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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

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Die weiße, gespenstische Möve,
Und wetzt an den Mastbaum den Schnabel,
Und lechzt, voll Fraßbegier, nach dem Mund,
Der vom Ruhm deiner Tochter ertönt,
Und lechzt nach dem Herzen,
Das dein Enkel, der kleine Schalk,
Zum Spielzeug erwählt.

Vergebens mein Bitten und Flehn!
Mein Rufen verhallt im tosenden Sturm,
Im Schlachtlärm der Winde;
Es braußt und pfeift und prasselt und heult,
Wie ein Tollhaus von Tönen!
Und zwischendurch hör' ich vernehmbar
Lockende Harfenlaute,
Sehnsuchtwilden Gesang,
Seelenschmelzend und seelenzerreißend,
Und ich erkenne die Stimme.
Fern an schottischer Felsenküste,
Wo das graue Schlößlein hinausragt

Die weiße, geſpenſtiſche Moͤve,
Und wetzt an den Maſtbaum den Schnabel,
Und lechzt, voll Fraßbegier, nach dem Mund,
Der vom Ruhm deiner Tochter ertoͤnt‚
Und lechzt nach dem Herzen,
Das dein Enkel, der kleine Schalk,
Zum Spielzeug erwaͤhlt.

Vergebens mein Bitten und Flehn!
Mein Rufen verhallt im toſenden Sturm,
Im Schlachtlaͤrm der Winde;
Es braußt und pfeift und praſſelt und heult‚
Wie ein Tollhaus von Toͤnen!
Und zwiſchendurch hoͤr' ich vernehmbar
Lockende Harfenlaute,
Sehnſuchtwilden Geſang,
Seelenſchmelzend und ſeelenzerreißend‚
Und ich erkenne die Stimme.
Fern an ſchottiſcher Felſenkuͤſte,
Wo das graue Schloͤßlein hinausragt
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[286/0298] Die weiße, geſpenſtiſche Moͤve, Und wetzt an den Maſtbaum den Schnabel, Und lechzt, voll Fraßbegier, nach dem Mund, Der vom Ruhm deiner Tochter ertoͤnt‚ Und lechzt nach dem Herzen, Das dein Enkel, der kleine Schalk, Zum Spielzeug erwaͤhlt. Vergebens mein Bitten und Flehn! Mein Rufen verhallt im toſenden Sturm, Im Schlachtlaͤrm der Winde; Es braußt und pfeift und praſſelt und heult‚ Wie ein Tollhaus von Toͤnen! Und zwiſchendurch hoͤr' ich vernehmbar Lockende Harfenlaute, Sehnſuchtwilden Geſang, Seelenſchmelzend und ſeelenzerreißend‚ Und ich erkenne die Stimme. Fern an ſchottiſcher Felſenkuͤſte, Wo das graue Schloͤßlein hinausragt

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/298>, abgerufen am 25.04.2024.