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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 240. Die Formen des völkerrechtlichen Verkehres.
zösische Sprache selbst auch die hergebrachte Landessprache des an-
deren Staates ist.

Mehrere Mächte bestehen fortwährend auf dem Grundsatz, daß
ihnen jede officielle Communication in ihrer Sprache gemacht oder
wenigstens mit einem Translat begleitet werde. So der deutsche
Bund durch Beschluß vom 12. Juni 1817. Andererseits bedienen
sich auch Gesandte an fremden Höfen mit Recht ihrer eigenen
Sprache, aber, wie sich von selbst versteht, mit der Verpflichtung
zu einem Translat, wenn sie die Mittheilung im eigenen Interesse
machen. 1

Was den mündlichen förmlichen Verkehr betrifft, z. B. in förm-
lichen Audienzen, so gilt auch hier ein gleiches Princip; der fremde
Gesandte redet oder kann wenigstens in seiner eigenen Sprache re-
reden, während ein Dollmetscher die Uebertragung unternimmt. Der
Souverän antwortet in der seinigen. Das Umständliche eines sol-
chen Verkehres führt indessen wohl selbst zur Aufgebung des Prin-
cips. Der dem Range nach geringere giebt hier dem Verbindli-
cheren den Vorzug, oder man verständigt sich überhaupt, eine beiden
Theilen geläufige Sprache anzuwenden, wie zur Zeit besonders die
französische als die verbreiteteste ist.

Diplomatischer Styl.

240. Ist der Styl, wie man gesagt hat, der Mensch, der sich
darin seinen Ideen gemäß ausspricht, so muß auch andererseits der
Styl, wenn der Staat redet, seinem Wesen entsprechen, mithin das
ihn vertretende Organ sich der eigenen Individualität entäußern
und eine Form wählen, welche die Bedeutung des Staates als
eines Trägers der Gesammtvernunft erkennen läßt. Muß irgend
eine Ausdrucksweise sich von allem Niedrigen entfernt halten, so
ist es ganz besonders von der diplomatischen zu erwarten und zu
fordern. Freilich kann sie sich von dem Menschlichen nicht los-
sagen; sie kann keine Sprache der Götter sein; aber sie hat den

1 Der Minister Canning befahl allen englischen Agenten im Auslande sich
keiner anderen Sprache als der englischen bei diplomatischen Communica-
tionen zu bedienen. -- Die Pforte communicirt in arabischer Sprache, ge-
wöhnlich aber mit lateinischem, jetzt auch wohl französischem Translat. Sie
hält keinen Tractat für verbindlich, der nicht auch in ihrer Sprache abge-
faßt worden.

§. 240. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres.
zöſiſche Sprache ſelbſt auch die hergebrachte Landesſprache des an-
deren Staates iſt.

Mehrere Mächte beſtehen fortwährend auf dem Grundſatz, daß
ihnen jede officielle Communication in ihrer Sprache gemacht oder
wenigſtens mit einem Translat begleitet werde. So der deutſche
Bund durch Beſchluß vom 12. Juni 1817. Andererſeits bedienen
ſich auch Geſandte an fremden Höfen mit Recht ihrer eigenen
Sprache, aber, wie ſich von ſelbſt verſteht, mit der Verpflichtung
zu einem Translat, wenn ſie die Mittheilung im eigenen Intereſſe
machen. 1

Was den mündlichen förmlichen Verkehr betrifft, z. B. in förm-
lichen Audienzen, ſo gilt auch hier ein gleiches Princip; der fremde
Geſandte redet oder kann wenigſtens in ſeiner eigenen Sprache re-
reden, während ein Dollmetſcher die Uebertragung unternimmt. Der
Souverän antwortet in der ſeinigen. Das Umſtändliche eines ſol-
chen Verkehres führt indeſſen wohl ſelbſt zur Aufgebung des Prin-
cips. Der dem Range nach geringere giebt hier dem Verbindli-
cheren den Vorzug, oder man verſtändigt ſich überhaupt, eine beiden
Theilen geläufige Sprache anzuwenden, wie zur Zeit beſonders die
franzöſiſche als die verbreiteteſte iſt.

Diplomatiſcher Styl.

240. Iſt der Styl, wie man geſagt hat, der Menſch, der ſich
darin ſeinen Ideen gemäß ausſpricht, ſo muß auch andererſeits der
Styl, wenn der Staat redet, ſeinem Weſen entſprechen, mithin das
ihn vertretende Organ ſich der eigenen Individualität entäußern
und eine Form wählen, welche die Bedeutung des Staates als
eines Trägers der Geſammtvernunft erkennen läßt. Muß irgend
eine Ausdrucksweiſe ſich von allem Niedrigen entfernt halten, ſo
iſt es ganz beſonders von der diplomatiſchen zu erwarten und zu
fordern. Freilich kann ſie ſich von dem Menſchlichen nicht los-
ſagen; ſie kann keine Sprache der Götter ſein; aber ſie hat den

1 Der Miniſter Canning befahl allen engliſchen Agenten im Auslande ſich
keiner anderen Sprache als der engliſchen bei diplomatiſchen Communica-
tionen zu bedienen. — Die Pforte communicirt in arabiſcher Sprache, ge-
wöhnlich aber mit lateiniſchem, jetzt auch wohl franzöſiſchem Translat. Sie
hält keinen Tractat für verbindlich, der nicht auch in ihrer Sprache abge-
faßt worden.
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[389/0413] §. 240. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres. zöſiſche Sprache ſelbſt auch die hergebrachte Landesſprache des an- deren Staates iſt. Mehrere Mächte beſtehen fortwährend auf dem Grundſatz, daß ihnen jede officielle Communication in ihrer Sprache gemacht oder wenigſtens mit einem Translat begleitet werde. So der deutſche Bund durch Beſchluß vom 12. Juni 1817. Andererſeits bedienen ſich auch Geſandte an fremden Höfen mit Recht ihrer eigenen Sprache, aber, wie ſich von ſelbſt verſteht, mit der Verpflichtung zu einem Translat, wenn ſie die Mittheilung im eigenen Intereſſe machen. 1 Was den mündlichen förmlichen Verkehr betrifft, z. B. in förm- lichen Audienzen, ſo gilt auch hier ein gleiches Princip; der fremde Geſandte redet oder kann wenigſtens in ſeiner eigenen Sprache re- reden, während ein Dollmetſcher die Uebertragung unternimmt. Der Souverän antwortet in der ſeinigen. Das Umſtändliche eines ſol- chen Verkehres führt indeſſen wohl ſelbſt zur Aufgebung des Prin- cips. Der dem Range nach geringere giebt hier dem Verbindli- cheren den Vorzug, oder man verſtändigt ſich überhaupt, eine beiden Theilen geläufige Sprache anzuwenden, wie zur Zeit beſonders die franzöſiſche als die verbreiteteſte iſt. Diplomatiſcher Styl. 240. Iſt der Styl, wie man geſagt hat, der Menſch, der ſich darin ſeinen Ideen gemäß ausſpricht, ſo muß auch andererſeits der Styl, wenn der Staat redet, ſeinem Weſen entſprechen, mithin das ihn vertretende Organ ſich der eigenen Individualität entäußern und eine Form wählen, welche die Bedeutung des Staates als eines Trägers der Geſammtvernunft erkennen läßt. Muß irgend eine Ausdrucksweiſe ſich von allem Niedrigen entfernt halten, ſo iſt es ganz beſonders von der diplomatiſchen zu erwarten und zu fordern. Freilich kann ſie ſich von dem Menſchlichen nicht los- ſagen; ſie kann keine Sprache der Götter ſein; aber ſie hat den 1 Der Miniſter Canning befahl allen engliſchen Agenten im Auslande ſich keiner anderen Sprache als der engliſchen bei diplomatiſchen Communica- tionen zu bedienen. — Die Pforte communicirt in arabiſcher Sprache, ge- wöhnlich aber mit lateiniſchem, jetzt auch wohl franzöſiſchem Translat. Sie hält keinen Tractat für verbindlich, der nicht auch in ihrer Sprache abge- faßt worden.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/413>, abgerufen am 28.03.2024.