Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch. I. Abschnitt.
hen; unmittelbar hat das Unendliche gleicherweise das
Endliche nicht wahrhaft in sich aufgehoben, sondern hat
es ausser sich.

So das Unendliche gesetzt, ist es das Schlecht-
Unendliche
, oder das Unendliche des Verstandes. Es
ist nicht die Negation der Negation, sondern ist zur ein-
fachen ersten Negation herabgesetzt
. Es ist
das Nichts des Endlichen, welches das Reale ist, es ist
das Leere, bestimmungslose Jenseits des Daseyns.
-- Es ist auf diese Weise wohl die Bestimmung des
Endlichen, unendlich zu werden, aber es hat diese seine
Bestimmung nicht an ihm selbst; sein Ansichseyn ist
nicht in seinem Daseyn, sondern ein Jenseits seiner.

Diß Unendliche ist dieselbe leere Abstraction, die
als Nichts im Anfange dem Seyn gegenüber stand. Dort
war es das unmittelbare Nichts; hier ist es das Nichts,
das aus dem Daseyn zurückkommt und hervorgeht, und
als nur unmittelbare Negation in Beziehung auf dasselbe
steht. Weil ihm das Endliche so als Daseyn gegenüber
bleibt, so hat es seine Grenze an diesem, und ist somit
nur ein bestimmtes, selbstendliches Unendliches.

So erscheint der Vorstellung das Endliche als das
Wirkliche, und das Unendliche dagegen als das Unwirk-
liche, das in trüber, unerreichbarer Ferne das Ansich
des Endlichen, aber zugleich nur seine Grenze sey;
denn beyde sind ausser und jenseits von einander.

Sie sind ausser einander, aber ihrer Natur nach
schlechthin aufeinander bezogen; jedes ist die Grenze des
andern, und besteht nur darin diese Grenze zu haben.
In ihrer Absonderung hat daher jedes zugleich diß sein
Anderes an ihm selbst, aber als das Nichtseyn seiner

selbst,

Erſtes Buch. I. Abſchnitt.
hen; unmittelbar hat das Unendliche gleicherweiſe das
Endliche nicht wahrhaft in ſich aufgehoben, ſondern hat
es auſſer ſich.

So das Unendliche geſetzt, iſt es das Schlecht-
Unendliche
, oder das Unendliche des Verſtandes. Es
iſt nicht die Negation der Negation, ſondern iſt zur ein-
fachen erſten Negation herabgeſetzt
. Es iſt
das Nichts des Endlichen, welches das Reale iſt, es iſt
das Leere, beſtimmungsloſe Jenſeits des Daſeyns.
— Es iſt auf dieſe Weiſe wohl die Beſtimmung des
Endlichen, unendlich zu werden, aber es hat dieſe ſeine
Beſtimmung nicht an ihm ſelbſt; ſein Anſichſeyn iſt
nicht in ſeinem Daſeyn, ſondern ein Jenſeits ſeiner.

Diß Unendliche iſt dieſelbe leere Abſtraction, die
als Nichts im Anfange dem Seyn gegenuͤber ſtand. Dort
war es das unmittelbare Nichts; hier iſt es das Nichts,
das aus dem Daſeyn zuruͤckkommt und hervorgeht, und
als nur unmittelbare Negation in Beziehung auf daſſelbe
ſteht. Weil ihm das Endliche ſo als Daſeyn gegenuͤber
bleibt, ſo hat es ſeine Grenze an dieſem, und iſt ſomit
nur ein beſtimmtes, ſelbſtendliches Unendliches.

So erſcheint der Vorſtellung das Endliche als das
Wirkliche, und das Unendliche dagegen als das Unwirk-
liche, das in truͤber, unerreichbarer Ferne das Anſich
des Endlichen, aber zugleich nur ſeine Grenze ſey;
denn beyde ſind auſſer und jenſeits von einander.

Sie ſind auſſer einander, aber ihrer Natur nach
ſchlechthin aufeinander bezogen; jedes iſt die Grenze des
andern, und beſteht nur darin dieſe Grenze zu haben.
In ihrer Abſonderung hat daher jedes zugleich diß ſein
Anderes an ihm ſelbſt, aber als das Nichtſeyn ſeiner

ſelbſt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0130" n="82"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;tes Buch</hi>. <hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#g">Ab&#x017F;chnitt</hi>.</fw><lb/>
hen; unmittelbar hat das Unendliche gleicherwei&#x017F;e das<lb/>
Endliche nicht wahrhaft in &#x017F;ich aufgehoben, &#x017F;ondern hat<lb/>
es au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich.</p><lb/>
                  <p>So das Unendliche ge&#x017F;etzt, i&#x017F;t es das <hi rendition="#g">Schlecht-<lb/>
Unendliche</hi>, oder das Unendliche des Ver&#x017F;tandes. Es<lb/>
i&#x017F;t nicht die Negation der Negation, &#x017F;ondern i&#x017F;t <hi rendition="#g">zur ein-<lb/>
fachen er&#x017F;ten Negation herabge&#x017F;etzt</hi>. Es i&#x017F;t<lb/>
das Nichts des Endlichen, welches das Reale i&#x017F;t, es i&#x017F;t<lb/>
das <hi rendition="#g">Leere</hi>, be&#x017F;timmungslo&#x017F;e <hi rendition="#g">Jen&#x017F;eits</hi> des Da&#x017F;eyns.<lb/>
&#x2014; Es i&#x017F;t auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e wohl die <hi rendition="#g">Be&#x017F;timmung</hi> des<lb/>
Endlichen, unendlich zu werden, aber es hat die&#x017F;e &#x017F;eine<lb/>
Be&#x017F;timmung nicht an ihm &#x017F;elb&#x017F;t; &#x017F;ein <hi rendition="#g">An&#x017F;ich&#x017F;eyn</hi> i&#x017F;t<lb/>
nicht in &#x017F;einem Da&#x017F;eyn, &#x017F;ondern ein <hi rendition="#g">Jen&#x017F;eits</hi> &#x017F;einer.</p><lb/>
                  <p>Diß Unendliche i&#x017F;t die&#x017F;elbe leere Ab&#x017F;traction, die<lb/>
als Nichts im Anfange dem Seyn gegenu&#x0364;ber &#x017F;tand. Dort<lb/>
war es das unmittelbare Nichts; hier i&#x017F;t es das Nichts,<lb/>
das aus dem Da&#x017F;eyn zuru&#x0364;ckkommt und hervorgeht, und<lb/>
als nur unmittelbare Negation in Beziehung auf da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
&#x017F;teht. Weil ihm das Endliche &#x017F;o als Da&#x017F;eyn gegenu&#x0364;ber<lb/>
bleibt, &#x017F;o hat es &#x017F;eine Grenze an die&#x017F;em, und i&#x017F;t &#x017F;omit<lb/>
nur ein be&#x017F;timmtes, <hi rendition="#g">&#x017F;elb&#x017F;tendliches Unendliches</hi>.</p><lb/>
                  <p>So er&#x017F;cheint der Vor&#x017F;tellung das Endliche als das<lb/>
Wirkliche, und das Unendliche dagegen als das Unwirk-<lb/>
liche, das in tru&#x0364;ber, unerreichbarer Ferne das <hi rendition="#g">An&#x017F;ich</hi><lb/>
des Endlichen, aber zugleich nur &#x017F;eine <hi rendition="#g">Grenze</hi> &#x017F;ey;<lb/>
denn beyde &#x017F;ind au&#x017F;&#x017F;er und jen&#x017F;eits von einander.</p><lb/>
                  <p>Sie &#x017F;ind au&#x017F;&#x017F;er einander, aber ihrer Natur nach<lb/>
&#x017F;chlechthin aufeinander bezogen; jedes i&#x017F;t die Grenze des<lb/>
andern, und be&#x017F;teht nur darin die&#x017F;e Grenze zu haben.<lb/>
In ihrer Ab&#x017F;onderung hat daher jedes zugleich diß &#x017F;ein<lb/>
Anderes an ihm &#x017F;elb&#x017F;t, aber als das Nicht&#x017F;eyn &#x017F;einer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;elb&#x017F;t,</fw><lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0130] Erſtes Buch. I. Abſchnitt. hen; unmittelbar hat das Unendliche gleicherweiſe das Endliche nicht wahrhaft in ſich aufgehoben, ſondern hat es auſſer ſich. So das Unendliche geſetzt, iſt es das Schlecht- Unendliche, oder das Unendliche des Verſtandes. Es iſt nicht die Negation der Negation, ſondern iſt zur ein- fachen erſten Negation herabgeſetzt. Es iſt das Nichts des Endlichen, welches das Reale iſt, es iſt das Leere, beſtimmungsloſe Jenſeits des Daſeyns. — Es iſt auf dieſe Weiſe wohl die Beſtimmung des Endlichen, unendlich zu werden, aber es hat dieſe ſeine Beſtimmung nicht an ihm ſelbſt; ſein Anſichſeyn iſt nicht in ſeinem Daſeyn, ſondern ein Jenſeits ſeiner. Diß Unendliche iſt dieſelbe leere Abſtraction, die als Nichts im Anfange dem Seyn gegenuͤber ſtand. Dort war es das unmittelbare Nichts; hier iſt es das Nichts, das aus dem Daſeyn zuruͤckkommt und hervorgeht, und als nur unmittelbare Negation in Beziehung auf daſſelbe ſteht. Weil ihm das Endliche ſo als Daſeyn gegenuͤber bleibt, ſo hat es ſeine Grenze an dieſem, und iſt ſomit nur ein beſtimmtes, ſelbſtendliches Unendliches. So erſcheint der Vorſtellung das Endliche als das Wirkliche, und das Unendliche dagegen als das Unwirk- liche, das in truͤber, unerreichbarer Ferne das Anſich des Endlichen, aber zugleich nur ſeine Grenze ſey; denn beyde ſind auſſer und jenſeits von einander. Sie ſind auſſer einander, aber ihrer Natur nach ſchlechthin aufeinander bezogen; jedes iſt die Grenze des andern, und beſteht nur darin dieſe Grenze zu haben. In ihrer Abſonderung hat daher jedes zugleich diß ſein Anderes an ihm ſelbſt, aber als das Nichtſeyn ſeiner ſelbſt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/130
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/130>, abgerufen am 24.04.2024.