Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 126. Völkerrecht im Zustande des Unfriedens.
schlagen, so muß ihnen Zeit zur Entfernung gelassen werden.
Nur eine Sequestration kann durch die Umstände gerecht-
fertigt sein, theils um Zuträgereien, theils auch um Verstär-
kungen der feindlichen Macht zu verhindern. 1
III. Eine vorzügliche Schonung erweiset die neuere Kriegssitte
dem feindlichen Souverän und den Gliedern seiner Familie,
selbst wenn sie an den Kriegsoperationen unmittelbar Theilneh-
men. Man richtet absichtlich kein Geschütz nach ihnen; nur
einer Kriegsgefangenschaft unterliegen auch sie. Jedoch wer-
den Frauen und Kinder meistens in ihrer bisherigen Lage
ungestört gelassen und sogar gegen Beunruhigung geschützt;
auch werden hergebrachte Höflichkeiten während des Krieges
nicht völlig unterlassen. Natürlich aber sind auch hier Si-
cherungsmittel gegen den Mißbrauch solcher Schonung und
Repressalien nicht ausgeschlossen.
IV. Ganz außer dem Schutze des Kriegsrechts und der Kriegs-
manier stehen:
a) diejenigen, welche auf eigene Faust und ohne Erlaub-
niß des Souveräns einen s. g. kleinen Krieg führen,
wovon die autorisirten Freicorps, welche sich durch
schriftliche Ordres der Militärbefehlshaber legitimiren
können, wohl zu unterscheiden sind; 2
b) diejenigen Militärpersonen und Nicht-Combattanten,
welche sich selbst nicht nach Kriegssitte betragen, z. B.
Maraudeurs, ohne zur Maraude von ihren Befehls-
habern commandirt zu sein;
c) die Ueberläufer, welche beim feindlichen Heere gefun-
den werden.
Alle diese sind der Willkühr des andern feindlichen Theiles
bloß gestellt.
Kriegsgefangenschaft.

126. Dem Loose der Kriegsgefangenschaft waren nach altem
Völkerrecht alle feindlichen Personen unterworfen, die der Sieger

1 Nicht immer hat sich die Staatspraxis in der Wuth des Krieges daran
gebunden gehalten. Beispiele liefert Ward, I, 356. 357. Merkwürdig
auch die Magna Charta für England Art. 41.
2 Ueber die Freicorps s. Moser, Nachträge zu den Grundsätzen des Völkerr.
in Kriegszeiten. 1750. Desselben Vers. IX, 2, 49.
§. 126. Voͤlkerrecht im Zuſtande des Unfriedens.
ſchlagen, ſo muß ihnen Zeit zur Entfernung gelaſſen werden.
Nur eine Sequeſtration kann durch die Umſtände gerecht-
fertigt ſein, theils um Zuträgereien, theils auch um Verſtär-
kungen der feindlichen Macht zu verhindern. 1
III. Eine vorzügliche Schonung erweiſet die neuere Kriegsſitte
dem feindlichen Souverän und den Gliedern ſeiner Familie,
ſelbſt wenn ſie an den Kriegsoperationen unmittelbar Theilneh-
men. Man richtet abſichtlich kein Geſchütz nach ihnen; nur
einer Kriegsgefangenſchaft unterliegen auch ſie. Jedoch wer-
den Frauen und Kinder meiſtens in ihrer bisherigen Lage
ungeſtört gelaſſen und ſogar gegen Beunruhigung geſchützt;
auch werden hergebrachte Höflichkeiten während des Krieges
nicht völlig unterlaſſen. Natürlich aber ſind auch hier Si-
cherungsmittel gegen den Mißbrauch ſolcher Schonung und
Repreſſalien nicht ausgeſchloſſen.
IV. Ganz außer dem Schutze des Kriegsrechts und der Kriegs-
manier ſtehen:
a) diejenigen, welche auf eigene Fauſt und ohne Erlaub-
niß des Souveräns einen ſ. g. kleinen Krieg führen,
wovon die autoriſirten Freicorps, welche ſich durch
ſchriftliche Ordres der Militärbefehlshaber legitimiren
können, wohl zu unterſcheiden ſind; 2
b) diejenigen Militärperſonen und Nicht-Combattanten,
welche ſich ſelbſt nicht nach Kriegsſitte betragen, z. B.
Maraudeurs, ohne zur Maraude von ihren Befehls-
habern commandirt zu ſein;
c) die Ueberläufer, welche beim feindlichen Heere gefun-
den werden.
Alle dieſe ſind der Willkühr des andern feindlichen Theiles
bloß geſtellt.
Kriegsgefangenſchaft.

126. Dem Looſe der Kriegsgefangenſchaft waren nach altem
Völkerrecht alle feindlichen Perſonen unterworfen, die der Sieger

1 Nicht immer hat ſich die Staatspraxis in der Wuth des Krieges daran
gebunden gehalten. Beiſpiele liefert Ward, I, 356. 357. Merkwürdig
auch die Magna Charta für England Art. 41.
2 Ueber die Freicorps ſ. Moſer, Nachträge zu den Grundſätzen des Völkerr.
in Kriegszeiten. 1750. Deſſelben Verſ. IX, 2, 49.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item><pb facs="#f0237" n="213"/><fw place="top" type="header">§. 126. <hi rendition="#g">Vo&#x0364;lkerrecht im Zu&#x017F;tande des Unfriedens</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;chlagen, &#x017F;o muß ihnen Zeit zur Entfernung gela&#x017F;&#x017F;en werden.<lb/>
Nur eine Seque&#x017F;tration kann durch die Um&#x017F;tände gerecht-<lb/>
fertigt &#x017F;ein, theils um Zuträgereien, theils auch um Ver&#x017F;tär-<lb/>
kungen der feindlichen Macht zu verhindern. <note place="foot" n="1">Nicht immer hat &#x017F;ich die Staatspraxis in der Wuth des Krieges daran<lb/>
gebunden gehalten. Bei&#x017F;piele liefert Ward, <hi rendition="#aq">I,</hi> 356. 357. Merkwürdig<lb/>
auch die <hi rendition="#aq">Magna Charta</hi> für England Art. 41.</note></item><lb/>
              <item><hi rendition="#aq">III.</hi> Eine vorzügliche Schonung erwei&#x017F;et die neuere Kriegs&#x017F;itte<lb/>
dem feindlichen Souverän und den Gliedern &#x017F;einer Familie,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wenn &#x017F;ie an den Kriegsoperationen unmittelbar Theilneh-<lb/>
men. Man richtet ab&#x017F;ichtlich kein Ge&#x017F;chütz nach ihnen; nur<lb/>
einer Kriegsgefangen&#x017F;chaft unterliegen auch &#x017F;ie. Jedoch wer-<lb/>
den Frauen und Kinder mei&#x017F;tens in ihrer bisherigen Lage<lb/>
unge&#x017F;tört gela&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;ogar gegen Beunruhigung ge&#x017F;chützt;<lb/>
auch werden hergebrachte Höflichkeiten während des Krieges<lb/>
nicht völlig unterla&#x017F;&#x017F;en. Natürlich aber &#x017F;ind auch hier Si-<lb/>
cherungsmittel gegen den Mißbrauch &#x017F;olcher Schonung und<lb/>
Repre&#x017F;&#x017F;alien nicht ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</item><lb/>
              <item><hi rendition="#aq">IV.</hi> Ganz außer dem Schutze des Kriegsrechts und der Kriegs-<lb/>
manier &#x017F;tehen:<lb/><list><item><hi rendition="#aq">a</hi>) diejenigen, welche auf eigene Fau&#x017F;t und ohne Erlaub-<lb/>
niß des Souveräns einen &#x017F;. g. kleinen Krieg führen,<lb/>
wovon die autori&#x017F;irten Freicorps, welche &#x017F;ich durch<lb/>
&#x017F;chriftliche Ordres der Militärbefehlshaber legitimiren<lb/>
können, wohl zu unter&#x017F;cheiden &#x017F;ind; <note place="foot" n="2">Ueber die Freicorps &#x017F;. Mo&#x017F;er, Nachträge zu den Grund&#x017F;ätzen des Völkerr.<lb/>
in Kriegszeiten. 1750. De&#x017F;&#x017F;elben Ver&#x017F;. <hi rendition="#aq">IX,</hi> 2, 49.</note></item><lb/><item><hi rendition="#aq">b</hi>) diejenigen Militärper&#x017F;onen und Nicht-Combattanten,<lb/>
welche &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht nach Kriegs&#x017F;itte betragen, z. B.<lb/>
Maraudeurs, ohne zur Maraude von ihren Befehls-<lb/>
habern commandirt zu &#x017F;ein;</item><lb/><item><hi rendition="#aq">c</hi>) die Ueberläufer, welche beim feindlichen Heere gefun-<lb/>
den werden.</item></list><lb/>
Alle die&#x017F;e &#x017F;ind der Willkühr des andern feindlichen Theiles<lb/>
bloß ge&#x017F;tellt.</item>
            </list>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Kriegsgefangen&#x017F;chaft.</head><lb/>
            <p>126. Dem Loo&#x017F;e der Kriegsgefangen&#x017F;chaft waren nach altem<lb/>
Völkerrecht alle feindlichen Per&#x017F;onen unterworfen, die der Sieger<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0237] §. 126. Voͤlkerrecht im Zuſtande des Unfriedens. ſchlagen, ſo muß ihnen Zeit zur Entfernung gelaſſen werden. Nur eine Sequeſtration kann durch die Umſtände gerecht- fertigt ſein, theils um Zuträgereien, theils auch um Verſtär- kungen der feindlichen Macht zu verhindern. 1 III. Eine vorzügliche Schonung erweiſet die neuere Kriegsſitte dem feindlichen Souverän und den Gliedern ſeiner Familie, ſelbſt wenn ſie an den Kriegsoperationen unmittelbar Theilneh- men. Man richtet abſichtlich kein Geſchütz nach ihnen; nur einer Kriegsgefangenſchaft unterliegen auch ſie. Jedoch wer- den Frauen und Kinder meiſtens in ihrer bisherigen Lage ungeſtört gelaſſen und ſogar gegen Beunruhigung geſchützt; auch werden hergebrachte Höflichkeiten während des Krieges nicht völlig unterlaſſen. Natürlich aber ſind auch hier Si- cherungsmittel gegen den Mißbrauch ſolcher Schonung und Repreſſalien nicht ausgeſchloſſen. IV. Ganz außer dem Schutze des Kriegsrechts und der Kriegs- manier ſtehen: a) diejenigen, welche auf eigene Fauſt und ohne Erlaub- niß des Souveräns einen ſ. g. kleinen Krieg führen, wovon die autoriſirten Freicorps, welche ſich durch ſchriftliche Ordres der Militärbefehlshaber legitimiren können, wohl zu unterſcheiden ſind; 2 b) diejenigen Militärperſonen und Nicht-Combattanten, welche ſich ſelbſt nicht nach Kriegsſitte betragen, z. B. Maraudeurs, ohne zur Maraude von ihren Befehls- habern commandirt zu ſein; c) die Ueberläufer, welche beim feindlichen Heere gefun- den werden. Alle dieſe ſind der Willkühr des andern feindlichen Theiles bloß geſtellt. Kriegsgefangenſchaft. 126. Dem Looſe der Kriegsgefangenſchaft waren nach altem Völkerrecht alle feindlichen Perſonen unterworfen, die der Sieger 1 Nicht immer hat ſich die Staatspraxis in der Wuth des Krieges daran gebunden gehalten. Beiſpiele liefert Ward, I, 356. 357. Merkwürdig auch die Magna Charta für England Art. 41. 2 Ueber die Freicorps ſ. Moſer, Nachträge zu den Grundſätzen des Völkerr. in Kriegszeiten. 1750. Deſſelben Verſ. IX, 2, 49.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/237
Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/237>, abgerufen am 23.04.2024.