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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Erstes Buch. §. 40.
IV. Rechtskräftige Entscheidungen haben zwar nur in dem eige-
nen Staatsgebiet, und wo durch Vertrag oder gegenseitige
Observanz deshalb Zugeständnisse gemacht sind, Anspruch
auf unbedingte Vollstreckbarkeit; indessen sollte wenigstens
kein Staat dem rechtskräftigen Erkenntniß eines anderen Staa-
tes, welchem nicht überhaupt Competenz abzusprechen ist, die
Bedeutung einer gleichsam contractlichen Feststellung unter
den Parteien verweigern, und somit auch, falls die nöthige
Erörterung hierüber Statt gefunden hat, die Vollstreckbarkeit
bei sich verordnen. Die Untersuchung kann sich aber nur
darauf beziehen, ob ein förmliches Verfahren vor einer nicht
durchaus unbefugten Behörde Statt gefunden und das Er-
kenntniß wirklich schon die Rechtskraft beschritten habe. 1
In ähnlicher Weise sind schiedsrichterlichen Urtheile zu be-
handeln. 2

Endlich ist wegen der Contractsnatur eines Privatrechtsstreits auch
die Einrede der Rechtshängigkeit in jedem anderen Staate zu
beachten. 3

Verhältniß der Staatsgewalten zu auswärtigen spirituellen Mächten, insbesondere
zum Römischen Stuhl.

40. Verhältnisse eigenthümlicher Art treten ein in Beziehung
auf auswärtige spirituelle Mächte, von denen alle oder ein Theil
der Staatsangehörigen vermöge ihrer religiösen Ueberzeugung ab-
hängig sind, insbesondere zu dem Römischen Stuhl, in seiner Ei-

des Landes, wo geklagt wird, dem Institute der Klageverjährung unterlegt.
Sofern jedoch der Richter die Einrede nicht von Amtswegen zu beachten
hat, sie also zum ius partis gehört und mit der Qualität der Obligation
in Verbindung steht, wird auch die Ansicht, daß es auf das Gesetz des ur-
sprünglichen Rechtsverhältnisses ankommt, immer die meiste Anziehungskraft
ausüben. S. überhaupt Wächter, Arch. S. 408. Foelix, p. 140. Eine
besondere Schwierigkeit macht dann freilich oft wieder die Veränderung der
Präscriptionsgesetze.
1 Schriften: in v. Kamptz, Lit. §. 110., insbesondere dessen Beitr. z. Staats-
u. Völkerr., I, n. 5. Schmid, teutsches Staatsrecht §. 86. Wächter,
Arch. S. 417. Ueber die Praxis der Einzelstaaten Foelix, p. 360. Kapp-
ler, jurist. Promtuar., Wort: "ausl. Urtheile".
2 Vergl. Foelix, p. 446.
3 Foelix, p. 227.
Erſtes Buch. §. 40.
IV. Rechtskräftige Entſcheidungen haben zwar nur in dem eige-
nen Staatsgebiet, und wo durch Vertrag oder gegenſeitige
Obſervanz deshalb Zugeſtändniſſe gemacht ſind, Anſpruch
auf unbedingte Vollſtreckbarkeit; indeſſen ſollte wenigſtens
kein Staat dem rechtskräftigen Erkenntniß eines anderen Staa-
tes, welchem nicht überhaupt Competenz abzuſprechen iſt, die
Bedeutung einer gleichſam contractlichen Feſtſtellung unter
den Parteien verweigern, und ſomit auch, falls die nöthige
Erörterung hierüber Statt gefunden hat, die Vollſtreckbarkeit
bei ſich verordnen. Die Unterſuchung kann ſich aber nur
darauf beziehen, ob ein förmliches Verfahren vor einer nicht
durchaus unbefugten Behörde Statt gefunden und das Er-
kenntniß wirklich ſchon die Rechtskraft beſchritten habe. 1
In ähnlicher Weiſe ſind ſchiedsrichterlichen Urtheile zu be-
handeln. 2

Endlich iſt wegen der Contractsnatur eines Privatrechtsſtreits auch
die Einrede der Rechtshängigkeit in jedem anderen Staate zu
beachten. 3

Verhältniß der Staatsgewalten zu auswärtigen ſpirituellen Mächten, insbeſondere
zum Römiſchen Stuhl.

40. Verhältniſſe eigenthümlicher Art treten ein in Beziehung
auf auswärtige ſpirituelle Mächte, von denen alle oder ein Theil
der Staatsangehörigen vermöge ihrer religiöſen Ueberzeugung ab-
hängig ſind, insbeſondere zu dem Römiſchen Stuhl, in ſeiner Ei-

des Landes, wo geklagt wird, dem Inſtitute der Klageverjährung unterlegt.
Sofern jedoch der Richter die Einrede nicht von Amtswegen zu beachten
hat, ſie alſo zum ius partis gehört und mit der Qualität der Obligation
in Verbindung ſteht, wird auch die Anſicht, daß es auf das Geſetz des ur-
ſprünglichen Rechtsverhältniſſes ankommt, immer die meiſte Anziehungskraft
ausüben. S. überhaupt Wächter, Arch. S. 408. Foelix, p. 140. Eine
beſondere Schwierigkeit macht dann freilich oft wieder die Veränderung der
Präſcriptionsgeſetze.
1 Schriften: in v. Kamptz, Lit. §. 110., insbeſondere deſſen Beitr. z. Staats-
u. Völkerr., I, n. 5. Schmid, teutſches Staatsrecht §. 86. Wächter,
Arch. S. 417. Ueber die Praxis der Einzelſtaaten Foelix, p. 360. Kapp-
ler, juriſt. Promtuar., Wort: „ausl. Urtheile“.
2 Vergl. Foelix, p. 446.
3 Foelix, p. 227.
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[72/0096] Erſtes Buch. §. 40. IV. Rechtskräftige Entſcheidungen haben zwar nur in dem eige- nen Staatsgebiet, und wo durch Vertrag oder gegenſeitige Obſervanz deshalb Zugeſtändniſſe gemacht ſind, Anſpruch auf unbedingte Vollſtreckbarkeit; indeſſen ſollte wenigſtens kein Staat dem rechtskräftigen Erkenntniß eines anderen Staa- tes, welchem nicht überhaupt Competenz abzuſprechen iſt, die Bedeutung einer gleichſam contractlichen Feſtſtellung unter den Parteien verweigern, und ſomit auch, falls die nöthige Erörterung hierüber Statt gefunden hat, die Vollſtreckbarkeit bei ſich verordnen. Die Unterſuchung kann ſich aber nur darauf beziehen, ob ein förmliches Verfahren vor einer nicht durchaus unbefugten Behörde Statt gefunden und das Er- kenntniß wirklich ſchon die Rechtskraft beſchritten habe. 1 In ähnlicher Weiſe ſind ſchiedsrichterlichen Urtheile zu be- handeln. 2 Endlich iſt wegen der Contractsnatur eines Privatrechtsſtreits auch die Einrede der Rechtshängigkeit in jedem anderen Staate zu beachten. 3 Verhältniß der Staatsgewalten zu auswärtigen ſpirituellen Mächten, insbeſondere zum Römiſchen Stuhl. 40. Verhältniſſe eigenthümlicher Art treten ein in Beziehung auf auswärtige ſpirituelle Mächte, von denen alle oder ein Theil der Staatsangehörigen vermöge ihrer religiöſen Ueberzeugung ab- hängig ſind, insbeſondere zu dem Römiſchen Stuhl, in ſeiner Ei- 8 1 Schriften: in v. Kamptz, Lit. §. 110., insbeſondere deſſen Beitr. z. Staats- u. Völkerr., I, n. 5. Schmid, teutſches Staatsrecht §. 86. Wächter, Arch. S. 417. Ueber die Praxis der Einzelſtaaten Foelix, p. 360. Kapp- ler, juriſt. Promtuar., Wort: „ausl. Urtheile“. 2 Vergl. Foelix, p. 446. 3 Foelix, p. 227. 8 des Landes, wo geklagt wird, dem Inſtitute der Klageverjährung unterlegt. Sofern jedoch der Richter die Einrede nicht von Amtswegen zu beachten hat, ſie alſo zum ius partis gehört und mit der Qualität der Obligation in Verbindung ſteht, wird auch die Anſicht, daß es auf das Geſetz des ur- ſprünglichen Rechtsverhältniſſes ankommt, immer die meiſte Anziehungskraft ausüben. S. überhaupt Wächter, Arch. S. 408. Foelix, p. 140. Eine beſondere Schwierigkeit macht dann freilich oft wieder die Veränderung der Präſcriptionsgeſetze.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/96>, abgerufen am 19.04.2024.