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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Drittes Buch. §. 217.
päischen christlichen Höfen selbst für die Person ihres Gefolges,
so viel bekannt, nirgends eingeräumt, sondern sie vollziehen hier
nur etwanige Requisitionen, insbesondere Zeugenverhöre, und zwar
Alles dieses nach den Gesetzen ihres Heimathsstaates.

Daß jeder Gesandter in Betreff seiner Hausgenossen, welche
nicht beigeordnete Beamte sind, wenigstens das Recht einer mäßi-
gen Züchtigung oder eine s. g. Correctionalgerichtsbarkeit habe, ist
zwar in älterer Zeit oft als Regel behauptet worden, allein nach
den jetzigen Staatseinrichtungen entweder überhaupt nicht oder doch
nur sehr ausnahmsweise zuzugeben. 1

Besondere Immunitäten der Gesandten.

217. Zu allen bisherigen Privilegien haben sich ohne Zweifel
durch Ausdehnung des Exterritorialitätsbegriffs und durch Rück-
sichten der Hospitalität auch noch manche andere Befreiungen, ins-
besondere eine allgemeine Abgabenfreiheit gesellt, worin jedoch eine
innere Nothwendigkeit oder Consequenz des gesandtschaftlichen Cha-
racters nicht erkannt zu werden vermag. Zwar eine Befreiung von
allen regelmäßigen persönlichen Staatslasten folgt schon aus der
gewöhnlich dem Gesandten anklebenden Eigenschaft eines Auslän-
ders; allein sie wird auch noch auf indirecte Abgaben ausgedehnt,
so daß die Artikel für den Bedarf der Gesandtschaft zollfrei aus
dem Auslande von den Gesandtschaften bezogen werden können.
Inzwischen hat man in neuerer Zeit von Seiten der Regierungen
gewisse Grenzen gesetzt, da eine Verbindlichkeit zur Bewilligung der-
artiger Privilegien durchaus nicht vorhanden ist. Ein Gesandter
kann sich sogar nicht einmal der zur Sicherstellung des Abgaben-
interesse nothwendigen Durchsuchungen entziehen, wenn nur sein
Hotel und sein Staatswagen unberührt bleibt, und er die Versiche-
rung giebt, daß sich keine Contrebande darin befindet.

In keinem Falle erstreckt sich die Abgabenfreiheit der Gesandten

a. auf dingliche Lasten, welche auf den dem Gesandten zugehö-
rigen Grundstücken haften;
b. auf persönliche Lasten für die Ausübung staatsbürgerlicher
Befugnisse, welche mit dem gesandtschaftlichen Character nichts
gemein haben; z. B. auf Abgaben für die Ausübung eines
gewissen Handels;

1 Vgl. Merlin a. a. O. IV, n. 4 f.

Drittes Buch. §. 217.
päiſchen chriſtlichen Höfen ſelbſt für die Perſon ihres Gefolges,
ſo viel bekannt, nirgends eingeräumt, ſondern ſie vollziehen hier
nur etwanige Requiſitionen, insbeſondere Zeugenverhöre, und zwar
Alles dieſes nach den Geſetzen ihres Heimathsſtaates.

Daß jeder Geſandter in Betreff ſeiner Hausgenoſſen, welche
nicht beigeordnete Beamte ſind, wenigſtens das Recht einer mäßi-
gen Züchtigung oder eine ſ. g. Correctionalgerichtsbarkeit habe, iſt
zwar in älterer Zeit oft als Regel behauptet worden, allein nach
den jetzigen Staatseinrichtungen entweder überhaupt nicht oder doch
nur ſehr ausnahmsweiſe zuzugeben. 1

Beſondere Immunitäten der Geſandten.

217. Zu allen bisherigen Privilegien haben ſich ohne Zweifel
durch Ausdehnung des Exterritorialitätsbegriffs und durch Rück-
ſichten der Hospitalität auch noch manche andere Befreiungen, ins-
beſondere eine allgemeine Abgabenfreiheit geſellt, worin jedoch eine
innere Nothwendigkeit oder Conſequenz des geſandtſchaftlichen Cha-
racters nicht erkannt zu werden vermag. Zwar eine Befreiung von
allen regelmäßigen perſönlichen Staatslaſten folgt ſchon aus der
gewöhnlich dem Geſandten anklebenden Eigenſchaft eines Auslän-
ders; allein ſie wird auch noch auf indirecte Abgaben ausgedehnt,
ſo daß die Artikel für den Bedarf der Geſandtſchaft zollfrei aus
dem Auslande von den Geſandtſchaften bezogen werden können.
Inzwiſchen hat man in neuerer Zeit von Seiten der Regierungen
gewiſſe Grenzen geſetzt, da eine Verbindlichkeit zur Bewilligung der-
artiger Privilegien durchaus nicht vorhanden iſt. Ein Geſandter
kann ſich ſogar nicht einmal der zur Sicherſtellung des Abgaben-
intereſſe nothwendigen Durchſuchungen entziehen, wenn nur ſein
Hotel und ſein Staatswagen unberührt bleibt, und er die Verſiche-
rung giebt, daß ſich keine Contrebande darin befindet.

In keinem Falle erſtreckt ſich die Abgabenfreiheit der Geſandten

a. auf dingliche Laſten, welche auf den dem Geſandten zugehö-
rigen Grundſtücken haften;
b. auf perſönliche Laſten für die Ausübung ſtaatsbürgerlicher
Befugniſſe, welche mit dem geſandtſchaftlichen Character nichts
gemein haben; z. B. auf Abgaben für die Ausübung eines
gewiſſen Handels;

1 Vgl. Merlin a. a. O. IV, n. 4 f.
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[356/0380] Drittes Buch. §. 217. päiſchen chriſtlichen Höfen ſelbſt für die Perſon ihres Gefolges, ſo viel bekannt, nirgends eingeräumt, ſondern ſie vollziehen hier nur etwanige Requiſitionen, insbeſondere Zeugenverhöre, und zwar Alles dieſes nach den Geſetzen ihres Heimathsſtaates. Daß jeder Geſandter in Betreff ſeiner Hausgenoſſen, welche nicht beigeordnete Beamte ſind, wenigſtens das Recht einer mäßi- gen Züchtigung oder eine ſ. g. Correctionalgerichtsbarkeit habe, iſt zwar in älterer Zeit oft als Regel behauptet worden, allein nach den jetzigen Staatseinrichtungen entweder überhaupt nicht oder doch nur ſehr ausnahmsweiſe zuzugeben. 1 Beſondere Immunitäten der Geſandten. 217. Zu allen bisherigen Privilegien haben ſich ohne Zweifel durch Ausdehnung des Exterritorialitätsbegriffs und durch Rück- ſichten der Hospitalität auch noch manche andere Befreiungen, ins- beſondere eine allgemeine Abgabenfreiheit geſellt, worin jedoch eine innere Nothwendigkeit oder Conſequenz des geſandtſchaftlichen Cha- racters nicht erkannt zu werden vermag. Zwar eine Befreiung von allen regelmäßigen perſönlichen Staatslaſten folgt ſchon aus der gewöhnlich dem Geſandten anklebenden Eigenſchaft eines Auslän- ders; allein ſie wird auch noch auf indirecte Abgaben ausgedehnt, ſo daß die Artikel für den Bedarf der Geſandtſchaft zollfrei aus dem Auslande von den Geſandtſchaften bezogen werden können. Inzwiſchen hat man in neuerer Zeit von Seiten der Regierungen gewiſſe Grenzen geſetzt, da eine Verbindlichkeit zur Bewilligung der- artiger Privilegien durchaus nicht vorhanden iſt. Ein Geſandter kann ſich ſogar nicht einmal der zur Sicherſtellung des Abgaben- intereſſe nothwendigen Durchſuchungen entziehen, wenn nur ſein Hotel und ſein Staatswagen unberührt bleibt, und er die Verſiche- rung giebt, daß ſich keine Contrebande darin befindet. In keinem Falle erſtreckt ſich die Abgabenfreiheit der Geſandten a. auf dingliche Laſten, welche auf den dem Geſandten zugehö- rigen Grundſtücken haften; b. auf perſönliche Laſten für die Ausübung ſtaatsbürgerlicher Befugniſſe, welche mit dem geſandtſchaftlichen Character nichts gemein haben; z. B. auf Abgaben für die Ausübung eines gewiſſen Handels; 1 Vgl. Merlin a. a. O. IV, n. 4 f.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/380>, abgerufen am 28.03.2024.