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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Drittes Buch. §. 212.
ständigen Exterritorialitätsverhältniß 1 in dem oben §. 42.
dargestellten Umfang ausgebildet worden sind;
theils als ganz für sich bestehende Befugnisse und Ehrenbezei-
gungen, welche der Würde eines fremden Staatsvertreters
(seinem s. g. cerimonialen Character) in stillschweigender
conventioneller Weise zugestanden werden.

Ein allgemein und ausdrücklich als verpflichtend anerkanntes Ge-
setz giebt es weder in der einen noch anderen Beziehung. 2 Nur
in einzelnen Stücken läßt sich ein festes, auf die Meinung der Noth-
wendigkeit gestütztes Herkommen oder eine Observanz unter gewis-
sen Staaten darthun.

Rechte der Gesandten zufolge der Exterritorialitätsfiction.
a. Vollkommene Unverletzbarkeit.

212. Was zunächst die Unverletzbarkeit anbetrifft, so be-
schränkt sich diese nicht bloß auf die Person des Gesandten und
seines Gefolges unmittelbar, sondern erstreckt sich noch überdies
auf diejenigen Sachen, welche mit seiner Person und seiner Würde
im nächsten Zusammenhange stehen; insbesondere

auf das gesandtschaftliche Wohnhaus, soweit es von dem Ab-
geordneten wirklich für sich und die Seinigen in Beschlag
genommen ist; 3
auf das Mobiliar welches zur Garnirung dieser Wohnung
dient;

endlich

auf die Equipage der Gesandtschaft. 4

Alle diese Sachen gelten als befriedet; weder die auswärtige Staats-
gewalt selbst, noch auch ihre Unterthanen dürfen sich daran di-
rect vergreifen ohne sich einer Verletzung des Völkerrechts schuldig

1 Als ein bereits feststehendes erscheint dieses bei Groot II, 18, 4. Aller-
dings ist es noch späterhin doctrinell bestritten worden, z. B. von Cocceji und
neuerdings zum Theil von Pinheiro Ferreira.
2 Die bei de Real, Rousset und v. Martens Erzähl. I, 369. abgedruckten
Immunites accordees par l'Empereur aux Ambassadeurs (angeblich von
Carl V) sind wohl ebenso apocryphisch, als die schon oben angeführten
Lois (S. 334.). Besondere Verordnungen einzelner Staaten finden sich
abgedruckt bei v. Martens a. a. O. I, 330. u. II, 344.
3 Merlin, sect. V, §. 5. n. 3. Vgl. mit Vattel IV, §. 117.
4 Vattel §. 118. Vgl. Bynkershoeck de jud. comp. XVI, 4.
Drittes Buch. §. 212.
ſtändigen Exterritorialitätsverhältniß 1 in dem oben §. 42.
dargeſtellten Umfang ausgebildet worden ſind;
theils als ganz für ſich beſtehende Befugniſſe und Ehrenbezei-
gungen, welche der Würde eines fremden Staatsvertreters
(ſeinem ſ. g. cerimonialen Character) in ſtillſchweigender
conventioneller Weiſe zugeſtanden werden.

Ein allgemein und ausdrücklich als verpflichtend anerkanntes Ge-
ſetz giebt es weder in der einen noch anderen Beziehung. 2 Nur
in einzelnen Stücken läßt ſich ein feſtes, auf die Meinung der Noth-
wendigkeit geſtütztes Herkommen oder eine Obſervanz unter gewiſ-
ſen Staaten darthun.

Rechte der Geſandten zufolge der Exterritorialitätsfiction.
a. Vollkommene Unverletzbarkeit.

212. Was zunächſt die Unverletzbarkeit anbetrifft, ſo be-
ſchränkt ſich dieſe nicht bloß auf die Perſon des Geſandten und
ſeines Gefolges unmittelbar, ſondern erſtreckt ſich noch überdies
auf diejenigen Sachen, welche mit ſeiner Perſon und ſeiner Würde
im nächſten Zuſammenhange ſtehen; insbeſondere

auf das geſandtſchaftliche Wohnhaus, ſoweit es von dem Ab-
geordneten wirklich für ſich und die Seinigen in Beſchlag
genommen iſt; 3
auf das Mobiliar welches zur Garnirung dieſer Wohnung
dient;

endlich

auf die Equipage der Geſandtſchaft. 4

Alle dieſe Sachen gelten als befriedet; weder die auswärtige Staats-
gewalt ſelbſt, noch auch ihre Unterthanen dürfen ſich daran di-
rect vergreifen ohne ſich einer Verletzung des Völkerrechts ſchuldig

1 Als ein bereits feſtſtehendes erſcheint dieſes bei Groot II, 18, 4. Aller-
dings iſt es noch ſpäterhin doctrinell beſtritten worden, z. B. von Cocceji und
neuerdings zum Theil von Pinheiro Ferreira.
2 Die bei de Real, Rousset und v. Martens Erzähl. I, 369. abgedruckten
Immunités accordées par l’Empereur aux Ambassadeurs (angeblich von
Carl V) ſind wohl ebenſo apocryphiſch, als die ſchon oben angeführten
Lois (S. 334.). Beſondere Verordnungen einzelner Staaten finden ſich
abgedruckt bei v. Martens a. a. O. I, 330. u. II, 344.
3 Merlin, sect. V, §. 5. n. 3. Vgl. mit Vattel IV, §. 117.
4 Vattel §. 118. Vgl. Bynkershoeck de jud. comp. XVI, 4.
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[348/0372] Drittes Buch. §. 212. ſtändigen Exterritorialitätsverhältniß 1 in dem oben §. 42. dargeſtellten Umfang ausgebildet worden ſind; theils als ganz für ſich beſtehende Befugniſſe und Ehrenbezei- gungen, welche der Würde eines fremden Staatsvertreters (ſeinem ſ. g. cerimonialen Character) in ſtillſchweigender conventioneller Weiſe zugeſtanden werden. Ein allgemein und ausdrücklich als verpflichtend anerkanntes Ge- ſetz giebt es weder in der einen noch anderen Beziehung. 2 Nur in einzelnen Stücken läßt ſich ein feſtes, auf die Meinung der Noth- wendigkeit geſtütztes Herkommen oder eine Obſervanz unter gewiſ- ſen Staaten darthun. Rechte der Geſandten zufolge der Exterritorialitätsfiction. a. Vollkommene Unverletzbarkeit. 212. Was zunächſt die Unverletzbarkeit anbetrifft, ſo be- ſchränkt ſich dieſe nicht bloß auf die Perſon des Geſandten und ſeines Gefolges unmittelbar, ſondern erſtreckt ſich noch überdies auf diejenigen Sachen, welche mit ſeiner Perſon und ſeiner Würde im nächſten Zuſammenhange ſtehen; insbeſondere auf das geſandtſchaftliche Wohnhaus, ſoweit es von dem Ab- geordneten wirklich für ſich und die Seinigen in Beſchlag genommen iſt; 3 auf das Mobiliar welches zur Garnirung dieſer Wohnung dient; endlich auf die Equipage der Geſandtſchaft. 4 Alle dieſe Sachen gelten als befriedet; weder die auswärtige Staats- gewalt ſelbſt, noch auch ihre Unterthanen dürfen ſich daran di- rect vergreifen ohne ſich einer Verletzung des Völkerrechts ſchuldig 1 Als ein bereits feſtſtehendes erſcheint dieſes bei Groot II, 18, 4. Aller- dings iſt es noch ſpäterhin doctrinell beſtritten worden, z. B. von Cocceji und neuerdings zum Theil von Pinheiro Ferreira. 2 Die bei de Real, Rousset und v. Martens Erzähl. I, 369. abgedruckten Immunités accordées par l’Empereur aux Ambassadeurs (angeblich von Carl V) ſind wohl ebenſo apocryphiſch, als die ſchon oben angeführten Lois (S. 334.). Beſondere Verordnungen einzelner Staaten finden ſich abgedruckt bei v. Martens a. a. O. I, 330. u. II, 344. 3 Merlin, sect. V, §. 5. n. 3. Vgl. mit Vattel IV, §. 117. 4 Vattel §. 118. Vgl. Bynkershoeck de jud. comp. XVI, 4.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/372>, abgerufen am 25.04.2024.