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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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II.
Die Aufklärung.


Der eigenthümliche Gegenstand, gegen welchen die
reine Einsicht die Krafft des Begriffes richtet, ist
der Glauben, als die ihr in demselben Elemente ge-
genüberstehende Form des reinen Bewusstseyns. Sie
hat aber auch Beziehung auf die wirkliche Welt,
denn sie ist wie jener, die Rückkehr aus derselben
in das reine Bewusstseyn. Es ist zuerst zu sehen,
wie ihre Thätigkeit gegen die unlautern Absichten
und verkehrten Einsichten derselben beschaffen ist.

Oben wurde schon des ruhigen Bewusstseyns er-
wähnt, das diesem sich in sich auflösenden und wie-
der erzeugenden Wirbel gegenübersteht; es macht die
Seite der reinen Einsicht und Absicht aus. In diss
ruhige Bewusstseyn fällt aber, wie wir sahen, keine
besondere Einsicht über die Welt der Bildung; diese
hat vielmehr selbst das schmerzlichste Gefühl und
die wahrste Einsicht über sich selbst, -- das Gefühl,
die Auflösung alles sich befestigenden, durch alle
Momente ihres Daseyns hindurch gerädert, und an
allen Knochen zerschlagen zu seyn; -- ebenso ist
sie die Sprache dieses Gefühls und die beurtheilende


II.
Die Aufklärung.


Der eigenthümliche Gegenſtand, gegen welchen die
reine Einsicht die Krafft des Begriffes richtet, ist
der Glauben, als die ihr in demselben Elemente ge-
genüberſtehende Form des reinen Bewuſstseyns. Sie
hat aber auch Beziehung auf die wirkliche Welt,
denn sie ist wie jener, die Rückkehr aus derselben
in das reine Bewuſstseyn. Es ist zuerſt zu sehen,
wie ihre Thätigkeit gegen die unlautern Absichten
und verkehrten Einsichten derſelben beschaffen ist.

Oben wurde schon des ruhigen Bewuſstseyns er-
wähnt, das diesem sich in sich auflösenden und wie-
der erzeugenden Wirbel gegenüberſteht; es macht die
Seite der reinen Einsicht und Absicht aus. In diſs
ruhige Bewuſstseyn fällt aber, wie wir sahen, keine
besondere Einsicht über die Welt der Bildung; diese
hat vielmehr selbſt das schmerzlichſte Gefühl und
die wahrſte Einsicht über sich selbſt, — das Gefühl,
die Auflösung alles sich befeſtigenden, durch alle
Momente ihres Daseyns hindurch gerädert, und an
allen Knochen zerschlagen zu seyn; — ebenso ist
sie die Sprache dieses Gefühls und die beurtheilende

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[486/0595] II. Die Aufklärung. Der eigenthümliche Gegenſtand, gegen welchen die reine Einsicht die Krafft des Begriffes richtet, ist der Glauben, als die ihr in demselben Elemente ge- genüberſtehende Form des reinen Bewuſstseyns. Sie hat aber auch Beziehung auf die wirkliche Welt, denn sie ist wie jener, die Rückkehr aus derselben in das reine Bewuſstseyn. Es ist zuerſt zu sehen, wie ihre Thätigkeit gegen die unlautern Absichten und verkehrten Einsichten derſelben beschaffen ist. Oben wurde schon des ruhigen Bewuſstseyns er- wähnt, das diesem sich in sich auflösenden und wie- der erzeugenden Wirbel gegenüberſteht; es macht die Seite der reinen Einsicht und Absicht aus. In diſs ruhige Bewuſstseyn fällt aber, wie wir sahen, keine besondere Einsicht über die Welt der Bildung; diese hat vielmehr selbſt das schmerzlichſte Gefühl und die wahrſte Einsicht über sich selbſt, — das Gefühl, die Auflösung alles sich befeſtigenden, durch alle Momente ihres Daseyns hindurch gerädert, und an allen Knochen zerschlagen zu seyn; — ebenso ist sie die Sprache dieses Gefühls und die beurtheilende

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/595>, abgerufen am 29.03.2024.