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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

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I. Kapitel. Der Begriff.
nichts anderes als die Bestimmtheit oder der ein-
fache Inhalt des Begriffs, insofern er von der Form
der Allgemeinheit unterschieden wird. Aber das Merk-
mahl
hat zunächst nicht gerade diese genauere Bedeu-
tung, sondern ist überhaupt nur eine Bestimmung, wo-
durch ein Dritter sich einen Gegenstand oder den
Begriff merkt; es kann daher ein sehr zufälliger Um-
stand seyn. Ueberhaupt drückt es nicht sowohl die Im-
manenz und Wesentlichkeit der Bestimmung aus, sondern
deren Beziehung auf einen äussern Verstand. Ist
dieser wirklich ein Verstand, so hat er den Begriff vor
sich, und merkt sich denselben durch nichts anderes, als
durch das, was im Begriffe ist. Soll es aber
hievon unterschieden seyn, so ist es ein Zeichen oder
sonst eine Bestimmung, welche zur Vorstellung der
Sache, nicht zu ihrem Begriffe gehört. -- Was der
undeutliche Begriff sey, kann als überflüssig über-
gangen werden.

Der adäquate Begriff aber ist ein höheres; es
schwebt dabey eigentlich die Uebereinstimmung des Be-
griffs mit der Realität vor, was nicht der Begriff als
solcher, sondern die Idee ist.

Wenn das Merkmahl des deutlichen Begriffs
wirklich die Begriffsbestimmung selbst seyn sollte, so
würde die Logik mit den einfachen Begriffen, in Ver-
legenheit kommen, welche nach einer andern Eintheilung
den zusammengesetzten gegenübergestellt werden.
Denn wenn vom einfachen Begriffe ein wahres, d. i.
ein immanentes Merkmahl angegeben werden sollte, so
würde man ihn nicht als einen einfachen ansehen wol-
len; insofern aber keines von ihm angegeben würde,
wäre er kein deutlicher Begriff. Da hilft aber nun
der klare Begriff aus. Einheit, Realität und derglei-
chen Bestimmungen sollen einfache Begriffe seyn, wohl

nur

I. Kapitel. Der Begriff.
nichts anderes als die Beſtimmtheit oder der ein-
fache Inhalt des Begriffs, inſofern er von der Form
der Allgemeinheit unterſchieden wird. Aber das Merk-
mahl
hat zunaͤchſt nicht gerade dieſe genauere Bedeu-
tung, ſondern iſt uͤberhaupt nur eine Beſtimmung, wo-
durch ein Dritter ſich einen Gegenſtand oder den
Begriff merkt; es kann daher ein ſehr zufaͤlliger Um-
ſtand ſeyn. Ueberhaupt druͤckt es nicht ſowohl die Im-
manenz und Weſentlichkeit der Beſtimmung aus, ſondern
deren Beziehung auf einen aͤuſſern Verſtand. Iſt
dieſer wirklich ein Verſtand, ſo hat er den Begriff vor
ſich, und merkt ſich denſelben durch nichts anderes, als
durch das, was im Begriffe iſt. Soll es aber
hievon unterſchieden ſeyn, ſo iſt es ein Zeichen oder
ſonſt eine Beſtimmung, welche zur Vorſtellung der
Sache, nicht zu ihrem Begriffe gehoͤrt. — Was der
undeutliche Begriff ſey, kann als uͤberfluͤſſig uͤber-
gangen werden.

Der adaͤquate Begriff aber iſt ein hoͤheres; es
ſchwebt dabey eigentlich die Uebereinſtimmung des Be-
griffs mit der Realitaͤt vor, was nicht der Begriff als
ſolcher, ſondern die Idee iſt.

Wenn das Merkmahl des deutlichen Begriffs
wirklich die Begriffsbeſtimmung ſelbſt ſeyn ſollte, ſo
wuͤrde die Logik mit den einfachen Begriffen, in Ver-
legenheit kommen, welche nach einer andern Eintheilung
den zuſammengeſetzten gegenuͤbergeſtellt werden.
Denn wenn vom einfachen Begriffe ein wahres, d. i.
ein immanentes Merkmahl angegeben werden ſollte, ſo
wuͤrde man ihn nicht als einen einfachen anſehen wol-
len; inſofern aber keines von ihm angegeben wuͤrde,
waͤre er kein deutlicher Begriff. Da hilft aber nun
der klare Begriff aus. Einheit, Realitaͤt und derglei-
chen Beſtimmungen ſollen einfache Begriffe ſeyn, wohl

nur
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[57/0075] I. Kapitel. Der Begriff. nichts anderes als die Beſtimmtheit oder der ein- fache Inhalt des Begriffs, inſofern er von der Form der Allgemeinheit unterſchieden wird. Aber das Merk- mahl hat zunaͤchſt nicht gerade dieſe genauere Bedeu- tung, ſondern iſt uͤberhaupt nur eine Beſtimmung, wo- durch ein Dritter ſich einen Gegenſtand oder den Begriff merkt; es kann daher ein ſehr zufaͤlliger Um- ſtand ſeyn. Ueberhaupt druͤckt es nicht ſowohl die Im- manenz und Weſentlichkeit der Beſtimmung aus, ſondern deren Beziehung auf einen aͤuſſern Verſtand. Iſt dieſer wirklich ein Verſtand, ſo hat er den Begriff vor ſich, und merkt ſich denſelben durch nichts anderes, als durch das, was im Begriffe iſt. Soll es aber hievon unterſchieden ſeyn, ſo iſt es ein Zeichen oder ſonſt eine Beſtimmung, welche zur Vorſtellung der Sache, nicht zu ihrem Begriffe gehoͤrt. — Was der undeutliche Begriff ſey, kann als uͤberfluͤſſig uͤber- gangen werden. Der adaͤquate Begriff aber iſt ein hoͤheres; es ſchwebt dabey eigentlich die Uebereinſtimmung des Be- griffs mit der Realitaͤt vor, was nicht der Begriff als ſolcher, ſondern die Idee iſt. Wenn das Merkmahl des deutlichen Begriffs wirklich die Begriffsbeſtimmung ſelbſt ſeyn ſollte, ſo wuͤrde die Logik mit den einfachen Begriffen, in Ver- legenheit kommen, welche nach einer andern Eintheilung den zuſammengeſetzten gegenuͤbergeſtellt werden. Denn wenn vom einfachen Begriffe ein wahres, d. i. ein immanentes Merkmahl angegeben werden ſollte, ſo wuͤrde man ihn nicht als einen einfachen anſehen wol- len; inſofern aber keines von ihm angegeben wuͤrde, waͤre er kein deutlicher Begriff. Da hilft aber nun der klare Begriff aus. Einheit, Realitaͤt und derglei- chen Beſtimmungen ſollen einfache Begriffe ſeyn, wohl nur

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/75>, abgerufen am 23.04.2024.