lb/>
        <p>Selbst einem Staaren kann es nützlich seyn, wenn er etwas gelernt hat, wie viel mehr einem Menschen. &#x2013; In einem respectabeln Dorf, ich will sagen, in Segringen, es ist aber nicht dort geschehen, sondern hier im Land, und derjenige dem es begegnet ist, liest es vielleicht in diesem Augenblick, nicht der Staar, aber der Mensch. In Segringen der Barbier hatte einen Staar, und der wohlbekannte Lehrjung gab ihm Unterricht im Sprechen. Der Staar lernte nicht nur alle Wörter, die ihm sein Sprachmeister aufgab, sondern er ahmte zuletzt auch selber nach, was er von seinem Herrn hörte, zum Exempel: <hi rendition="#g">Ich bin der Barbier von Segringen</hi>. Sein Herr hatte sonst noch allerley Redensarten an sich, die er bei jeder Gelegenheit wiederholte, zum Exempel: <hi rendition="#g">So, so, la, la</hi>; oder: <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">par Compagnie,</hi></hi> (das heißt so viel als: <hi rendition="#g">in Gesellschaft mit andern</hi>); oder: <hi rendition="#g">wie Gott will</hi>; oder: <hi rendition="#g">du Dolpatsch</hi>. So titulierte er nämlich insgemein den Lehrjungen, wenn er das halbe Pflaster auf den Tisch strich, anstatt aufs Tuch, oder wenn er das Scheermesser am Rücken abzog, anstatt an der Schneide, oder wenn er ein Arzneiglas zerbrach. Alle diese Redensarten
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0238] Das ist dem Scharfrichter von Landau begegnet, und es wäre dem Hausfreund leid, wenn er sagen könnte, wer die arme Seele war, die auf einem so blutigen Weg in die Ewigkeit hat gehen müßen. Nein, es hat niemand erfahren wer sie war, und was sie gesündiget hat, und niemand weiß das Grab. Der Staar von Segringen. Selbst einem Staaren kann es nützlich seyn, wenn er etwas gelernt hat, wie viel mehr einem Menschen. – In einem respectabeln Dorf, ich will sagen, in Segringen, es ist aber nicht dort geschehen, sondern hier im Land, und derjenige dem es begegnet ist, liest es vielleicht in diesem Augenblick, nicht der Staar, aber der Mensch. In Segringen der Barbier hatte einen Staar, und der wohlbekannte Lehrjung gab ihm Unterricht im Sprechen. Der Staar lernte nicht nur alle Wörter, die ihm sein Sprachmeister aufgab, sondern er ahmte zuletzt auch selber nach, was er von seinem Herrn hörte, zum Exempel: Ich bin der Barbier von Segringen. Sein Herr hatte sonst noch allerley Redensarten an sich, die er bei jeder Gelegenheit wiederholte, zum Exempel: So, so, la, la; oder: par Compagnie, (das heißt so viel als: in Gesellschaft mit andern); oder: wie Gott will; oder: du Dolpatsch. So titulierte er nämlich insgemein den Lehrjungen, wenn er das halbe Pflaster auf den Tisch strich, anstatt aufs Tuch, oder wenn er das Scheermesser am Rücken abzog, anstatt an der Schneide, oder wenn er ein Arzneiglas zerbrach. Alle diese Redensarten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-12-03T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-12-03T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-12-03T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/238
Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/238>, abgerufen am 29.03.2024.