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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 184.
nach diesem Zeitpunct von einem Theile wider den Gegner, oder
auch kriegsrechtliche Maaßregeln wider Neutrale verübt, so muß
der Staat, von welchem sie ausgehen, dafür Entschädigung leisten,
sollte auch der eigentliche Vollzieher des verspäteten Gewaltactes
wegen Unwissenheit über den Friedensschluß deshalb außer Ver-
antwortlichkeit sein. 1 Dagegen ist dasjenige Glied einer feindli-
chen Land- oder Seemacht, welches bereits von dem Friedensschluß
glaubhaft unterrichtet ist, selbst innerhalb der noch etwa vereinbar-
ten zusätzlichen Frist, mit deren Ablauf alle Feindseligkeiten schlech-
terdings cessiren sollen, nicht mehr befugt dergleichen auszuüben,
sondern zur Herausgabe des Weggenommenen und zur Entschädi-
gung unmittelbar verpflichtet. Der Termin ist hier nur das äu-
ßerste Ziel für die beiderseitigen Staaten hinsichtlich der noch etwa
bona fide von Einzelnen fortgesetzten Gewaltthätigkeiten. 2

Vollziehung und Aufhebung der Friedensschlüsse.

184. Nach geschlossenem Frieden tritt die Pflicht der Vollzie-
hung unter den Contrahenten und ihren Angehörigen ein. Alles,
was von Auslegung und Wirksamkeit der Verträge, von den Mit-

1 Groot III, 20, 20. 21, 5. "But the better opinion seems to be",
sagt Mr. Wheaton intern. L. IV, 4, 5., "that wherever a capture
takes place at sea, after the signature of the treaty of peace, mere
ignorance of the fact will not protect the captor from civil responsa-
bility in damages; and that, if he acted in good faith, his own govern-
ment must protect him and save him harmly."
Noch wird hinzuge-
fügt: "When a place or country is exempted from hostility by articles
of peace, it is the duty of the state to give its subjects timely notice
of the fact and it is bound in iustice to indemnity its officers and sub-
jects who act in ignorance of the fact. In such a case it is the actual
wrong-doer who is made responsible to the iniured party, and not
the superior commanding officer of the fleet, unless he be on spot and
actually participating in the transaction. Nor will damages be decreed
by the prize court, even against the actual wrong-doer, after the lapse
of a great time."
Es gründet sich dieses jedoch nur auf eine Entscheidung
von Will. Scott in Sachen des Mentor (vgl. Jacobsen Seer. S. 565.),
gegen deren Principien immerhin Manches zu erinnern sein dürfte. In
Frankreich scheint man alle Prisen für gut zu halten, welche der Captor
noch vor erlangter Kenntniß von dem Frieden gemacht hat. Sirey, Rec.
general. III,
2, 15.
2 Wheaton ebds. Valin, traite des prises p. 47. v. Martens über Ca-
per II, §. 38.

Zweites Buch. §. 184.
nach dieſem Zeitpunct von einem Theile wider den Gegner, oder
auch kriegsrechtliche Maaßregeln wider Neutrale verübt, ſo muß
der Staat, von welchem ſie ausgehen, dafür Entſchädigung leiſten,
ſollte auch der eigentliche Vollzieher des verſpäteten Gewaltactes
wegen Unwiſſenheit über den Friedensſchluß deshalb außer Ver-
antwortlichkeit ſein. 1 Dagegen iſt dasjenige Glied einer feindli-
chen Land- oder Seemacht, welches bereits von dem Friedensſchluß
glaubhaft unterrichtet iſt, ſelbſt innerhalb der noch etwa vereinbar-
ten zuſätzlichen Friſt, mit deren Ablauf alle Feindſeligkeiten ſchlech-
terdings ceſſiren ſollen, nicht mehr befugt dergleichen auszuüben,
ſondern zur Herausgabe des Weggenommenen und zur Entſchädi-
gung unmittelbar verpflichtet. Der Termin iſt hier nur das äu-
ßerſte Ziel für die beiderſeitigen Staaten hinſichtlich der noch etwa
bona fide von Einzelnen fortgeſetzten Gewaltthätigkeiten. 2

Vollziehung und Aufhebung der Friedensſchlüſſe.

184. Nach geſchloſſenem Frieden tritt die Pflicht der Vollzie-
hung unter den Contrahenten und ihren Angehörigen ein. Alles,
was von Auslegung und Wirkſamkeit der Verträge, von den Mit-

1 Groot III, 20, 20. 21, 5. „But the better opinion seems to be“,
ſagt Mr. Wheaton intern. L. IV, 4, 5., „that wherever a capture
takes place at sea, after the signature of the treaty of peace, mere
ignorance of the fact will not protect the captor from civil responsa-
bility in damages; and that, if he acted in good faith, his own govern-
ment must protect him and save him harmly.“
Noch wird hinzuge-
fügt: „When a place or country is exempted from hostility by articles
of peace, it is the duty of the state to give its subjects timely notice
of the fact and it is bound in iustice to indemnity its officers and sub-
jects who act in ignorance of the fact. In such a case it is the actual
wrong-doer who is made responsible to the iniured party, and not
the superior commanding officer of the fleet, unless he be on spot and
actually participating in the transaction. Nor will damages be decreed
by the prize court, even against the actual wrong-doer, after the lapse
of a great time.“
Es gründet ſich dieſes jedoch nur auf eine Entſcheidung
von Will. Scott in Sachen des Mentor (vgl. Jacobſen Seer. S. 565.),
gegen deren Principien immerhin Manches zu erinnern ſein dürfte. In
Frankreich ſcheint man alle Priſen für gut zu halten, welche der Captor
noch vor erlangter Kenntniß von dem Frieden gemacht hat. Sirey, Rec.
général. III,
2, 15.
2 Wheaton ebdſ. Valin, traité des prises p. 47. v. Martens über Ca-
per II, §. 38.
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[306/0330] Zweites Buch. §. 184. nach dieſem Zeitpunct von einem Theile wider den Gegner, oder auch kriegsrechtliche Maaßregeln wider Neutrale verübt, ſo muß der Staat, von welchem ſie ausgehen, dafür Entſchädigung leiſten, ſollte auch der eigentliche Vollzieher des verſpäteten Gewaltactes wegen Unwiſſenheit über den Friedensſchluß deshalb außer Ver- antwortlichkeit ſein. 1 Dagegen iſt dasjenige Glied einer feindli- chen Land- oder Seemacht, welches bereits von dem Friedensſchluß glaubhaft unterrichtet iſt, ſelbſt innerhalb der noch etwa vereinbar- ten zuſätzlichen Friſt, mit deren Ablauf alle Feindſeligkeiten ſchlech- terdings ceſſiren ſollen, nicht mehr befugt dergleichen auszuüben, ſondern zur Herausgabe des Weggenommenen und zur Entſchädi- gung unmittelbar verpflichtet. Der Termin iſt hier nur das äu- ßerſte Ziel für die beiderſeitigen Staaten hinſichtlich der noch etwa bona fide von Einzelnen fortgeſetzten Gewaltthätigkeiten. 2 Vollziehung und Aufhebung der Friedensſchlüſſe. 184. Nach geſchloſſenem Frieden tritt die Pflicht der Vollzie- hung unter den Contrahenten und ihren Angehörigen ein. Alles, was von Auslegung und Wirkſamkeit der Verträge, von den Mit- 1 Groot III, 20, 20. 21, 5. „But the better opinion seems to be“, ſagt Mr. Wheaton intern. L. IV, 4, 5., „that wherever a capture takes place at sea, after the signature of the treaty of peace, mere ignorance of the fact will not protect the captor from civil responsa- bility in damages; and that, if he acted in good faith, his own govern- ment must protect him and save him harmly.“ Noch wird hinzuge- fügt: „When a place or country is exempted from hostility by articles of peace, it is the duty of the state to give its subjects timely notice of the fact and it is bound in iustice to indemnity its officers and sub- jects who act in ignorance of the fact. In such a case it is the actual wrong-doer who is made responsible to the iniured party, and not the superior commanding officer of the fleet, unless he be on spot and actually participating in the transaction. Nor will damages be decreed by the prize court, even against the actual wrong-doer, after the lapse of a great time.“ Es gründet ſich dieſes jedoch nur auf eine Entſcheidung von Will. Scott in Sachen des Mentor (vgl. Jacobſen Seer. S. 565.), gegen deren Principien immerhin Manches zu erinnern ſein dürfte. In Frankreich ſcheint man alle Priſen für gut zu halten, welche der Captor noch vor erlangter Kenntniß von dem Frieden gemacht hat. Sirey, Rec. général. III, 2, 15. 2 Wheaton ebdſ. Valin, traité des prises p. 47. v. Martens über Ca- per II, §. 38.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/330>, abgerufen am 19.04.2024.