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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Drittes Buch. §. 225.
und zunächst bei den Localobrigkeiten hilfreich einschreiten konnten,
überhaupt einen Anlehnungspunct zur Vermittelung der nationalen
Handelsinteressen mit der Ordnung des Staates im Auslande zu
haben. Auf diese Weise sank das Institut der mittelalterlichen
Handelsrichter und consularischen Jurisdiction zu einem bloßen
Schutzverhältniß mit einer gewissen polizeilichen Auctorität für die
Angehörigen jeder Nation, wofür es bestimmt war, herab; nur auf
diesem Fuße hat es sich seitdem allenthalben in den christlichen
Staaten Europas und außer Europa mit einer heilsamen Wirk-
samkeit durch gegenseitige Concession erhalten. Eine andere Gestalt
hat es nur, wiewohl in den neueren Zeiten immer mühsamer, unter
den nichtchristlichen Nationen besonders im Orient behauptet, vor-
züglich in den muselmännischen Staaten durch die einzelnen Natio-
nen daselbst bewilligten Privilegien, oder in Gemäßheit ausdrück-
licher Verträge, wodurch man eine Garantie für dasselbe zu erlan-
gen gewußt hat. 1

Rechtsverhältnisse der heutigen Consuln.

225. Nach der gemeinsamen heutigen Staatenpraxis in den
europäischen oder europäisirten christlichen Ländern bilden, wie be-
reits bemerkt, die Consuln eine eigene Art von Agenten, hauptsäch-
lich für die Handels-, zum Theil aber auch für die sonstigen Ver-
kehrsinteressen auswärtiger Staaten in einem fremden Lande oder
in einzelnen Theilen und Plätzen desselben. Ihre Einsetzung beruht
nur auf dem Einverständniß der beiden betheiligten Staatsgewal-
ten. Kein Staat würde schuldig sein gegen seinen Willen die An-
ordnung eines Consuls zu dulden; man läßt sie sich daher auch
ausdrücklich in Verträgen 2 gestatten. Die Ernennung geschieht
durch sogenannte lettres de provision von demjenigen Staate,
dessen Interessen im Auslande vertreten werden sollen; 3 außerdem

1 Vgl. v. Miltitz T. II, P. II, p. 3 u. f.
2 Auch noch in den meisten neueren Handelsverträgen unter Staaten, für
welche noch kein bestimmtes Herkommen besteht, ist es nicht unterlassen.
Es giebt aber auch Beispiele von Verträgen, wodurch die Anstellung von
Consuln gegenseitig ausgeschlossen ward. v. Steck, Essais sur div. sujets
int. p.
52. So zwischen Frankreich und den Niederlanden, wovon indeß
jetzt abgegangen scheint.
3 Nach einer gewöhnlichen Lehre hat jeder Staat, auch der halbsouveräne,
welcher eine besondere Flagge führt, das Recht zur Anstellung von Consuln.

Drittes Buch. §. 225.
und zunächſt bei den Localobrigkeiten hilfreich einſchreiten konnten,
überhaupt einen Anlehnungspunct zur Vermittelung der nationalen
Handelsintereſſen mit der Ordnung des Staates im Auslande zu
haben. Auf dieſe Weiſe ſank das Inſtitut der mittelalterlichen
Handelsrichter und conſulariſchen Jurisdiction zu einem bloßen
Schutzverhältniß mit einer gewiſſen polizeilichen Auctorität für die
Angehörigen jeder Nation, wofür es beſtimmt war, herab; nur auf
dieſem Fuße hat es ſich ſeitdem allenthalben in den chriſtlichen
Staaten Europas und außer Europa mit einer heilſamen Wirk-
ſamkeit durch gegenſeitige Conceſſion erhalten. Eine andere Geſtalt
hat es nur, wiewohl in den neueren Zeiten immer mühſamer, unter
den nichtchriſtlichen Nationen beſonders im Orient behauptet, vor-
züglich in den muſelmänniſchen Staaten durch die einzelnen Natio-
nen daſelbſt bewilligten Privilegien, oder in Gemäßheit ausdrück-
licher Verträge, wodurch man eine Garantie für daſſelbe zu erlan-
gen gewußt hat. 1

Rechtsverhältniſſe der heutigen Conſuln.

225. Nach der gemeinſamen heutigen Staatenpraxis in den
europäiſchen oder europäiſirten chriſtlichen Ländern bilden, wie be-
reits bemerkt, die Conſuln eine eigene Art von Agenten, hauptſäch-
lich für die Handels-, zum Theil aber auch für die ſonſtigen Ver-
kehrsintereſſen auswärtiger Staaten in einem fremden Lande oder
in einzelnen Theilen und Plätzen deſſelben. Ihre Einſetzung beruht
nur auf dem Einverſtändniß der beiden betheiligten Staatsgewal-
ten. Kein Staat würde ſchuldig ſein gegen ſeinen Willen die An-
ordnung eines Conſuls zu dulden; man läßt ſie ſich daher auch
ausdrücklich in Verträgen 2 geſtatten. Die Ernennung geſchieht
durch ſogenannte lettres de provision von demjenigen Staate,
deſſen Intereſſen im Auslande vertreten werden ſollen; 3 außerdem

1 Vgl. v. Miltitz T. II, P. II, p. 3 u. f.
2 Auch noch in den meiſten neueren Handelsverträgen unter Staaten, für
welche noch kein beſtimmtes Herkommen beſteht, iſt es nicht unterlaſſen.
Es giebt aber auch Beiſpiele von Verträgen, wodurch die Anſtellung von
Conſuln gegenſeitig ausgeſchloſſen ward. v. Steck, Essais sur div. sujets
int. p.
52. So zwiſchen Frankreich und den Niederlanden, wovon indeß
jetzt abgegangen ſcheint.
3 Nach einer gewöhnlichen Lehre hat jeder Staat, auch der halbſouveräne,
welcher eine beſondere Flagge führt, das Recht zur Anſtellung von Conſuln.
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[366/0390] Drittes Buch. §. 225. und zunächſt bei den Localobrigkeiten hilfreich einſchreiten konnten, überhaupt einen Anlehnungspunct zur Vermittelung der nationalen Handelsintereſſen mit der Ordnung des Staates im Auslande zu haben. Auf dieſe Weiſe ſank das Inſtitut der mittelalterlichen Handelsrichter und conſulariſchen Jurisdiction zu einem bloßen Schutzverhältniß mit einer gewiſſen polizeilichen Auctorität für die Angehörigen jeder Nation, wofür es beſtimmt war, herab; nur auf dieſem Fuße hat es ſich ſeitdem allenthalben in den chriſtlichen Staaten Europas und außer Europa mit einer heilſamen Wirk- ſamkeit durch gegenſeitige Conceſſion erhalten. Eine andere Geſtalt hat es nur, wiewohl in den neueren Zeiten immer mühſamer, unter den nichtchriſtlichen Nationen beſonders im Orient behauptet, vor- züglich in den muſelmänniſchen Staaten durch die einzelnen Natio- nen daſelbſt bewilligten Privilegien, oder in Gemäßheit ausdrück- licher Verträge, wodurch man eine Garantie für daſſelbe zu erlan- gen gewußt hat. 1 Rechtsverhältniſſe der heutigen Conſuln. 225. Nach der gemeinſamen heutigen Staatenpraxis in den europäiſchen oder europäiſirten chriſtlichen Ländern bilden, wie be- reits bemerkt, die Conſuln eine eigene Art von Agenten, hauptſäch- lich für die Handels-, zum Theil aber auch für die ſonſtigen Ver- kehrsintereſſen auswärtiger Staaten in einem fremden Lande oder in einzelnen Theilen und Plätzen deſſelben. Ihre Einſetzung beruht nur auf dem Einverſtändniß der beiden betheiligten Staatsgewal- ten. Kein Staat würde ſchuldig ſein gegen ſeinen Willen die An- ordnung eines Conſuls zu dulden; man läßt ſie ſich daher auch ausdrücklich in Verträgen 2 geſtatten. Die Ernennung geſchieht durch ſogenannte lettres de provision von demjenigen Staate, deſſen Intereſſen im Auslande vertreten werden ſollen; 3 außerdem 1 Vgl. v. Miltitz T. II, P. II, p. 3 u. f. 2 Auch noch in den meiſten neueren Handelsverträgen unter Staaten, für welche noch kein beſtimmtes Herkommen beſteht, iſt es nicht unterlaſſen. Es giebt aber auch Beiſpiele von Verträgen, wodurch die Anſtellung von Conſuln gegenſeitig ausgeſchloſſen ward. v. Steck, Essais sur div. sujets int. p. 52. So zwiſchen Frankreich und den Niederlanden, wovon indeß jetzt abgegangen ſcheint. 3 Nach einer gewöhnlichen Lehre hat jeder Staat, auch der halbſouveräne, welcher eine beſondere Flagge führt, das Recht zur Anſtellung von Conſuln.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/390>, abgerufen am 25.04.2024.