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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

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Erstes Buch. II. Abschnitt.

Das Quantum aber, das als gleichgültige Grenze
aufgehoben und qualitativ bestimmt ist, ist das quanti-
tative Verhältniß
. Im Verhältnisse ist das Quan-
tum sich äusserlich, von sich selbst verschieden; aber diese
seine Aeusserlichkeit, die Beziehung auf das andere Quan-
tum, macht zugleich seine Bestimmtheit aus; es hat darin
nicht eine gleichgültige, sondern qualitative Bestimmung;
es ist in seiner Aeusserlichkeit in sich zurückgekehrt.

Anmerkung.

Das mathematische Unendliche ist eines-
theils interessant durch die Erweiterung der Mathematik
und die großen Resultate, welche seine Einführung in
dieselbe hervorgebracht hat; anderntheils aber ist es da-
durch merkwürdig, daß es dieser Wissenschaft noch nicht
gelungen ist, sich über den Gebrauch desselben durch den
Begriff zu rechtfertigen. Die Rechtfertigungen beruhen
auf der Richtigkeit der mit seiner Hülfe sich ergebenden
Resultate, welche aus sonstigen Gründen
erwiesen ist
; nicht aber auf der Klarheit des Gegen-
standes und der Operation, durch welche die Resultate her-
ausgebracht werden, sogar daß diese Operation vielmehr
als unrichtig zugegeben wird.

Diß ist schon ein Mißstand an und für sich, denn
ein solches Verfahren ist unwissenschaftlich. Es führt
aber auch den Nachtheil mit sich, daß die Mathematik,
indem sie die Natur dieses ihres Instruments nicht kennt,
weil sie mit der Metaphysik oder Kritik desselben nicht
fertig ist, den Umfang seiner Anwendung nicht bestim-
men, und von Misbräuchen desselben sich nicht sichern
kann.

In philosophischer Rücksicht aber ist das mathema-
tische Unendliche darum wichtig, weil ihm in der That

der
Erſtes Buch. II. Abſchnitt.

Das Quantum aber, das als gleichguͤltige Grenze
aufgehoben und qualitativ beſtimmt iſt, iſt das quanti-
tative Verhaͤltniß
. Im Verhaͤltniſſe iſt das Quan-
tum ſich aͤuſſerlich, von ſich ſelbſt verſchieden; aber dieſe
ſeine Aeuſſerlichkeit, die Beziehung auf das andere Quan-
tum, macht zugleich ſeine Beſtimmtheit aus; es hat darin
nicht eine gleichguͤltige, ſondern qualitative Beſtimmung;
es iſt in ſeiner Aeuſſerlichkeit in ſich zuruͤckgekehrt.

Anmerkung.

Das mathematiſche Unendliche iſt eines-
theils intereſſant durch die Erweiterung der Mathematik
und die großen Reſultate, welche ſeine Einfuͤhrung in
dieſelbe hervorgebracht hat; anderntheils aber iſt es da-
durch merkwuͤrdig, daß es dieſer Wiſſenſchaft noch nicht
gelungen iſt, ſich uͤber den Gebrauch deſſelben durch den
Begriff zu rechtfertigen. Die Rechtfertigungen beruhen
auf der Richtigkeit der mit ſeiner Huͤlfe ſich ergebenden
Reſultate, welche aus ſonſtigen Gruͤnden
erwieſen iſt
; nicht aber auf der Klarheit des Gegen-
ſtandes und der Operation, durch welche die Reſultate her-
ausgebracht werden, ſogar daß dieſe Operation vielmehr
als unrichtig zugegeben wird.

Diß iſt ſchon ein Mißſtand an und fuͤr ſich, denn
ein ſolches Verfahren iſt unwiſſenſchaftlich. Es fuͤhrt
aber auch den Nachtheil mit ſich, daß die Mathematik,
indem ſie die Natur dieſes ihres Inſtruments nicht kennt,
weil ſie mit der Metaphyſik oder Kritik deſſelben nicht
fertig iſt, den Umfang ſeiner Anwendung nicht beſtim-
men, und von Misbraͤuchen deſſelben ſich nicht ſichern
kann.

In philoſophiſcher Ruͤckſicht aber iſt das mathema-
tiſche Unendliche darum wichtig, weil ihm in der That

der
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[206/0254] Erſtes Buch. II. Abſchnitt. Das Quantum aber, das als gleichguͤltige Grenze aufgehoben und qualitativ beſtimmt iſt, iſt das quanti- tative Verhaͤltniß. Im Verhaͤltniſſe iſt das Quan- tum ſich aͤuſſerlich, von ſich ſelbſt verſchieden; aber dieſe ſeine Aeuſſerlichkeit, die Beziehung auf das andere Quan- tum, macht zugleich ſeine Beſtimmtheit aus; es hat darin nicht eine gleichguͤltige, ſondern qualitative Beſtimmung; es iſt in ſeiner Aeuſſerlichkeit in ſich zuruͤckgekehrt. Anmerkung. Das mathematiſche Unendliche iſt eines- theils intereſſant durch die Erweiterung der Mathematik und die großen Reſultate, welche ſeine Einfuͤhrung in dieſelbe hervorgebracht hat; anderntheils aber iſt es da- durch merkwuͤrdig, daß es dieſer Wiſſenſchaft noch nicht gelungen iſt, ſich uͤber den Gebrauch deſſelben durch den Begriff zu rechtfertigen. Die Rechtfertigungen beruhen auf der Richtigkeit der mit ſeiner Huͤlfe ſich ergebenden Reſultate, welche aus ſonſtigen Gruͤnden erwieſen iſt; nicht aber auf der Klarheit des Gegen- ſtandes und der Operation, durch welche die Reſultate her- ausgebracht werden, ſogar daß dieſe Operation vielmehr als unrichtig zugegeben wird. Diß iſt ſchon ein Mißſtand an und fuͤr ſich, denn ein ſolches Verfahren iſt unwiſſenſchaftlich. Es fuͤhrt aber auch den Nachtheil mit ſich, daß die Mathematik, indem ſie die Natur dieſes ihres Inſtruments nicht kennt, weil ſie mit der Metaphyſik oder Kritik deſſelben nicht fertig iſt, den Umfang ſeiner Anwendung nicht beſtim- men, und von Misbraͤuchen deſſelben ſich nicht ſichern kann. In philoſophiſcher Ruͤckſicht aber iſt das mathema- tiſche Unendliche darum wichtig, weil ihm in der That der

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/254>, abgerufen am 28.03.2024.