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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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hörlich heimliches Wispern, und nichts sah als
Fächerschlag und wehende Schleier. Der knar¬
rende Tritt meiner Stiefeln störte manche schöne
Andacht, und große katholische Augen sahen mich
an, halb neugierig, halb liebwillig, und mochten
mir wohl rathen, mich ebenfalls hinzustrecken
und Seelensieste zu halten.

Wahrlich, ein solcher Dom mit seinem ge¬
dämpften Lichte und seiner wehenden Kühle ist
ein angenehmer Aufenthalt, wenn draußen greller
Sonnenschein und drückende Hitze. Davon
hat man gar keinen Begriff in unserem prote¬
stantischen Norddeutschland, wo die Kirchen nicht
so komfortabel gebaut sind, und das Licht so
frech durch die unbemalten Vernunftscheiben hin¬
einschießt, und selbst die kühlen Predigten vor
der Hitze nicht genug schützen. Man mag sagen
was man will, der Katholizismus ist eine gute
Sommerreligion. Es läßt sich gut liegen auf den

hoͤrlich heimliches Wiſpern, und nichts ſah als
Faͤcherſchlag und wehende Schleier. Der knar¬
rende Tritt meiner Stiefeln ſtoͤrte manche ſchoͤne
Andacht, und große katholiſche Augen ſahen mich
an, halb neugierig, halb liebwillig, und mochten
mir wohl rathen, mich ebenfalls hinzuſtrecken
und Seelenſieſte zu halten.

Wahrlich, ein ſolcher Dom mit ſeinem ge¬
daͤmpften Lichte und ſeiner wehenden Kuͤhle iſt
ein angenehmer Aufenthalt, wenn draußen greller
Sonnenſchein und druͤckende Hitze. Davon
hat man gar keinen Begriff in unſerem prote¬
ſtantiſchen Norddeutſchland, wo die Kirchen nicht
ſo komfortabel gebaut ſind, und das Licht ſo
frech durch die unbemalten Vernunftſcheiben hin¬
einſchießt, und ſelbſt die kuͤhlen Predigten vor
der Hitze nicht genug ſchuͤtzen. Man mag ſagen
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[93/0101] hoͤrlich heimliches Wiſpern, und nichts ſah als Faͤcherſchlag und wehende Schleier. Der knar¬ rende Tritt meiner Stiefeln ſtoͤrte manche ſchoͤne Andacht, und große katholiſche Augen ſahen mich an, halb neugierig, halb liebwillig, und mochten mir wohl rathen, mich ebenfalls hinzuſtrecken und Seelenſieſte zu halten. Wahrlich, ein ſolcher Dom mit ſeinem ge¬ daͤmpften Lichte und ſeiner wehenden Kuͤhle iſt ein angenehmer Aufenthalt, wenn draußen greller Sonnenſchein und druͤckende Hitze. Davon hat man gar keinen Begriff in unſerem prote¬ ſtantiſchen Norddeutſchland, wo die Kirchen nicht ſo komfortabel gebaut ſind, und das Licht ſo frech durch die unbemalten Vernunftſcheiben hin¬ einſchießt, und ſelbſt die kuͤhlen Predigten vor der Hitze nicht genug ſchuͤtzen. Man mag ſagen was man will, der Katholizismus iſt eine gute Sommerreligion. Es laͤßt ſich gut liegen auf den

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/101>, abgerufen am 25.04.2024.