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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 152.
mit einander, aus welchem nur Ein Staat nach ungeheueren An-
strengungen mit einer Größe und Bedeutung hervorgegangen ist,
wie ihn in bleibender Gestalt weder die alte noch neue Welt bis-
her gesehen hat. Mit Hinsicht auf ihn hat sich die ganze neuere
Seekriegspraxis gestaltet. Scheinbar dem alten einfachen Recht
früherer Jahrhunderte anhängend, Abweichungen davon nur der
Vertragswillkühr zuweisend, hat der gedachte Staat nicht der Mit-
tel ermangelt bei Anwendung seiner Grundsätze sein Uebergewicht
allen anderen Staaten fühlbar zu machen, ja zuweilen jene zu einer
unerträglichen Strenge auszudehnen, wodurch eine Reaction unver-
meidlich und nothwendig ward. Eine solche trat vornehmlich seit
dem siebzehnten Jahrhundert während der oftmaligen Kriege Groß-
britanniens mit Spanien und Frankreich hervor; die letztere Macht
unter Ludwig XIV. schuf sich selbst, mit Lossagung von dem bis-
herigen gemeinsamen und dem Aufblühen des Handels verderbli-
chen Systeme einen neuen Seecodex in dem Meisterwerk der Or-
donnanz von 1681, deren Grundsätze 1 allmälig immer größeren
Beifall fanden. Noch compacter ward die Reaction gegen Ende des
vorigen Jahrhunderts, während des Nordamericanischen und Fran-
zösischen Revolutionskrieges. Einer nordischen Minerva entsprang
unter Panins Beihilfe das System der bewaffneten Neutralität,
unterstützt von dem Anschluß mehrerer Seemächte, zur Handhabung
bestimmter Grundsätze 2 dem Britischen Dreizeck gegenüber, wodurch,

1 Ihr liegen allerdings schon einige ältere Reglements zum Grunde, allein
Ludwig XIV. gestaltete diese erst zu einem Systeme. Das Seerecht wurde
dadurch zwar particularisirt, allein auch dieser Weg mußte erst durchgegan-
gen werden, um im Kampfe über die Principien zu sicheren völkerrechtli-
chen Regeln zu gelangen.
2 Der ersten Erklärung des Russischen Hofes vom 28. Febr. 1780. gemäß
sind es diese:
1) Que les vaisseaux neutres puissent naviguer librement de port en
port sur les cotes des nations en guerre;

2) que les effets apartenans aux sujets des dites puissances en guerre
soient libres sur les vaisseaux neutres a l'exception des marchan-
dise de contrebande;

3) que l'imperatrice se tient quant a la fixation de celles-ci a ce
qui est enonce dans l'Art. X. et XI. de son traite de commerce
avec la Grande-Britagne en etendant ces obligations a toutes les
puissances en guerre;

4) que pour determiner ce qui characterise un port bloque on n'ac-

Zweites Buch. §. 152.
mit einander, aus welchem nur Ein Staat nach ungeheueren An-
ſtrengungen mit einer Größe und Bedeutung hervorgegangen iſt,
wie ihn in bleibender Geſtalt weder die alte noch neue Welt bis-
her geſehen hat. Mit Hinſicht auf ihn hat ſich die ganze neuere
Seekriegspraxis geſtaltet. Scheinbar dem alten einfachen Recht
früherer Jahrhunderte anhängend, Abweichungen davon nur der
Vertragswillkühr zuweiſend, hat der gedachte Staat nicht der Mit-
tel ermangelt bei Anwendung ſeiner Grundſätze ſein Uebergewicht
allen anderen Staaten fühlbar zu machen, ja zuweilen jene zu einer
unerträglichen Strenge auszudehnen, wodurch eine Reaction unver-
meidlich und nothwendig ward. Eine ſolche trat vornehmlich ſeit
dem ſiebzehnten Jahrhundert während der oftmaligen Kriege Groß-
britanniens mit Spanien und Frankreich hervor; die letztere Macht
unter Ludwig XIV. ſchuf ſich ſelbſt, mit Losſagung von dem bis-
herigen gemeinſamen und dem Aufblühen des Handels verderbli-
chen Syſteme einen neuen Seecodex in dem Meiſterwerk der Or-
donnanz von 1681, deren Grundſätze 1 allmälig immer größeren
Beifall fanden. Noch compacter ward die Reaction gegen Ende des
vorigen Jahrhunderts, während des Nordamericaniſchen und Fran-
zöſiſchen Revolutionskrieges. Einer nordiſchen Minerva entſprang
unter Panins Beihilfe das Syſtem der bewaffneten Neutralität,
unterſtützt von dem Anſchluß mehrerer Seemächte, zur Handhabung
beſtimmter Grundſätze 2 dem Britiſchen Dreizeck gegenüber, wodurch,

1 Ihr liegen allerdings ſchon einige ältere Reglements zum Grunde, allein
Ludwig XIV. geſtaltete dieſe erſt zu einem Syſteme. Das Seerecht wurde
dadurch zwar particulariſirt, allein auch dieſer Weg mußte erſt durchgegan-
gen werden, um im Kampfe über die Principien zu ſicheren völkerrechtli-
chen Regeln zu gelangen.
2 Der erſten Erklärung des Ruſſiſchen Hofes vom 28. Febr. 1780. gemäß
ſind es dieſe:
1) Que les vaisseaux neutres puissent naviguer librement de port en
port sur les côtes des nations en guerre;

2) que les effets apartenans aux sujets des dites puissances en guerre
soient libres sur les vaisseaux neutres à l’exception des marchan-
dise de contrebande;

3) que l’impératrice se tient quant à la fixation de celles-ci à ce
qui est enoncé dans l’Art. X. et XI. de son traité de commerce
avec la Grande-Britagne en étendant ces obligations à toutes les
puissances en guerre;

4) que pour déterminer ce qui characterise un port bloqué on n’ac-
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[254/0278] Zweites Buch. §. 152. mit einander, aus welchem nur Ein Staat nach ungeheueren An- ſtrengungen mit einer Größe und Bedeutung hervorgegangen iſt, wie ihn in bleibender Geſtalt weder die alte noch neue Welt bis- her geſehen hat. Mit Hinſicht auf ihn hat ſich die ganze neuere Seekriegspraxis geſtaltet. Scheinbar dem alten einfachen Recht früherer Jahrhunderte anhängend, Abweichungen davon nur der Vertragswillkühr zuweiſend, hat der gedachte Staat nicht der Mit- tel ermangelt bei Anwendung ſeiner Grundſätze ſein Uebergewicht allen anderen Staaten fühlbar zu machen, ja zuweilen jene zu einer unerträglichen Strenge auszudehnen, wodurch eine Reaction unver- meidlich und nothwendig ward. Eine ſolche trat vornehmlich ſeit dem ſiebzehnten Jahrhundert während der oftmaligen Kriege Groß- britanniens mit Spanien und Frankreich hervor; die letztere Macht unter Ludwig XIV. ſchuf ſich ſelbſt, mit Losſagung von dem bis- herigen gemeinſamen und dem Aufblühen des Handels verderbli- chen Syſteme einen neuen Seecodex in dem Meiſterwerk der Or- donnanz von 1681, deren Grundſätze 1 allmälig immer größeren Beifall fanden. Noch compacter ward die Reaction gegen Ende des vorigen Jahrhunderts, während des Nordamericaniſchen und Fran- zöſiſchen Revolutionskrieges. Einer nordiſchen Minerva entſprang unter Panins Beihilfe das Syſtem der bewaffneten Neutralität, unterſtützt von dem Anſchluß mehrerer Seemächte, zur Handhabung beſtimmter Grundſätze 2 dem Britiſchen Dreizeck gegenüber, wodurch, 1 Ihr liegen allerdings ſchon einige ältere Reglements zum Grunde, allein Ludwig XIV. geſtaltete dieſe erſt zu einem Syſteme. Das Seerecht wurde dadurch zwar particulariſirt, allein auch dieſer Weg mußte erſt durchgegan- gen werden, um im Kampfe über die Principien zu ſicheren völkerrechtli- chen Regeln zu gelangen. 2 Der erſten Erklärung des Ruſſiſchen Hofes vom 28. Febr. 1780. gemäß ſind es dieſe: 1) Que les vaisseaux neutres puissent naviguer librement de port en port sur les côtes des nations en guerre; 2) que les effets apartenans aux sujets des dites puissances en guerre soient libres sur les vaisseaux neutres à l’exception des marchan- dise de contrebande; 3) que l’impératrice se tient quant à la fixation de celles-ci à ce qui est enoncé dans l’Art. X. et XI. de son traité de commerce avec la Grande-Britagne en étendant ces obligations à toutes les puissances en guerre; 4) que pour déterminer ce qui characterise un port bloqué on n’ac-

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/278>, abgerufen am 24.04.2024.