Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Die so freudig erklungen beim Göttermahl.
Noch trauriger schaut Hephaistos,
Und wahrlich, der Hinkende! nimmermehr
Fällt er Hebe'n in's Amt,
Und schenkt geschäftig, in der Versammlung,
Den lieblichen Nektar -- Und längst ist erloschen
Das unauslöschliche Göttergelächter.

Ich hab' Euch niemals geliebt, Ihr Götter!
Denn widerwärtig sind mir die Griechen,
Und gar die Römer sind mir verhaßt.
Doch heil'ges Erbarmen und schauriges Mitleid
Durchströmt mein Herz,
Wenn ich Euch jetzt da droben schaue,
Verlassene Götter,
Todte, nachtwandelnde Schatten,
Nebelschwache, die der Wind verscheucht --
Und wenn ich bedenke, wie feig und windig
Die Götter sind, die Euch besiegten,
Die neuen, herrschenden, tristen Götter,
Die Schadenfrohen im Schafspelz der Demuth --

Die ſo freudig erklungen beim Goͤttermahl.
Noch trauriger ſchaut Hephaiſtos,
Und wahrlich, der Hinkende! nimmermehr
Faͤllt er Hebe'n in's Amt,
Und ſchenkt geſchaͤftig, in der Verſammlung,
Den lieblichen Nektar — Und laͤngſt iſt erloſchen
Das unausloͤſchliche Goͤttergelaͤchter.

Ich hab' Euch niemals geliebt, Ihr Goͤtter!
Denn widerwaͤrtig ſind mir die Griechen,
Und gar die Roͤmer ſind mir verhaßt.
Doch heil'ges Erbarmen und ſchauriges Mitleid
Durchſtroͤmt mein Herz,
Wenn ich Euch jetzt da droben ſchaue,
Verlaſſene Goͤtter,
Todte, nachtwandelnde Schatten,
Nebelſchwache, die der Wind verſcheucht —
Und wenn ich bedenke, wie feig und windig
Die Goͤtter ſind, die Euch beſiegten,
Die neuen, herrſchenden, triſten Goͤtter,
Die Schadenfrohen im Schafspelz der Demuth —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <lg n="3">
                <pb facs="#f0031" n="23"/>
                <l>Die &#x017F;o freudig erklungen beim Go&#x0364;ttermahl.</l><lb/>
                <l>Noch trauriger &#x017F;chaut Hephai&#x017F;tos,</l><lb/>
                <l>Und wahrlich, der Hinkende! nimmermehr</l><lb/>
                <l>Fa&#x0364;llt er Hebe'n in's Amt,</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;chenkt ge&#x017F;cha&#x0364;ftig, in der Ver&#x017F;ammlung,</l><lb/>
                <l>Den lieblichen Nektar &#x2014; Und la&#x0364;ng&#x017F;t i&#x017F;t erlo&#x017F;chen</l><lb/>
                <l>Das unauslo&#x0364;&#x017F;chliche Go&#x0364;ttergela&#x0364;chter.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="4">
                <l>Ich hab' Euch niemals geliebt, Ihr Go&#x0364;tter!</l><lb/>
                <l>Denn widerwa&#x0364;rtig &#x017F;ind mir die Griechen,</l><lb/>
                <l>Und gar die Ro&#x0364;mer &#x017F;ind mir verhaßt.</l><lb/>
                <l>Doch heil'ges Erbarmen und &#x017F;chauriges Mitleid</l><lb/>
                <l>Durch&#x017F;tro&#x0364;mt mein Herz,</l><lb/>
                <l>Wenn ich Euch jetzt da droben &#x017F;chaue,</l><lb/>
                <l>Verla&#x017F;&#x017F;ene Go&#x0364;tter,</l><lb/>
                <l>Todte, nachtwandelnde Schatten,</l><lb/>
                <l>Nebel&#x017F;chwache, die der Wind ver&#x017F;cheucht &#x2014;</l><lb/>
                <l>Und wenn ich bedenke, wie feig und windig</l><lb/>
                <l>Die Go&#x0364;tter &#x017F;ind, die Euch be&#x017F;iegten,</l><lb/>
                <l>Die neuen, herr&#x017F;chenden, tri&#x017F;ten Go&#x0364;tter,</l><lb/>
                <l>Die Schadenfrohen im Schafspelz der Demuth &#x2014;</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0031] Die ſo freudig erklungen beim Goͤttermahl. Noch trauriger ſchaut Hephaiſtos, Und wahrlich, der Hinkende! nimmermehr Faͤllt er Hebe'n in's Amt, Und ſchenkt geſchaͤftig, in der Verſammlung, Den lieblichen Nektar — Und laͤngſt iſt erloſchen Das unausloͤſchliche Goͤttergelaͤchter. Ich hab' Euch niemals geliebt, Ihr Goͤtter! Denn widerwaͤrtig ſind mir die Griechen, Und gar die Roͤmer ſind mir verhaßt. Doch heil'ges Erbarmen und ſchauriges Mitleid Durchſtroͤmt mein Herz, Wenn ich Euch jetzt da droben ſchaue, Verlaſſene Goͤtter, Todte, nachtwandelnde Schatten, Nebelſchwache, die der Wind verſcheucht — Und wenn ich bedenke, wie feig und windig Die Goͤtter ſind, die Euch beſiegten, Die neuen, herrſchenden, triſten Goͤtter, Die Schadenfrohen im Schafspelz der Demuth —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/31
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/31>, abgerufen am 19.04.2024.