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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 115. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens.
Hansa, 1 mit steinernen und hölzernen Mauern zu einer nicht mehr
gehorchenden Macht erhoben haben sollten. 2

Unter den kriegführenden Theilen sind nun zu unterscheiden die
Hauptparteien und Nebenparteien, welche jenen Kriegshilfe leisten.

Verbündete Mächte. 3

115. Zu den Nebenparteien gehören im Allgemeinen diejeni-
gen, welche der einen oder andern in Krieg gerathenden Macht
Hilfe leisten. Eine solche Kriegshilfe ist entweder eine allgemeine,
ungemessene, mit allen der Hilfsmacht zu Gebot stehenden Kräften
und Mitteln, oder eine particuläre, gemessene, welche nur in qua-
litativ und quantitativ bestimmten Leistungen oder Vergünstigungen
besteht; namentlich in Stellung eines bestimmten Hilfscorps, in
der Zahlung von Subsidien, Einräumung eines Waffenplatzes,
Hafens; überhaupt in der Gewährung bestimmter Vortheile, wo-
durch das Angriffs- oder Vertheidigungssystem einer kriegführen-
den Macht gegen die andere verstärkt wird, mit dauernder Ver-
bindlichkeit dafür bis zur Erreichung eines gewissen feindseligen
Endzwecks. Dieses ist der entscheidende Punct. Nur dadurch
tritt man aus der strengen Neutralität heraus. (Vgl. Abschn. III.)

Die Leistung der Kriegshilfe ist selten eine ganz aus einseiti-
gem Antriebe im Wege der Intervention übernommene; gewöhn-
lich eine ausdrücklich verabredete und stipulirte; der casus foede-
ris
bald ein Angriffs- bald ein Vertheidigungskrieg; 4 entweder
mit Gegenseitigkeit oder auch ohne solche. Es gelten dabei die
allgemeinen Grundsätze und Auslegungsregeln der Verträge, deren
Anwendung jedoch hier oft Schwierigkeiten und Conflicte erzeugt.
Gebieterische Rücksichten auf das eigene Wohl, ältere Verpflichtun-

1 Deren merkwürdige völkerrechtliche Stellung: Ward II, 276 f. Pütter,
Beitr. z. Völkerr. Gesch. 141.
2 Erörterung des Kriegsrechtes von Handels-Compagnien s. bei Car. Fr.
Pauli, de jure belli societatum mercatoriar. Hal.
1751.
3 Schriften bei v. Ompteda §. 318. v. Kamptz §. 287. Von den Sy-
stemen sind zu beachten J. J. Moser, Versuche X, 1. Vattel III, §. 78 f.
Martens Völkerr. §. 292 f. Klüber §. 268 f. Schmalz S. 269. Whea-
ton III, 2, 11. ohne erhebliche Meinungsverschiedenheiten.
4 Stillschweigend versteht sich eine allgemeine Kriegshilfe bei übernommenen
Garantien. Vattel III, 91.

§. 115. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.
Hanſa, 1 mit ſteinernen und hölzernen Mauern zu einer nicht mehr
gehorchenden Macht erhoben haben ſollten. 2

Unter den kriegführenden Theilen ſind nun zu unterſcheiden die
Hauptparteien und Nebenparteien, welche jenen Kriegshilfe leiſten.

Verbündete Mächte. 3

115. Zu den Nebenparteien gehören im Allgemeinen diejeni-
gen, welche der einen oder andern in Krieg gerathenden Macht
Hilfe leiſten. Eine ſolche Kriegshilfe iſt entweder eine allgemeine,
ungemeſſene, mit allen der Hilfsmacht zu Gebot ſtehenden Kräften
und Mitteln, oder eine particuläre, gemeſſene, welche nur in qua-
litativ und quantitativ beſtimmten Leiſtungen oder Vergünſtigungen
beſteht; namentlich in Stellung eines beſtimmten Hilfscorps, in
der Zahlung von Subſidien, Einräumung eines Waffenplatzes,
Hafens; überhaupt in der Gewährung beſtimmter Vortheile, wo-
durch das Angriffs- oder Vertheidigungsſyſtem einer kriegführen-
den Macht gegen die andere verſtärkt wird, mit dauernder Ver-
bindlichkeit dafür bis zur Erreichung eines gewiſſen feindſeligen
Endzwecks. Dieſes iſt der entſcheidende Punct. Nur dadurch
tritt man aus der ſtrengen Neutralität heraus. (Vgl. Abſchn. III.)

Die Leiſtung der Kriegshilfe iſt ſelten eine ganz aus einſeiti-
gem Antriebe im Wege der Intervention übernommene; gewöhn-
lich eine ausdrücklich verabredete und ſtipulirte; der casus foede-
ris
bald ein Angriffs- bald ein Vertheidigungskrieg; 4 entweder
mit Gegenſeitigkeit oder auch ohne ſolche. Es gelten dabei die
allgemeinen Grundſätze und Auslegungsregeln der Verträge, deren
Anwendung jedoch hier oft Schwierigkeiten und Conflicte erzeugt.
Gebieteriſche Rückſichten auf das eigene Wohl, ältere Verpflichtun-

1 Deren merkwürdige völkerrechtliche Stellung: Ward II, 276 f. Pütter,
Beitr. z. Völkerr. Geſch. 141.
2 Erörterung des Kriegsrechtes von Handels-Compagnien ſ. bei Car. Fr.
Pauli, de jure belli societatum mercatoriar. Hal.
1751.
3 Schriften bei v. Ompteda §. 318. v. Kamptz §. 287. Von den Sy-
ſtemen ſind zu beachten J. J. Moſer, Verſuche X, 1. Vattel III, §. 78 f.
Martens Völkerr. §. 292 f. Klüber §. 268 f. Schmalz S. 269. Whea-
ton III, 2, 11. ohne erhebliche Meinungsverſchiedenheiten.
4 Stillſchweigend verſteht ſich eine allgemeine Kriegshilfe bei übernommenen
Garantien. Vattel III, 91.
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[197/0221] §. 115. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. Hanſa, 1 mit ſteinernen und hölzernen Mauern zu einer nicht mehr gehorchenden Macht erhoben haben ſollten. 2 Unter den kriegführenden Theilen ſind nun zu unterſcheiden die Hauptparteien und Nebenparteien, welche jenen Kriegshilfe leiſten. Verbündete Mächte. 3 115. Zu den Nebenparteien gehören im Allgemeinen diejeni- gen, welche der einen oder andern in Krieg gerathenden Macht Hilfe leiſten. Eine ſolche Kriegshilfe iſt entweder eine allgemeine, ungemeſſene, mit allen der Hilfsmacht zu Gebot ſtehenden Kräften und Mitteln, oder eine particuläre, gemeſſene, welche nur in qua- litativ und quantitativ beſtimmten Leiſtungen oder Vergünſtigungen beſteht; namentlich in Stellung eines beſtimmten Hilfscorps, in der Zahlung von Subſidien, Einräumung eines Waffenplatzes, Hafens; überhaupt in der Gewährung beſtimmter Vortheile, wo- durch das Angriffs- oder Vertheidigungsſyſtem einer kriegführen- den Macht gegen die andere verſtärkt wird, mit dauernder Ver- bindlichkeit dafür bis zur Erreichung eines gewiſſen feindſeligen Endzwecks. Dieſes iſt der entſcheidende Punct. Nur dadurch tritt man aus der ſtrengen Neutralität heraus. (Vgl. Abſchn. III.) Die Leiſtung der Kriegshilfe iſt ſelten eine ganz aus einſeiti- gem Antriebe im Wege der Intervention übernommene; gewöhn- lich eine ausdrücklich verabredete und ſtipulirte; der casus foede- ris bald ein Angriffs- bald ein Vertheidigungskrieg; 4 entweder mit Gegenſeitigkeit oder auch ohne ſolche. Es gelten dabei die allgemeinen Grundſätze und Auslegungsregeln der Verträge, deren Anwendung jedoch hier oft Schwierigkeiten und Conflicte erzeugt. Gebieteriſche Rückſichten auf das eigene Wohl, ältere Verpflichtun- 1 Deren merkwürdige völkerrechtliche Stellung: Ward II, 276 f. Pütter, Beitr. z. Völkerr. Geſch. 141. 2 Erörterung des Kriegsrechtes von Handels-Compagnien ſ. bei Car. Fr. Pauli, de jure belli societatum mercatoriar. Hal. 1751. 3 Schriften bei v. Ompteda §. 318. v. Kamptz §. 287. Von den Sy- ſtemen ſind zu beachten J. J. Moſer, Verſuche X, 1. Vattel III, §. 78 f. Martens Völkerr. §. 292 f. Klüber §. 268 f. Schmalz S. 269. Whea- ton III, 2, 11. ohne erhebliche Meinungsverſchiedenheiten. 4 Stillſchweigend verſteht ſich eine allgemeine Kriegshilfe bei übernommenen Garantien. Vattel III, 91.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/221>, abgerufen am 23.04.2024.