hat bey diesen Menschen keine so auffallend neue Politur wie bey uns, wo die Eichenstämme erst gestern gehobelt worden sind, und alles noch nach Firniß riecht. Es scheint uns, als habe dieses Menschengewühl auf der Piazza delle Erbe im Laufe der Zeiten nur allmählig Röcke und Redens¬ arten gewechselt, und der Geist der Gesittung habe sich dort wenig verändert. Die Gebäude aber, die diesen Platz umgeben, mögen nicht so leicht im Stande gewesen seyn mit der Zeit fort¬ zuschreiten; doch schauen sie darum nicht minder anmuthig, und ihr Anblick bewegt wunderbar unsre Seele. Da stehen hohe Palläste im vene¬ zianisch-lombardischen Styl, mit unzähligen Bal¬ konen und lachenden Freskobildern; in der Mitte erhebt sich eine einzelne Denksäule, ein Spring¬ brunnen und eine steinerne Heilige; hier schaut man den launig roth- und weißgestreiften Podesta, der hinter einem mächtigen Pfeilerthor emporragt; dort wieder erblickt man einen altviereckigen
hat bey dieſen Menſchen keine ſo auffallend neue Politur wie bey uns, wo die Eichenſtaͤmme erſt geſtern gehobelt worden ſind, und alles noch nach Firniß riecht. Es ſcheint uns, als habe dieſes Menſchengewuͤhl auf der Piazza delle Erbe im Laufe der Zeiten nur allmaͤhlig Roͤcke und Redens¬ arten gewechſelt, und der Geiſt der Geſittung habe ſich dort wenig veraͤndert. Die Gebaͤude aber, die dieſen Platz umgeben, moͤgen nicht ſo leicht im Stande geweſen ſeyn mit der Zeit fort¬ zuſchreiten; doch ſchauen ſie darum nicht minder anmuthig, und ihr Anblick bewegt wunderbar unſre Seele. Da ſtehen hohe Pallaͤſte im vene¬ zianiſch-lombardiſchen Styl, mit unzaͤhligen Bal¬ konen und lachenden Freskobildern; in der Mitte erhebt ſich eine einzelne Denkſaͤule, ein Spring¬ brunnen und eine ſteinerne Heilige; hier ſchaut man den launig roth- und weißgeſtreiften Podeſta, der hinter einem maͤchtigen Pfeilerthor emporragt; dort wieder erblickt man einen altviereckigen
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hat bey dieſen Menſchen keine ſo auffallend neue
Politur wie bey uns, wo die Eichenſtaͤmme erſt
geſtern gehobelt worden ſind, und alles noch nach
Firniß riecht. Es ſcheint uns, als habe dieſes
Menſchengewuͤhl auf der Piazza delle Erbe im
Laufe der Zeiten nur allmaͤhlig Roͤcke und Redens¬
arten gewechſelt, und der Geiſt der Geſittung
habe ſich dort wenig veraͤndert. Die Gebaͤude
aber, die dieſen Platz umgeben, moͤgen nicht ſo
leicht im Stande geweſen ſeyn mit der Zeit fort¬
zuſchreiten; doch ſchauen ſie darum nicht minder
anmuthig, und ihr Anblick bewegt wunderbar
unſre Seele. Da ſtehen hohe Pallaͤſte im vene¬
zianiſch-lombardiſchen Styl, mit unzaͤhligen Bal¬
konen und lachenden Freskobildern; in der Mitte
erhebt ſich eine einzelne Denkſaͤule, ein Spring¬
brunnen und eine ſteinerne Heilige; hier ſchaut
man den launig roth- und weißgeſtreiften Podeſta,
der hinter einem maͤchtigen Pfeilerthor emporragt;
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/147>, abgerufen am 29.03.2024.
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