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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Erstes Buch. §. 71.
schehen, so hebt auch die blos einstweilige und als vorüber-
gehend erklärte Unterbrechung der Herrschaft das schon er-
langte Eigenthum nicht wieder auf Bloß wörtliche Erklä-
rungen dagegen und vergängliche leblose Zeichen einer beab-
sichtigten Aneignung sind rechtlich ungenügend, weil der That-
sache widersprechend und die Absicht in Zweifel stellend, ob-
gleich man in der früheren Staatspraxis auch derartige Mit-
tel geltend gemacht hat. 1

Eine Besitzergreifung kann übrigens durch Bevollmächtigte,
sowohl auf Grund allgemeiner 2 wie specieller Vollmachten vollzo-
gen werden, und giebt dann vom Augenblick der Vollziehung dem
Machtgeber das Eigenthum. Sie kann selbst vermöge einer Ge-
schäftsführung für einen andern Herrn mit hinzukommender Rati-
habition desselben vor sich gehn, in welchem Fall Besitz und
Eigenthum für diesen jedoch erst mit der Genehmigung, also erst
nach erlangter Kenntniß beginnt. 3 Haben mehrere zugleich für
sich Eigenthumsbesitz von derselben Sache ohne Beschränkung auf
einzelne Theile ergriffen, so entsteht dadurch ein Miteigenthum. 4

Verfügungen über das Staaten-Eigenthum.

71. Die rechtlich möglichen Verfügungen über einzelne Gegen-
stände des Staatseigenthums sind im Allgemeinen dieselben, wie
über Privateigenthum und Vermögensrechte. Zu den bemerkens-
werthern gehört, nächst den eigentlichen Veräußerungen (§. 72.)

I. die Constituirung einer bleibenden Rente zu Gunsten eines
1 Hiermit stimmen die Meisten überein, namentlich Groot. S. auch Vattel I, 18,
207. 208. Günther II, 11. Ueber den Streit, welchen Bynkershoek de domin.
mar. c.
1. erregte, s. die ausführliche Anmerkung von Klüber dr. d. g. §. 126.
2 Beispiele davon bei Wheaton intern. L. I, p. 209. Eine stillschweigende
Vollmacht für alle Unterthanen eines Staates existirt nicht. Nur der Sclave
einer Staatsgewalt würde für sie unmittelbar erwerben.
3 L. 24. D. de negot. gest. und die Regel: ignoranti possessio non ac-
quiritur,
also auch nicht das Recht, welches sie ferner gewährt. Vergl.
v. Savigny Besitz S. 365.
4 Streitigkeiten schlichtete bei neuen Entdeckungen in älterer Zeit der Pabst.
Die Theilung der Indien zwischen Portugal und Spanien durch ihn ist
bekannt. S. die Bullen v. 1454 1481. 1493. in Du Mont Corps univ.
III, 1, 200. III,2, 302. Schmauss C. jur. gent. I,
112. 130. Vgl.
Günther II, 7. Walter, Kirchenr. §. 342.
Erſtes Buch. §. 71.
ſchehen, ſo hebt auch die blos einſtweilige und als vorüber-
gehend erklärte Unterbrechung der Herrſchaft das ſchon er-
langte Eigenthum nicht wieder auf Bloß wörtliche Erklä-
rungen dagegen und vergängliche lebloſe Zeichen einer beab-
ſichtigten Aneignung ſind rechtlich ungenügend, weil der That-
ſache widerſprechend und die Abſicht in Zweifel ſtellend, ob-
gleich man in der früheren Staatspraxis auch derartige Mit-
tel geltend gemacht hat. 1

Eine Beſitzergreifung kann übrigens durch Bevollmächtigte,
ſowohl auf Grund allgemeiner 2 wie ſpecieller Vollmachten vollzo-
gen werden, und giebt dann vom Augenblick der Vollziehung dem
Machtgeber das Eigenthum. Sie kann ſelbſt vermöge einer Ge-
ſchäftsführung für einen andern Herrn mit hinzukommender Rati-
habition deſſelben vor ſich gehn, in welchem Fall Beſitz und
Eigenthum für dieſen jedoch erſt mit der Genehmigung, alſo erſt
nach erlangter Kenntniß beginnt. 3 Haben mehrere zugleich für
ſich Eigenthumsbeſitz von derſelben Sache ohne Beſchränkung auf
einzelne Theile ergriffen, ſo entſteht dadurch ein Miteigenthum. 4

Verfügungen über das Staaten-Eigenthum.

71. Die rechtlich möglichen Verfügungen über einzelne Gegen-
ſtände des Staatseigenthums ſind im Allgemeinen dieſelben, wie
über Privateigenthum und Vermögensrechte. Zu den bemerkens-
werthern gehört, nächſt den eigentlichen Veräußerungen (§. 72.)

I. die Conſtituirung einer bleibenden Rente zu Gunſten eines
1 Hiermit ſtimmen die Meiſten überein, namentlich Groot. S. auch Vattel I, 18,
207. 208. Günther II, 11. Ueber den Streit, welchen Bynkershoek de domin.
mar. c.
1. erregte, ſ. die ausführliche Anmerkung von Klüber dr. d. g. §. 126.
2 Beiſpiele davon bei Wheaton intern. L. I, p. 209. Eine ſtillſchweigende
Vollmacht für alle Unterthanen eines Staates exiſtirt nicht. Nur der Sclave
einer Staatsgewalt würde für ſie unmittelbar erwerben.
3 L. 24. D. de negot. gest. und die Regel: ignoranti possessio non ac-
quiritur,
alſo auch nicht das Recht, welches ſie ferner gewährt. Vergl.
v. Savigny Beſitz S. 365.
4 Streitigkeiten ſchlichtete bei neuen Entdeckungen in älterer Zeit der Pabſt.
Die Theilung der Indien zwiſchen Portugal und Spanien durch ihn iſt
bekannt. S. die Bullen v. 1454 1481. 1493. in Du Mont Corps univ.
III, 1, 200. III,2, 302. Schmauss C. jur. gent. I,
112. 130. Vgl.
Günther II, 7. Walter, Kirchenr. §. 342.
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[126/0150] Erſtes Buch. §. 71. ſchehen, ſo hebt auch die blos einſtweilige und als vorüber- gehend erklärte Unterbrechung der Herrſchaft das ſchon er- langte Eigenthum nicht wieder auf Bloß wörtliche Erklä- rungen dagegen und vergängliche lebloſe Zeichen einer beab- ſichtigten Aneignung ſind rechtlich ungenügend, weil der That- ſache widerſprechend und die Abſicht in Zweifel ſtellend, ob- gleich man in der früheren Staatspraxis auch derartige Mit- tel geltend gemacht hat. 1 Eine Beſitzergreifung kann übrigens durch Bevollmächtigte, ſowohl auf Grund allgemeiner 2 wie ſpecieller Vollmachten vollzo- gen werden, und giebt dann vom Augenblick der Vollziehung dem Machtgeber das Eigenthum. Sie kann ſelbſt vermöge einer Ge- ſchäftsführung für einen andern Herrn mit hinzukommender Rati- habition deſſelben vor ſich gehn, in welchem Fall Beſitz und Eigenthum für dieſen jedoch erſt mit der Genehmigung, alſo erſt nach erlangter Kenntniß beginnt. 3 Haben mehrere zugleich für ſich Eigenthumsbeſitz von derſelben Sache ohne Beſchränkung auf einzelne Theile ergriffen, ſo entſteht dadurch ein Miteigenthum. 4 Verfügungen über das Staaten-Eigenthum. 71. Die rechtlich möglichen Verfügungen über einzelne Gegen- ſtände des Staatseigenthums ſind im Allgemeinen dieſelben, wie über Privateigenthum und Vermögensrechte. Zu den bemerkens- werthern gehört, nächſt den eigentlichen Veräußerungen (§. 72.) I. die Conſtituirung einer bleibenden Rente zu Gunſten eines 1 Hiermit ſtimmen die Meiſten überein, namentlich Groot. S. auch Vattel I, 18, 207. 208. Günther II, 11. Ueber den Streit, welchen Bynkershoek de domin. mar. c. 1. erregte, ſ. die ausführliche Anmerkung von Klüber dr. d. g. §. 126. 2 Beiſpiele davon bei Wheaton intern. L. I, p. 209. Eine ſtillſchweigende Vollmacht für alle Unterthanen eines Staates exiſtirt nicht. Nur der Sclave einer Staatsgewalt würde für ſie unmittelbar erwerben. 3 L. 24. D. de negot. gest. und die Regel: ignoranti possessio non ac- quiritur, alſo auch nicht das Recht, welches ſie ferner gewährt. Vergl. v. Savigny Beſitz S. 365. 4 Streitigkeiten ſchlichtete bei neuen Entdeckungen in älterer Zeit der Pabſt. Die Theilung der Indien zwiſchen Portugal und Spanien durch ihn iſt bekannt. S. die Bullen v. 1454 1481. 1493. in Du Mont Corps univ. III, 1, 200. III,2, 302. Schmauss C. jur. gent. I, 112. 130. Vgl. Günther II, 7. Walter, Kirchenr. §. 342.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/150>, abgerufen am 19.04.2024.