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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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in diesem nicht in sich, sondern in das Subject
des Inhalts zurückgeht.

Auf diesem ungewohnten Hemmen beruhen
grossen Theils die Klagen über die Unverständ-
lichkeit philosophischer Schriften, wenn anders
im Individuum die sonstigen Bedingungen der
Bilgung, sie zu verstehen, vorhanden sind.
Wir sehen in dem Gesagten den Grund des
ganz bestimmten Vorwurss, der ihnen oft ge-
macht wird, dass Mehreres erst wiederhohlt ge-
lesen werden müsse, ehe es verstanden werden
könne; -- ein Vorwurf, der etwas ungebührli-
ches und letztes enthalten soll, so dass er, wenn
er gegründet, weiter keine Gegenrede zulasse. --
Es erhellt aus dem Obigen, welche Bewandniss
es damit hat. Der philosophische Satz, weil
er Satz ist, erweckt die Meynung des gewöhn-
lichen Verhältnisses des Subjects und Prädicats,
und des gewöhnten Verhaltens des Wissens.
Diss Verhalten und die Meynung desselben zer-
stört sein philosophischer Inhalt; die Meynung
erfährt, dass es anders gemeynt ist, als sie
meynte, und diese Correction seiner Meynung
nöthigt das Wissen auf den Satz zurückzukom-
men und ihn nun anders zu fassen.

Eine Schwierigkeit, die vermieden werden
sollte, macht die Vermischung der speculativen

in dieſem nicht in sich, ſondern in das Subject
des Inhalts zurückgeht.

Auf dieſem ungewohnten Hemmen beruhen
groſsen Theils die Klagen über die Unverständ-
lichkeit philoſophiſcher Schriften, wenn anders
im Individuum die ſonſtigen Bedingungen der
Bilgung, sie zu verstehen, vorhanden sind.
Wir ſehen in dem Geſagten den Grund des
ganz bestimmten Vorwurſs, der ihnen oft ge-
macht wird, daſs Mehreres erst wiederhohlt ge-
leſen werden müſſe, ehe es verstanden werden
könne; — ein Vorwurf, der etwas ungebührli-
ches und letztes enthalten ſoll, ſo daſs er, wenn
er gegründet, weiter keine Gegenrede zulaſſe. —
Es erhellt aus dem Obigen, welche Bewandniſs
es damit hat. Der philoſophiſche Satz, weil
er Satz ist, erweckt die Meynung des gewöhn-
lichen Verhältniſſes des Subjects und Prädicats,
und des gewöhnten Verhaltens des Wiſſens.
Diſs Verhalten und die Meynung deſſelben zer-
stört ſein philoſophiſcher Inhalt; die Meynung
erfährt, daſs es anders gemeynt ist, als sie
meynte, und dieſe Correction ſeiner Meynung
nöthigt das Wiſſen auf den Satz zurückzukom-
men und ihn nun anders zu faſſen.

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ſollte, macht die Vermiſchung der ſpeculativen

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[LXXIX/0094] in dieſem nicht in sich, ſondern in das Subject des Inhalts zurückgeht. Auf dieſem ungewohnten Hemmen beruhen groſsen Theils die Klagen über die Unverständ- lichkeit philoſophiſcher Schriften, wenn anders im Individuum die ſonſtigen Bedingungen der Bilgung, sie zu verstehen, vorhanden sind. Wir ſehen in dem Geſagten den Grund des ganz bestimmten Vorwurſs, der ihnen oft ge- macht wird, daſs Mehreres erst wiederhohlt ge- leſen werden müſſe, ehe es verstanden werden könne; — ein Vorwurf, der etwas ungebührli- ches und letztes enthalten ſoll, ſo daſs er, wenn er gegründet, weiter keine Gegenrede zulaſſe. — Es erhellt aus dem Obigen, welche Bewandniſs es damit hat. Der philoſophiſche Satz, weil er Satz ist, erweckt die Meynung des gewöhn- lichen Verhältniſſes des Subjects und Prädicats, und des gewöhnten Verhaltens des Wiſſens. Diſs Verhalten und die Meynung deſſelben zer- stört ſein philoſophiſcher Inhalt; die Meynung erfährt, daſs es anders gemeynt ist, als sie meynte, und dieſe Correction ſeiner Meynung nöthigt das Wiſſen auf den Satz zurückzukom- men und ihn nun anders zu faſſen. Eine Schwierigkeit, die vermieden werden ſollte, macht die Vermiſchung der ſpeculativen

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. LXXIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/94>, abgerufen am 29.03.2024.