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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 191. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens.
nach in festen Gebrauch gekommen sei wird von den meisten prac-
tischen Schriftstellern zugestanden. 1

Alles Vorerwähnte gilt nun unbedenklich auch von den Sou-
veränen und ihren Familien rücksichtlich ihrer Privatrechte z. B.
auch in Betreff ihrer Haus- und Feideicommißgüter, welche die
Natur eigentlicher Staatsgüter nicht haben. Kann über letztere
in Folge einer feindlichen Usurpation eine selbst im Fall der Wie-
derkehr des vorigen Staatsverbandes giltig bleibende Verfügung
Statt finden, wie zuvor §. 188. behauptet worden ist, so folgt
daraus keine gleiche Berechtigung in Betreff der Privatgüter der
souveränen Familie.

Recht der Wiedernehmung bei Schiffen.

191. Eigenthümliche Schwierigkeiten entstehen vermöge der bis-
herigen Seekriegspraxis in denjenigen Fällen, wo das von einem
Kriegführenden weggenommene Schiff eines fremden Staates jenem
wiederum von einer feindlichen Partei abgenommen wird, in wie
fern nämlich hier ein Postliminium zu Gunsten des früheren Ei-
genthümers (ein jus recuperationis, droit de recousse ou de re-
prise
) Statt habe. 2 Die Frage befindet sich ziemlich noch in
derselbe Lage, worin sie zu Ende des vorigen Jahrhunderts befan-
gen war, so daß im Allgemeinen noch immer auf dasjenige ver-
wiesen werden darf, was v. Martens classische Schrift über die
Caper hinsichtlich dieses Gegenstandes enthielt. Die in Betracht
kommenden Fälle sind diese. Eine Wiedernehmung kann geschehen

a. durch ein Kriegsschiff des kriegführenden Staates oder
b. durch einen Caper, oder
c. durch die Mannschaft des genommenen Schiffes selbst

oder endlich

d. durch irgend welche Gewalt eines dem Captor fremden Landes,
wohin das genommene Schiff, es sei absichtlich oder zufäl-
lig wider den Willen des Captors gebracht sein kann.

Das wiedergenommene Schiff, oder seine Ladung oder beides
zugleich, kann, ehe es vom Feinde genommen wurde, gehört haben:


1 Vgl. Groot h. t. §. 15. und Schilter exercit. ad pand. 50. §. 11.
2 v. Steck, Essais sur plusieurs matieres Nr. 8. v. Martens über Ca-
per §. 40 n. f. Jouffroy droit maritime p. 313.

§. 191. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.
nach in feſten Gebrauch gekommen ſei wird von den meiſten prac-
tiſchen Schriftſtellern zugeſtanden. 1

Alles Vorerwähnte gilt nun unbedenklich auch von den Sou-
veränen und ihren Familien rückſichtlich ihrer Privatrechte z. B.
auch in Betreff ihrer Haus- und Feideicommißgüter, welche die
Natur eigentlicher Staatsgüter nicht haben. Kann über letztere
in Folge einer feindlichen Uſurpation eine ſelbſt im Fall der Wie-
derkehr des vorigen Staatsverbandes giltig bleibende Verfügung
Statt finden, wie zuvor §. 188. behauptet worden iſt, ſo folgt
daraus keine gleiche Berechtigung in Betreff der Privatgüter der
ſouveränen Familie.

Recht der Wiedernehmung bei Schiffen.

191. Eigenthümliche Schwierigkeiten entſtehen vermöge der bis-
herigen Seekriegspraxis in denjenigen Fällen, wo das von einem
Kriegführenden weggenommene Schiff eines fremden Staates jenem
wiederum von einer feindlichen Partei abgenommen wird, in wie
fern nämlich hier ein Poſtliminium zu Gunſten des früheren Ei-
genthümers (ein jus recuperationis, droit de recousse ou de re-
prise
) Statt habe. 2 Die Frage befindet ſich ziemlich noch in
derſelbe Lage, worin ſie zu Ende des vorigen Jahrhunderts befan-
gen war, ſo daß im Allgemeinen noch immer auf dasjenige ver-
wieſen werden darf, was v. Martens claſſiſche Schrift über die
Caper hinſichtlich dieſes Gegenſtandes enthielt. Die in Betracht
kommenden Fälle ſind dieſe. Eine Wiedernehmung kann geſchehen

a. durch ein Kriegsſchiff des kriegführenden Staates oder
b. durch einen Caper, oder
c. durch die Mannſchaft des genommenen Schiffes ſelbſt

oder endlich

d. durch irgend welche Gewalt eines dem Captor fremden Landes,
wohin das genommene Schiff, es ſei abſichtlich oder zufäl-
lig wider den Willen des Captors gebracht ſein kann.

Das wiedergenommene Schiff, oder ſeine Ladung oder beides
zugleich, kann, ehe es vom Feinde genommen wurde, gehört haben:


1 Vgl. Groot h. t. §. 15. und Schilter exercit. ad pand. 50. §. 11.
2 v. Steck, Essais sur plusieurs matières Nr. 8. v. Martens über Ca-
per §. 40 n. f. Jouffroy droit maritime p. 313.
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[319/0343] §. 191. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. nach in feſten Gebrauch gekommen ſei wird von den meiſten prac- tiſchen Schriftſtellern zugeſtanden. 1 Alles Vorerwähnte gilt nun unbedenklich auch von den Sou- veränen und ihren Familien rückſichtlich ihrer Privatrechte z. B. auch in Betreff ihrer Haus- und Feideicommißgüter, welche die Natur eigentlicher Staatsgüter nicht haben. Kann über letztere in Folge einer feindlichen Uſurpation eine ſelbſt im Fall der Wie- derkehr des vorigen Staatsverbandes giltig bleibende Verfügung Statt finden, wie zuvor §. 188. behauptet worden iſt, ſo folgt daraus keine gleiche Berechtigung in Betreff der Privatgüter der ſouveränen Familie. Recht der Wiedernehmung bei Schiffen. 191. Eigenthümliche Schwierigkeiten entſtehen vermöge der bis- herigen Seekriegspraxis in denjenigen Fällen, wo das von einem Kriegführenden weggenommene Schiff eines fremden Staates jenem wiederum von einer feindlichen Partei abgenommen wird, in wie fern nämlich hier ein Poſtliminium zu Gunſten des früheren Ei- genthümers (ein jus recuperationis, droit de recousse ou de re- prise) Statt habe. 2 Die Frage befindet ſich ziemlich noch in derſelbe Lage, worin ſie zu Ende des vorigen Jahrhunderts befan- gen war, ſo daß im Allgemeinen noch immer auf dasjenige ver- wieſen werden darf, was v. Martens claſſiſche Schrift über die Caper hinſichtlich dieſes Gegenſtandes enthielt. Die in Betracht kommenden Fälle ſind dieſe. Eine Wiedernehmung kann geſchehen a. durch ein Kriegsſchiff des kriegführenden Staates oder b. durch einen Caper, oder c. durch die Mannſchaft des genommenen Schiffes ſelbſt oder endlich d. durch irgend welche Gewalt eines dem Captor fremden Landes, wohin das genommene Schiff, es ſei abſichtlich oder zufäl- lig wider den Willen des Captors gebracht ſein kann. Das wiedergenommene Schiff, oder ſeine Ladung oder beides zugleich, kann, ehe es vom Feinde genommen wurde, gehört haben: 1 Vgl. Groot h. t. §. 15. und Schilter exercit. ad pand. 50. §. 11. 2 v. Steck, Essais sur plusieurs matières Nr. 8. v. Martens über Ca- per §. 40 n. f. Jouffroy droit maritime p. 313.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/343>, abgerufen am 29.03.2024.