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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

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von einer Viertelstunde und Mittags eine ganze Freistunde, und zwar
jedesmal auch Bewegung in freier Luft zu gewähren.

§. 5. Die Beschäftigung solcher jungen Leute vor 5 Uhr Mor-
gens und nach 9 Uhr Abends, so wie an den Sonn- und Feiertagen
ist gänzlich untersagt.

§. 6. Christliche Arbeiter, welche noch nicht zur heil. Communion
angenommen sind, dürfen in denjenigen Stunden, welche ihr ordent-
licher Seelsorger für ihren Catechumenen- und Consirmanden-Unter-
richt bestimmt hat, nicht in den genannten Anstalten beschäftigt
werden.

§. 7. Die Eigenthümer der bezeichneten Anstalten, welche junge
Leute in denselbigen beschäftigen, sind verpflichtet, eine genaue und
vollständige Liste, deren Namen, Alter, Wohnort, Eltern, Eintritt in
die Fabrik enthaltend, zu führen, dieselbe in dem Arbeitslocal aufzu-
bewahren und den Polizei- und Schulbehörden auf Verlangen vor-
zulegen.

§. 8. Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung sollen gegen
die Fabrikherren oder deren mit Vollmacht versehenen Vertreter durch
Strafen von 1 bis 5 Thalern für jedes vorschriftswidrig beschäftigte
Kind geahndet werden.

Die unterlassene Anfertigung oder Fortführung der im §. 7. vor-
geschriebenen tabellarischen Liste wird zum ersten Male mit einer Strafe
von 1 bis 5 Thalern geahndet; die zweite Verletzung dieser Vorschrift
wird mit einer Strafe von 5 bis 50 Thalern belegt. Auch ist die
Orts-Polizeibehörde befugt, die Liste zu jeder Zeit anfertigen oder ver-
vollständigen zu lassen. Es geschieht dies auf Kosten des Contra-
venienten, welche zwangsweise im administrativen Wege beigetrieben
werden können.

§. 9. Durch vorstehende Verordnung werden die gesetzlichen Be-
stimmungen über die Verpflichtung zum Schulbesuch nicht geändert.
Jedoch werden die Regierungen da, wo die Verhältnisse die Beschäf-
tigung schulpflichtiger Kinder in den Fabriken nöthig machen, solche
Einrichtungen treffen, daß die Wahl der Unterrichtsstunden den Betrieb
derselben so wenig als möglich störe.

§. 10. Den Ministern der Med.-Ang., der P. u. d. Fin. bleibt
es vorbehalten, diejenigen besonderen sanitäts-, bau- und sittenpolizei-
lichen Anordnungen zu erlassen, welche sie zur Erhaltung der Gesund-

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von einer Viertelſtunde und Mittags eine ganze Freiſtunde, und zwar
jedesmal auch Bewegung in freier Luft zu gewähren.

§. 5. Die Beſchäftigung ſolcher jungen Leute vor 5 Uhr Mor-
gens und nach 9 Uhr Abends, ſo wie an den Sonn- und Feiertagen
iſt gänzlich unterſagt.

§. 6. Chriſtliche Arbeiter, welche noch nicht zur heil. Communion
angenommen ſind, dürfen in denjenigen Stunden, welche ihr ordent-
licher Seelſorger für ihren Catechumenen- und Conſirmanden-Unter-
richt beſtimmt hat, nicht in den genannten Anſtalten beſchäftigt
werden.

§. 7. Die Eigenthümer der bezeichneten Anſtalten, welche junge
Leute in denſelbigen beſchäftigen, ſind verpflichtet, eine genaue und
vollſtändige Liſte, deren Namen, Alter, Wohnort, Eltern, Eintritt in
die Fabrik enthaltend, zu führen, dieſelbe in dem Arbeitslocal aufzu-
bewahren und den Polizei- und Schulbehörden auf Verlangen vor-
zulegen.

§. 8. Zuwiderhandlungen gegen dieſe Verordnung ſollen gegen
die Fabrikherren oder deren mit Vollmacht verſehenen Vertreter durch
Strafen von 1 bis 5 Thalern für jedes vorſchriftswidrig beſchäftigte
Kind geahndet werden.

Die unterlaſſene Anfertigung oder Fortführung der im §. 7. vor-
geſchriebenen tabellariſchen Liſte wird zum erſten Male mit einer Strafe
von 1 bis 5 Thalern geahndet; die zweite Verletzung dieſer Vorſchrift
wird mit einer Strafe von 5 bis 50 Thalern belegt. Auch iſt die
Orts-Polizeibehörde befugt, die Liſte zu jeder Zeit anfertigen oder ver-
vollſtändigen zu laſſen. Es geſchieht dies auf Koſten des Contra-
venienten, welche zwangsweiſe im adminiſtrativen Wege beigetrieben
werden können.

§. 9. Durch vorſtehende Verordnung werden die geſetzlichen Be-
ſtimmungen über die Verpflichtung zum Schulbeſuch nicht geändert.
Jedoch werden die Regierungen da, wo die Verhältniſſe die Beſchäf-
tigung ſchulpflichtiger Kinder in den Fabriken nöthig machen, ſolche
Einrichtungen treffen, daß die Wahl der Unterrichtsſtunden den Betrieb
derſelben ſo wenig als möglich ſtöre.

§. 10. Den Miniſtern der Med.-Ang., der P. u. d. Fin. bleibt
es vorbehalten, diejenigen beſonderen ſanitäts-, bau- und ſittenpolizei-
lichen Anordnungen zu erlaſſen, welche ſie zur Erhaltung der Geſund-

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[483/0497] von einer Viertelſtunde und Mittags eine ganze Freiſtunde, und zwar jedesmal auch Bewegung in freier Luft zu gewähren. §. 5. Die Beſchäftigung ſolcher jungen Leute vor 5 Uhr Mor- gens und nach 9 Uhr Abends, ſo wie an den Sonn- und Feiertagen iſt gänzlich unterſagt. §. 6. Chriſtliche Arbeiter, welche noch nicht zur heil. Communion angenommen ſind, dürfen in denjenigen Stunden, welche ihr ordent- licher Seelſorger für ihren Catechumenen- und Conſirmanden-Unter- richt beſtimmt hat, nicht in den genannten Anſtalten beſchäftigt werden. §. 7. Die Eigenthümer der bezeichneten Anſtalten, welche junge Leute in denſelbigen beſchäftigen, ſind verpflichtet, eine genaue und vollſtändige Liſte, deren Namen, Alter, Wohnort, Eltern, Eintritt in die Fabrik enthaltend, zu führen, dieſelbe in dem Arbeitslocal aufzu- bewahren und den Polizei- und Schulbehörden auf Verlangen vor- zulegen. §. 8. Zuwiderhandlungen gegen dieſe Verordnung ſollen gegen die Fabrikherren oder deren mit Vollmacht verſehenen Vertreter durch Strafen von 1 bis 5 Thalern für jedes vorſchriftswidrig beſchäftigte Kind geahndet werden. Die unterlaſſene Anfertigung oder Fortführung der im §. 7. vor- geſchriebenen tabellariſchen Liſte wird zum erſten Male mit einer Strafe von 1 bis 5 Thalern geahndet; die zweite Verletzung dieſer Vorſchrift wird mit einer Strafe von 5 bis 50 Thalern belegt. Auch iſt die Orts-Polizeibehörde befugt, die Liſte zu jeder Zeit anfertigen oder ver- vollſtändigen zu laſſen. Es geſchieht dies auf Koſten des Contra- venienten, welche zwangsweiſe im adminiſtrativen Wege beigetrieben werden können. §. 9. Durch vorſtehende Verordnung werden die geſetzlichen Be- ſtimmungen über die Verpflichtung zum Schulbeſuch nicht geändert. Jedoch werden die Regierungen da, wo die Verhältniſſe die Beſchäf- tigung ſchulpflichtiger Kinder in den Fabriken nöthig machen, ſolche Einrichtungen treffen, daß die Wahl der Unterrichtsſtunden den Betrieb derſelben ſo wenig als möglich ſtöre. §. 10. Den Miniſtern der Med.-Ang., der P. u. d. Fin. bleibt es vorbehalten, diejenigen beſonderen ſanitäts-, bau- und ſittenpolizei- lichen Anordnungen zu erlaſſen, welche ſie zur Erhaltung der Geſund- 31*

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Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/497>, abgerufen am 25.04.2024.