Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch. I. Abschnitt.
der Beziehung, ob sie gleich auch den Unterschied enthält,
ist eine Einheit desselben mit dem Seyn vorhanden.

Das reine Nichts ist noch nicht das Negative, die
Reflexionsbestimmung gegen das Positive; noch auch die
Schranke; in diesen Bestimmungen hat es unmittelbar die
Bedeutung der Beziehung auf sein Anderes. Sondern
das Nichts ist hier die reine Abwesenheit des Seyns,
das nihil privativum, wie die Finsterniß die Abwesen-
heit des Lichts ist. Wenn sich nun ergab, daß das
Nichts dasselbe ist, als das Seyn, so wird dagegen fest-
gehalten, daß das Nichts kein Seyn für sich selbst hat,
daß es nur, wie gesagt, Abwesenheit des Seyns ist,
wie die Finsterniß nur Abwesenheit des Lichts, welche
Bedeutung nur hat in der Beziehung aufs Auge, in Ver-
gleichung mit dem positiven, dem Lichte. -- Diß alles
heißt aber nichts anders, als daß die Abstraction des
Nichts nichts an und für sich ist, sondern nur in Be-
ziehung auf das Seyn, oder dasselbe, was sich ergeben
hat, daß die Wahrheit nur seine Einheit mit dem Seyn
ist, -- daß die Finsterniß nur etwas ist in Beziehung auf
Licht, wie umgekehrt Seyn nur etwas ist in Beziehung
auf Nichts. Wenn auch die Beziehung oberflächlich und
äusserlich genommen und in ihr vornemlich bey der Unter-
schiedenheit stehen geblieben wird, so ist doch die Einheit
der Bezogenen wesentlich als ein Moment darin enthalten,
und daß jedes nur etwas ist in der Beziehung auf sein
anderes, damit wird gerade der Uebergang des Seyns
und des Nichts ins Daseyn ausgesprochen.

Anmerkung 3.

Das Seyn ist Nichts, das Nichts ist
Seyn
. Es ist schon bemerkt worden, daß der Ausdruck
speculativer Wahrheit durch die Form von einfachen

Sätzen,

Erſtes Buch. I. Abſchnitt.
der Beziehung, ob ſie gleich auch den Unterſchied enthaͤlt,
iſt eine Einheit deſſelben mit dem Seyn vorhanden.

Das reine Nichts iſt noch nicht das Negative, die
Reflexionsbeſtimmung gegen das Poſitive; noch auch die
Schranke; in dieſen Beſtimmungen hat es unmittelbar die
Bedeutung der Beziehung auf ſein Anderes. Sondern
das Nichts iſt hier die reine Abweſenheit des Seyns,
das nihil privativum, wie die Finſterniß die Abweſen-
heit des Lichts iſt. Wenn ſich nun ergab, daß das
Nichts daſſelbe iſt, als das Seyn, ſo wird dagegen feſt-
gehalten, daß das Nichts kein Seyn fuͤr ſich ſelbſt hat,
daß es nur, wie geſagt, Abweſenheit des Seyns iſt,
wie die Finſterniß nur Abweſenheit des Lichts, welche
Bedeutung nur hat in der Beziehung aufs Auge, in Ver-
gleichung mit dem poſitiven, dem Lichte. — Diß alles
heißt aber nichts anders, als daß die Abſtraction des
Nichts nichts an und fuͤr ſich iſt, ſondern nur in Be-
ziehung auf das Seyn, oder daſſelbe, was ſich ergeben
hat, daß die Wahrheit nur ſeine Einheit mit dem Seyn
iſt, — daß die Finſterniß nur etwas iſt in Beziehung auf
Licht, wie umgekehrt Seyn nur etwas iſt in Beziehung
auf Nichts. Wenn auch die Beziehung oberflaͤchlich und
aͤuſſerlich genommen und in ihr vornemlich bey der Unter-
ſchiedenheit ſtehen geblieben wird, ſo iſt doch die Einheit
der Bezogenen weſentlich als ein Moment darin enthalten,
und daß jedes nur etwas iſt in der Beziehung auf ſein
anderes, damit wird gerade der Uebergang des Seyns
und des Nichts ins Daſeyn ausgeſprochen.

Anmerkung 3.

Das Seyn iſt Nichts, das Nichts iſt
Seyn
. Es iſt ſchon bemerkt worden, daß der Ausdruck
ſpeculativer Wahrheit durch die Form von einfachen

Saͤtzen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0086" n="38"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;tes Buch</hi>. <hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#g">Ab&#x017F;chnitt</hi>.</fw><lb/>
der Beziehung, ob &#x017F;ie gleich auch den Unter&#x017F;chied entha&#x0364;lt,<lb/>
i&#x017F;t eine Einheit de&#x017F;&#x017F;elben mit dem Seyn vorhanden.</p><lb/>
                    <p>Das reine Nichts i&#x017F;t noch nicht das Negative, die<lb/>
Reflexionsbe&#x017F;timmung gegen das Po&#x017F;itive; noch auch die<lb/>
Schranke; in die&#x017F;en Be&#x017F;timmungen hat es unmittelbar die<lb/>
Bedeutung der Beziehung auf &#x017F;ein Anderes. Sondern<lb/>
das Nichts i&#x017F;t hier die reine Abwe&#x017F;enheit des Seyns,<lb/>
das <hi rendition="#aq">nihil privativum,</hi> wie die Fin&#x017F;terniß die Abwe&#x017F;en-<lb/>
heit des Lichts i&#x017F;t. Wenn &#x017F;ich nun ergab, daß das<lb/>
Nichts da&#x017F;&#x017F;elbe i&#x017F;t, als das Seyn, &#x017F;o wird dagegen fe&#x017F;t-<lb/>
gehalten, daß das Nichts kein Seyn fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t hat,<lb/>
daß es nur, wie ge&#x017F;agt, Abwe&#x017F;enheit des Seyns i&#x017F;t,<lb/>
wie die Fin&#x017F;terniß nur Abwe&#x017F;enheit des Lichts, welche<lb/>
Bedeutung nur hat in der Beziehung aufs Auge, in Ver-<lb/>
gleichung mit dem po&#x017F;itiven, dem Lichte. &#x2014; Diß alles<lb/>
heißt aber nichts anders, als daß die Ab&#x017F;traction des<lb/>
Nichts nichts an und fu&#x0364;r &#x017F;ich i&#x017F;t, &#x017F;ondern nur in Be-<lb/>
ziehung auf das Seyn, oder da&#x017F;&#x017F;elbe, was &#x017F;ich ergeben<lb/>
hat, daß die Wahrheit nur &#x017F;eine Einheit mit dem Seyn<lb/>
i&#x017F;t, &#x2014; daß die Fin&#x017F;terniß nur etwas i&#x017F;t in Beziehung auf<lb/>
Licht, wie umgekehrt Seyn nur etwas i&#x017F;t in Beziehung<lb/>
auf Nichts. Wenn auch die Beziehung oberfla&#x0364;chlich und<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich genommen und in ihr vornemlich bey der Unter-<lb/>
&#x017F;chiedenheit &#x017F;tehen geblieben wird, &#x017F;o i&#x017F;t doch die Einheit<lb/>
der Bezogenen we&#x017F;entlich als ein Moment darin enthalten,<lb/>
und daß jedes nur <hi rendition="#g">etwas</hi> i&#x017F;t in der Beziehung auf &#x017F;ein<lb/>
anderes, damit wird gerade der Uebergang des Seyns<lb/>
und des Nichts ins <hi rendition="#g">Da&#x017F;eyn</hi> ausge&#x017F;prochen.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Anmerkung</hi> 3.</hi> </head><lb/>
                    <p><hi rendition="#g">Das Seyn i&#x017F;t Nichts, das Nichts i&#x017F;t<lb/>
Seyn</hi>. Es i&#x017F;t &#x017F;chon bemerkt worden, daß der Ausdruck<lb/>
&#x017F;peculativer Wahrheit durch die Form von einfachen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sa&#x0364;tzen,</fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0086] Erſtes Buch. I. Abſchnitt. der Beziehung, ob ſie gleich auch den Unterſchied enthaͤlt, iſt eine Einheit deſſelben mit dem Seyn vorhanden. Das reine Nichts iſt noch nicht das Negative, die Reflexionsbeſtimmung gegen das Poſitive; noch auch die Schranke; in dieſen Beſtimmungen hat es unmittelbar die Bedeutung der Beziehung auf ſein Anderes. Sondern das Nichts iſt hier die reine Abweſenheit des Seyns, das nihil privativum, wie die Finſterniß die Abweſen- heit des Lichts iſt. Wenn ſich nun ergab, daß das Nichts daſſelbe iſt, als das Seyn, ſo wird dagegen feſt- gehalten, daß das Nichts kein Seyn fuͤr ſich ſelbſt hat, daß es nur, wie geſagt, Abweſenheit des Seyns iſt, wie die Finſterniß nur Abweſenheit des Lichts, welche Bedeutung nur hat in der Beziehung aufs Auge, in Ver- gleichung mit dem poſitiven, dem Lichte. — Diß alles heißt aber nichts anders, als daß die Abſtraction des Nichts nichts an und fuͤr ſich iſt, ſondern nur in Be- ziehung auf das Seyn, oder daſſelbe, was ſich ergeben hat, daß die Wahrheit nur ſeine Einheit mit dem Seyn iſt, — daß die Finſterniß nur etwas iſt in Beziehung auf Licht, wie umgekehrt Seyn nur etwas iſt in Beziehung auf Nichts. Wenn auch die Beziehung oberflaͤchlich und aͤuſſerlich genommen und in ihr vornemlich bey der Unter- ſchiedenheit ſtehen geblieben wird, ſo iſt doch die Einheit der Bezogenen weſentlich als ein Moment darin enthalten, und daß jedes nur etwas iſt in der Beziehung auf ſein anderes, damit wird gerade der Uebergang des Seyns und des Nichts ins Daſeyn ausgeſprochen. Anmerkung 3. Das Seyn iſt Nichts, das Nichts iſt Seyn. Es iſt ſchon bemerkt worden, daß der Ausdruck ſpeculativer Wahrheit durch die Form von einfachen Saͤtzen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/86
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/86>, abgerufen am 29.03.2024.