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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 135.
eigenen Staatsgewält überläßt. Daß es großartiger und edler
ist, solche Ausnahmen nicht zu gestatten, da es besonders mit der
Wiederausgleichung des den Einzelnen zugefügten Schadens sehr
mißlich steht, und durch eine solche Gewaltmaaßregel gewöhnlich
nur Unschuldige betroffen werden, ist in neuester Zeit sogar in der
Praxis nur selten verkannt worden. -- Sollte außer den obigen
Fällen einem feindlichen Unterthan von seiner persönlichen Habe
durch einen Krieger der Gegenpartei Etwas weggenommen wer-
den, so ist dieses zwar aus dem Gesichtspunct der heutigen Mi-
litärdisciplin eine ungiltige Beute und der Wegnehmende kann sich
seinem Vorgesetzten gegenüber der Herausgabe an den bisherigen
Eigenthümer nicht entziehen; wird diese jedoch nicht erlangt, so wer-
den dergleichen Sachen nichtsdestoweniger mit dem Friedensschlusse
die Natur giltiger Kriegsbeute annehmen. Daß sich dagegen auch
ein Privatmann einem feindlichen Unterthan und sogar Krieger
gegenüber, dessen Habseligkeiten jener sich ohne besondere Autori-
sation zugeeignet hat, auf ein Recht der Beute berufen könne, wird
aus dem heutigen Standpunct gewiß bestritten werden dürfen. 1

In Beziehung auf die Person des Erwerbers unterscheidet der
allerdings durch kein Völkergesetz gebundene aber gewöhnliche Ge-
brauch der Staaten einerseits diejenigen Sachen, welche zur Aus-
rüstung eines Kriegsheeres gehören und zu kriegerischen Operatio-
nen dienen, ohne dem einzelnen Krieger einen unmittelbaren Ge-
brauch oder Nutzen zu gewähren; andererseits solche Sachen,
welche einen unmittelbaren Werth für den Einzelnen haben. Letz-
tere, wie z. B. Geld, einzelne Armaturstücke und Kostbarkeiten wer-
den regelmäßig dem beutemachenden Krieger oder dem dabei ge-
meinschaftlich concurrirenden Truppentheil überlassen; erstere hinge-
gen, z. B. schweres Geschütz, ganze Convois, Magazine und dgl.
behalten sich die Kriegsherren gewöhnlich selbst vor, allenfalls
gegen eine Vergütigung an die Beutemachenden. 2 Jedoch bleibt

1 Eine entgegengesetzte Ansicht findet sich noch bei Struben, Rechtl. Be-
denken II, Nr. 20. S. aber schon Pufendorf VIII, 6, 21. Auch das
Allg. Preuß. Landrecht I, 9, §. 193. 197. stellt den Grundsatz auf: das
Recht Beute zu machen, kann nur vom Staat ertheilt werden. Und: ge-
gen denjenigen feindlichen Unterthan, der weder zur Armee gehört noch der-
selben folgt, kann nur mit ausdrücklicher Erlaubniß der Befehlshaber der Trup-
pen Beute gemacht werden.
2 Vgl. z. B. das A. L. R. für die Preußischen Staaten I, 9, §. 195 sq.

Zweites Buch. §. 135.
eigenen Staatsgewält überläßt. Daß es großartiger und edler
iſt, ſolche Ausnahmen nicht zu geſtatten, da es beſonders mit der
Wiederausgleichung des den Einzelnen zugefügten Schadens ſehr
mißlich ſteht, und durch eine ſolche Gewaltmaaßregel gewöhnlich
nur Unſchuldige betroffen werden, iſt in neueſter Zeit ſogar in der
Praxis nur ſelten verkannt worden. — Sollte außer den obigen
Fällen einem feindlichen Unterthan von ſeiner perſönlichen Habe
durch einen Krieger der Gegenpartei Etwas weggenommen wer-
den, ſo iſt dieſes zwar aus dem Geſichtspunct der heutigen Mi-
litärdisciplin eine ungiltige Beute und der Wegnehmende kann ſich
ſeinem Vorgeſetzten gegenüber der Herausgabe an den bisherigen
Eigenthümer nicht entziehen; wird dieſe jedoch nicht erlangt, ſo wer-
den dergleichen Sachen nichtsdeſtoweniger mit dem Friedensſchluſſe
die Natur giltiger Kriegsbeute annehmen. Daß ſich dagegen auch
ein Privatmann einem feindlichen Unterthan und ſogar Krieger
gegenüber, deſſen Habſeligkeiten jener ſich ohne beſondere Autori-
ſation zugeeignet hat, auf ein Recht der Beute berufen könne, wird
aus dem heutigen Standpunct gewiß beſtritten werden dürfen. 1

In Beziehung auf die Perſon des Erwerbers unterſcheidet der
allerdings durch kein Völkergeſetz gebundene aber gewöhnliche Ge-
brauch der Staaten einerſeits diejenigen Sachen, welche zur Aus-
rüſtung eines Kriegsheeres gehören und zu kriegeriſchen Operatio-
nen dienen, ohne dem einzelnen Krieger einen unmittelbaren Ge-
brauch oder Nutzen zu gewähren; andererſeits ſolche Sachen,
welche einen unmittelbaren Werth für den Einzelnen haben. Letz-
tere, wie z. B. Geld, einzelne Armaturſtücke und Koſtbarkeiten wer-
den regelmäßig dem beutemachenden Krieger oder dem dabei ge-
meinſchaftlich concurrirenden Truppentheil überlaſſen; erſtere hinge-
gen, z. B. ſchweres Geſchütz, ganze Convois, Magazine und dgl.
behalten ſich die Kriegsherren gewöhnlich ſelbſt vor, allenfalls
gegen eine Vergütigung an die Beutemachenden. 2 Jedoch bleibt

1 Eine entgegengeſetzte Anſicht findet ſich noch bei Struben, Rechtl. Be-
denken II, Nr. 20. S. aber ſchon Pufendorf VIII, 6, 21. Auch das
Allg. Preuß. Landrecht I, 9, §. 193. 197. ſtellt den Grundſatz auf: das
Recht Beute zu machen, kann nur vom Staat ertheilt werden. Und: ge-
gen denjenigen feindlichen Unterthan, der weder zur Armee gehört noch der-
ſelben folgt, kann nur mit ausdrücklicher Erlaubniß der Befehlshaber der Trup-
pen Beute gemacht werden.
2 Vgl. z. B. das A. L. R. für die Preußiſchen Staaten I, 9, §. 195 sq.
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[228/0252] Zweites Buch. §. 135. eigenen Staatsgewält überläßt. Daß es großartiger und edler iſt, ſolche Ausnahmen nicht zu geſtatten, da es beſonders mit der Wiederausgleichung des den Einzelnen zugefügten Schadens ſehr mißlich ſteht, und durch eine ſolche Gewaltmaaßregel gewöhnlich nur Unſchuldige betroffen werden, iſt in neueſter Zeit ſogar in der Praxis nur ſelten verkannt worden. — Sollte außer den obigen Fällen einem feindlichen Unterthan von ſeiner perſönlichen Habe durch einen Krieger der Gegenpartei Etwas weggenommen wer- den, ſo iſt dieſes zwar aus dem Geſichtspunct der heutigen Mi- litärdisciplin eine ungiltige Beute und der Wegnehmende kann ſich ſeinem Vorgeſetzten gegenüber der Herausgabe an den bisherigen Eigenthümer nicht entziehen; wird dieſe jedoch nicht erlangt, ſo wer- den dergleichen Sachen nichtsdeſtoweniger mit dem Friedensſchluſſe die Natur giltiger Kriegsbeute annehmen. Daß ſich dagegen auch ein Privatmann einem feindlichen Unterthan und ſogar Krieger gegenüber, deſſen Habſeligkeiten jener ſich ohne beſondere Autori- ſation zugeeignet hat, auf ein Recht der Beute berufen könne, wird aus dem heutigen Standpunct gewiß beſtritten werden dürfen. 1 In Beziehung auf die Perſon des Erwerbers unterſcheidet der allerdings durch kein Völkergeſetz gebundene aber gewöhnliche Ge- brauch der Staaten einerſeits diejenigen Sachen, welche zur Aus- rüſtung eines Kriegsheeres gehören und zu kriegeriſchen Operatio- nen dienen, ohne dem einzelnen Krieger einen unmittelbaren Ge- brauch oder Nutzen zu gewähren; andererſeits ſolche Sachen, welche einen unmittelbaren Werth für den Einzelnen haben. Letz- tere, wie z. B. Geld, einzelne Armaturſtücke und Koſtbarkeiten wer- den regelmäßig dem beutemachenden Krieger oder dem dabei ge- meinſchaftlich concurrirenden Truppentheil überlaſſen; erſtere hinge- gen, z. B. ſchweres Geſchütz, ganze Convois, Magazine und dgl. behalten ſich die Kriegsherren gewöhnlich ſelbſt vor, allenfalls gegen eine Vergütigung an die Beutemachenden. 2 Jedoch bleibt 1 Eine entgegengeſetzte Anſicht findet ſich noch bei Struben, Rechtl. Be- denken II, Nr. 20. S. aber ſchon Pufendorf VIII, 6, 21. Auch das Allg. Preuß. Landrecht I, 9, §. 193. 197. ſtellt den Grundſatz auf: das Recht Beute zu machen, kann nur vom Staat ertheilt werden. Und: ge- gen denjenigen feindlichen Unterthan, der weder zur Armee gehört noch der- ſelben folgt, kann nur mit ausdrücklicher Erlaubniß der Befehlshaber der Trup- pen Beute gemacht werden. 2 Vgl. z. B. das A. L. R. für die Preußiſchen Staaten I, 9, §. 195 sq.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/252>, abgerufen am 25.04.2024.