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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

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zur Schule halten sollen, bis sie nicht nur das Nöthigste vom Christen-
thum gefasset haben und fertig lesen und schreiben, sondern auch von
demjenigen Rede und Antwort geben können, was ihnen nach den von
Unsern Consistorien verordneten und approbirten Lehrbüchern beige-
bracht werden soll.

§. 2. Selbst diejenigen Herrschaften, welchen wegen des Dienst-
zwanges und des in Preußen sogenannten Schaarwerks die Kinder der
Unterthanen auf gewisse Jahre vorzüglich dienen müssen, werden
hiermit alles Ernstes erinnert, nach ihrer Pflicht dahin Sorge zu
tragen, daß solche Kinder nicht eher den Schulen entzogen werden,
bevor sie im Lesen fertig, im Christenthum einen guten Grund geleget,
auch im Schreiben einen Anfang gemachet und darüber Zeugniß vom
Prediger und Schulmeister den Visitatoren vorgezeiget haben. Eltern
und Vormünder müssen sich noch mehr und von selbst verpflichtet
halten, ihre Kinder und Pflegekinder in den nöthigen Stücken genugsam
und hinlänglich unterrichten zu lassen.

§. 3. Sollten einige Kinder entweder durch ihre eigene Fähigkeit
oder durch den angewandten Fleiß des Schulmeisters vor dem Drei-
zehnten oder Vierzehnten Jahre es in den aufgegebenen Stücken beim
Lernen ziemlich weit gebracht haben, so stehet es doch nicht in der
Eltern und Vormünder Willkür, sie nach eigenem Gefallen aus der
Schule zu nehmen und zu Hause zu behalten, sondern wenn Super-
intendens, Präpositus oder Inspector nach Anzeige des Predigers und
auf das Zeugniß des Schulmeisters die Profectus eines Kindes hin-
länglich befindet, so soll derselbe deshalb ein ordentliches Dimissoriale,
welches auf obgedachte Zeugnisse gegründet sein muß, zu geben befugt
sein. Es müssen aber solche Kinder der Wiederholungs-Stunde des
Sonntags nicht nur bei dem Prediger in der Kirche, sondern auch bei
dem Schulmeister in der Schule fleißig beiwohnen.

§. 4. Weil an vielen Orten die Eltern ihre Kinder des Som-
mers nicht in die Schule schicken, unter dem Vorwand, daß sie das
Vieh hüten müssen, so haben deshalb Unsere Beamten oder Gerichts-
Obrigkeiten an den Orten, wo Dörfer oder Gemeinschaften sind, ehe
die Kinder dadurch von der Schule abgehalten werden sollten, dahin
zu sehen, daß, so weit es möglich, ein eigener Vieh-Hirte hierzu möge
bestellt werden. Wo aber, wie in Unsern Westphälischen Landen, in
dem Wischer-Lande in der Alten-Mark und an andern Orten, die

zur Schule halten ſollen, bis ſie nicht nur das Nöthigſte vom Chriſten-
thum gefaſſet haben und fertig leſen und ſchreiben, ſondern auch von
demjenigen Rede und Antwort geben können, was ihnen nach den von
Unſern Conſiſtorien verordneten und approbirten Lehrbüchern beige-
bracht werden ſoll.

§. 2. Selbſt diejenigen Herrſchaften, welchen wegen des Dienſt-
zwanges und des in Preußen ſogenannten Schaarwerks die Kinder der
Unterthanen auf gewiſſe Jahre vorzüglich dienen müſſen, werden
hiermit alles Ernſtes erinnert, nach ihrer Pflicht dahin Sorge zu
tragen, daß ſolche Kinder nicht eher den Schulen entzogen werden,
bevor ſie im Leſen fertig, im Chriſtenthum einen guten Grund geleget,
auch im Schreiben einen Anfang gemachet und darüber Zeugniß vom
Prediger und Schulmeiſter den Viſitatoren vorgezeiget haben. Eltern
und Vormünder müſſen ſich noch mehr und von ſelbſt verpflichtet
halten, ihre Kinder und Pflegekinder in den nöthigen Stücken genugſam
und hinlänglich unterrichten zu laſſen.

§. 3. Sollten einige Kinder entweder durch ihre eigene Fähigkeit
oder durch den angewandten Fleiß des Schulmeiſters vor dem Drei-
zehnten oder Vierzehnten Jahre es in den aufgegebenen Stücken beim
Lernen ziemlich weit gebracht haben, ſo ſtehet es doch nicht in der
Eltern und Vormünder Willkür, ſie nach eigenem Gefallen aus der
Schule zu nehmen und zu Hauſe zu behalten, ſondern wenn Super-
intendens, Präpoſitus oder Inſpector nach Anzeige des Predigers und
auf das Zeugniß des Schulmeiſters die Profectus eines Kindes hin-
länglich befindet, ſo ſoll derſelbe deshalb ein ordentliches Dimiſſoriale,
welches auf obgedachte Zeugniſſe gegründet ſein muß, zu geben befugt
ſein. Es müſſen aber ſolche Kinder der Wiederholungs-Stunde des
Sonntags nicht nur bei dem Prediger in der Kirche, ſondern auch bei
dem Schulmeiſter in der Schule fleißig beiwohnen.

§. 4. Weil an vielen Orten die Eltern ihre Kinder des Som-
mers nicht in die Schule ſchicken, unter dem Vorwand, daß ſie das
Vieh hüten müſſen, ſo haben deshalb Unſere Beamten oder Gerichts-
Obrigkeiten an den Orten, wo Dörfer oder Gemeinſchaften ſind, ehe
die Kinder dadurch von der Schule abgehalten werden ſollten, dahin
zu ſehen, daß, ſo weit es möglich, ein eigener Vieh-Hirte hierzu möge
beſtellt werden. Wo aber, wie in Unſern Weſtphäliſchen Landen, in
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[485/0499] zur Schule halten ſollen, bis ſie nicht nur das Nöthigſte vom Chriſten- thum gefaſſet haben und fertig leſen und ſchreiben, ſondern auch von demjenigen Rede und Antwort geben können, was ihnen nach den von Unſern Conſiſtorien verordneten und approbirten Lehrbüchern beige- bracht werden ſoll. §. 2. Selbſt diejenigen Herrſchaften, welchen wegen des Dienſt- zwanges und des in Preußen ſogenannten Schaarwerks die Kinder der Unterthanen auf gewiſſe Jahre vorzüglich dienen müſſen, werden hiermit alles Ernſtes erinnert, nach ihrer Pflicht dahin Sorge zu tragen, daß ſolche Kinder nicht eher den Schulen entzogen werden, bevor ſie im Leſen fertig, im Chriſtenthum einen guten Grund geleget, auch im Schreiben einen Anfang gemachet und darüber Zeugniß vom Prediger und Schulmeiſter den Viſitatoren vorgezeiget haben. Eltern und Vormünder müſſen ſich noch mehr und von ſelbſt verpflichtet halten, ihre Kinder und Pflegekinder in den nöthigen Stücken genugſam und hinlänglich unterrichten zu laſſen. §. 3. Sollten einige Kinder entweder durch ihre eigene Fähigkeit oder durch den angewandten Fleiß des Schulmeiſters vor dem Drei- zehnten oder Vierzehnten Jahre es in den aufgegebenen Stücken beim Lernen ziemlich weit gebracht haben, ſo ſtehet es doch nicht in der Eltern und Vormünder Willkür, ſie nach eigenem Gefallen aus der Schule zu nehmen und zu Hauſe zu behalten, ſondern wenn Super- intendens, Präpoſitus oder Inſpector nach Anzeige des Predigers und auf das Zeugniß des Schulmeiſters die Profectus eines Kindes hin- länglich befindet, ſo ſoll derſelbe deshalb ein ordentliches Dimiſſoriale, welches auf obgedachte Zeugniſſe gegründet ſein muß, zu geben befugt ſein. Es müſſen aber ſolche Kinder der Wiederholungs-Stunde des Sonntags nicht nur bei dem Prediger in der Kirche, ſondern auch bei dem Schulmeiſter in der Schule fleißig beiwohnen. §. 4. Weil an vielen Orten die Eltern ihre Kinder des Som- mers nicht in die Schule ſchicken, unter dem Vorwand, daß ſie das Vieh hüten müſſen, ſo haben deshalb Unſere Beamten oder Gerichts- Obrigkeiten an den Orten, wo Dörfer oder Gemeinſchaften ſind, ehe die Kinder dadurch von der Schule abgehalten werden ſollten, dahin zu ſehen, daß, ſo weit es möglich, ein eigener Vieh-Hirte hierzu möge beſtellt werden. Wo aber, wie in Unſern Weſtphäliſchen Landen, in dem Wiſcher-Lande in der Alten-Mark und an andern Orten, die

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Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/499>, abgerufen am 25.04.2024.