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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 113.

In ähnlicher Weise kann ein Blocadezustand, d. h. die
effective Absperrung einer fremden Küste, eines oder mehrerer Hä-
fen, gegen allen Verkehr von Außen durch bewaffnete Macht zu
verschiedenen Zwecken angewandt werden. Nämlich:

entweder bei Eröffnung eines wirklichen Krieges wider den frem-
den Staat, wovon in dem nächstfolgenden Abschnitte das Nä-
here; (§. 121.)
oder auch schon vorher und ohne eine vollständige Kriegseröff-
nung, sei es um Repressalien zu üben, oder um eine bevor-
stehende Rechtsverletzung zu hindern, z. B. das Auslaufen ei-
nes Geschwaders oder die Zuführung eines Succurses für
einen Feind, ehe der fremde Staat sich über seine Absichten
bestimmt erklärt hat, die inzwischen Verdacht erregen können.

Zwar erst die neueste Geschichte liefert Beispiele der letzteren Art
von Blocaden, nämlich in der Gestalt von Repressalien; 1 es kann
jedoch kein Bedenken haben, daß diese Anwendung eine vollkom-
men rechtmäßige sei, und daß selbst neutrale Mächte, unter den im
dritten Abschnitt dieses Buches darzulegenden Bedingungen und
mit den daselbst näher zu erörternden Bedingungen daran gebun-
den sind. Auch Blocaden ganzer Küsten bestreitet man vergebens.



Zweiter Abschnitt.
Der Krieg und sein Recht
.2
Rechtsbegriff des Krieges.

113. Krieg ist seiner äußeren Erscheinung nach ein feindseli-
ges Verhältniß unter verschiedenen Parteien, worin man selbst die

1 Wir erinnern hier an die von Frankreich gegen Portugal 1831 und gegen
Mexico im J. 1838 eingeleitete Blocade, welche letztere nachmals durch die
Mexicanische Kriegserklärung sich in eine vollkommen kriegerische verwan-
delte. N. Suppl. au Rec. III, 570. und N. Recueil t. XVI, p. 803 f.
Diese Maaßregeln konnten, weil bis dahin weniger im Gebrauch, einiges
Bedenken verursachen, sind aber dennoch von andern Mächten, so viel be-
kannt, nicht entschieden angefochten.
2 Besondere Schriften über diesen Theil des Völkerrechts, namentlich von
Alberic. Gentile, Joh. Gottl. Frdr. Koch und Joach. E. v. Beust s. bei
v. Ompteda §. 290. 291. v. Kamptz §. 271. 272. Eine allgemeine Ge-
Zweites Buch. §. 113.

In ähnlicher Weiſe kann ein Blocadezuſtand, d. h. die
effective Abſperrung einer fremden Küſte, eines oder mehrerer Hä-
fen, gegen allen Verkehr von Außen durch bewaffnete Macht zu
verſchiedenen Zwecken angewandt werden. Nämlich:

entweder bei Eröffnung eines wirklichen Krieges wider den frem-
den Staat, wovon in dem nächſtfolgenden Abſchnitte das Nä-
here; (§. 121.)
oder auch ſchon vorher und ohne eine vollſtändige Kriegseröff-
nung, ſei es um Repreſſalien zu üben, oder um eine bevor-
ſtehende Rechtsverletzung zu hindern, z. B. das Auslaufen ei-
nes Geſchwaders oder die Zuführung eines Succurſes für
einen Feind, ehe der fremde Staat ſich über ſeine Abſichten
beſtimmt erklärt hat, die inzwiſchen Verdacht erregen können.

Zwar erſt die neueſte Geſchichte liefert Beiſpiele der letzteren Art
von Blocaden, nämlich in der Geſtalt von Repreſſalien; 1 es kann
jedoch kein Bedenken haben, daß dieſe Anwendung eine vollkom-
men rechtmäßige ſei, und daß ſelbſt neutrale Mächte, unter den im
dritten Abſchnitt dieſes Buches darzulegenden Bedingungen und
mit den daſelbſt näher zu erörternden Bedingungen daran gebun-
den ſind. Auch Blocaden ganzer Küſten beſtreitet man vergebens.



Zweiter Abſchnitt.
Der Krieg und ſein Recht
.2
Rechtsbegriff des Krieges.

113. Krieg iſt ſeiner äußeren Erſcheinung nach ein feindſeli-
ges Verhältniß unter verſchiedenen Parteien, worin man ſelbſt die

1 Wir erinnern hier an die von Frankreich gegen Portugal 1831 und gegen
Mexico im J. 1838 eingeleitete Blocade, welche letztere nachmals durch die
Mexicaniſche Kriegserklärung ſich in eine vollkommen kriegeriſche verwan-
delte. N. Suppl. au Rec. III, 570. und N. Recueil t. XVI, p. 803 f.
Dieſe Maaßregeln konnten, weil bis dahin weniger im Gebrauch, einiges
Bedenken verurſachen, ſind aber dennoch von andern Mächten, ſo viel be-
kannt, nicht entſchieden angefochten.
2 Beſondere Schriften über dieſen Theil des Völkerrechts, namentlich von
Alberic. Gentile, Joh. Gottl. Frdr. Koch und Joach. E. v. Beuſt ſ. bei
v. Ompteda §. 290. 291. v. Kamptz §. 271. 272. Eine allgemeine Ge-
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[194/0218] Zweites Buch. §. 113. In ähnlicher Weiſe kann ein Blocadezuſtand, d. h. die effective Abſperrung einer fremden Küſte, eines oder mehrerer Hä- fen, gegen allen Verkehr von Außen durch bewaffnete Macht zu verſchiedenen Zwecken angewandt werden. Nämlich: entweder bei Eröffnung eines wirklichen Krieges wider den frem- den Staat, wovon in dem nächſtfolgenden Abſchnitte das Nä- here; (§. 121.) oder auch ſchon vorher und ohne eine vollſtändige Kriegseröff- nung, ſei es um Repreſſalien zu üben, oder um eine bevor- ſtehende Rechtsverletzung zu hindern, z. B. das Auslaufen ei- nes Geſchwaders oder die Zuführung eines Succurſes für einen Feind, ehe der fremde Staat ſich über ſeine Abſichten beſtimmt erklärt hat, die inzwiſchen Verdacht erregen können. Zwar erſt die neueſte Geſchichte liefert Beiſpiele der letzteren Art von Blocaden, nämlich in der Geſtalt von Repreſſalien; 1 es kann jedoch kein Bedenken haben, daß dieſe Anwendung eine vollkom- men rechtmäßige ſei, und daß ſelbſt neutrale Mächte, unter den im dritten Abſchnitt dieſes Buches darzulegenden Bedingungen und mit den daſelbſt näher zu erörternden Bedingungen daran gebun- den ſind. Auch Blocaden ganzer Küſten beſtreitet man vergebens. Zweiter Abſchnitt. Der Krieg und ſein Recht. 2 Rechtsbegriff des Krieges. 113. Krieg iſt ſeiner äußeren Erſcheinung nach ein feindſeli- ges Verhältniß unter verſchiedenen Parteien, worin man ſelbſt die 1 Wir erinnern hier an die von Frankreich gegen Portugal 1831 und gegen Mexico im J. 1838 eingeleitete Blocade, welche letztere nachmals durch die Mexicaniſche Kriegserklärung ſich in eine vollkommen kriegeriſche verwan- delte. N. Suppl. au Rec. III, 570. und N. Recueil t. XVI, p. 803 f. Dieſe Maaßregeln konnten, weil bis dahin weniger im Gebrauch, einiges Bedenken verurſachen, ſind aber dennoch von andern Mächten, ſo viel be- kannt, nicht entſchieden angefochten. 2 Beſondere Schriften über dieſen Theil des Völkerrechts, namentlich von Alberic. Gentile, Joh. Gottl. Frdr. Koch und Joach. E. v. Beuſt ſ. bei v. Ompteda §. 290. 291. v. Kamptz §. 271. 272. Eine allgemeine Ge-

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/218>, abgerufen am 29.03.2024.