Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

alte Fritz und sein spanisches Röhrchen keine
Macht mehr üben; denn sonst würde aus den
alten, aufgeklärten Fenstern der gesunden Vernunft¬
stadt nicht so manch krankes Obskurantengesicht
herausglotzen, und so manch dummes, aber¬
gläubisches Gebäude würde sich nicht unter die
alten skeptisch philosophischen Häuser eingesiedelt
haben. Ich will nicht mißverstanden seyn, und
bemerke ausdrücklich, ich stichle hier keinesweges
auf die neue Werdersche Kirche, jenen gothi¬
schen Dom in verjüngtem Maßstabe, der nur
aus Ironie zwischen die modernen Gebäude hin¬
gestellt ist, um allegorisch zu zeigen, wie läp¬
pisch und albern es erscheinen würde, wenn man
alte, längst untergegangene Institutionen des
Mittelalters wieder neu aufrichten wollte, unter
den neuen Bildungen einer neuen Zeit.

Das oben Angedeutete gilt bloß von Ber¬
lins äußerlicher Erscheinung, und wollte man

alte Fritz und ſein ſpaniſches Roͤhrchen keine
Macht mehr uͤben; denn ſonſt wuͤrde aus den
alten, aufgeklaͤrten Fenſtern der geſunden Vernunft¬
ſtadt nicht ſo manch krankes Obſkurantengeſicht
herausglotzen, und ſo manch dummes, aber¬
glaͤubiſches Gebaͤude wuͤrde ſich nicht unter die
alten ſkeptiſch philoſophiſchen Haͤuſer eingeſiedelt
haben. Ich will nicht mißverſtanden ſeyn, und
bemerke ausdruͤcklich, ich ſtichle hier keinesweges
auf die neue Werderſche Kirche, jenen gothi¬
ſchen Dom in verjuͤngtem Maßſtabe, der nur
aus Ironie zwiſchen die modernen Gebaͤude hin¬
geſtellt iſt, um allegoriſch zu zeigen, wie laͤp¬
piſch und albern es erſcheinen wuͤrde, wenn man
alte, laͤngſt untergegangene Inſtitutionen des
Mittelalters wieder neu aufrichten wollte, unter
den neuen Bildungen einer neuen Zeit.

Das oben Angedeutete gilt bloß von Ber¬
lins aͤußerlicher Erſcheinung, und wollte man

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0023" n="15"/>
alte Fritz und &#x017F;ein &#x017F;pani&#x017F;ches Ro&#x0364;hrchen keine<lb/>
Macht mehr u&#x0364;ben; denn &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;rde aus den<lb/>
alten, aufgekla&#x0364;rten Fen&#x017F;tern der ge&#x017F;unden Vernunft¬<lb/>
&#x017F;tadt nicht &#x017F;o manch krankes Ob&#x017F;kurantenge&#x017F;icht<lb/>
herausglotzen, und &#x017F;o manch dummes, aber¬<lb/>
gla&#x0364;ubi&#x017F;ches Geba&#x0364;ude wu&#x0364;rde &#x017F;ich nicht unter die<lb/>
alten &#x017F;kepti&#x017F;ch philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Ha&#x0364;u&#x017F;er einge&#x017F;iedelt<lb/>
haben. Ich will nicht mißver&#x017F;tanden &#x017F;eyn, und<lb/>
bemerke ausdru&#x0364;cklich, ich &#x017F;tichle hier keinesweges<lb/>
auf die neue Werder&#x017F;che Kirche, jenen gothi¬<lb/>
&#x017F;chen Dom in verju&#x0364;ngtem Maß&#x017F;tabe, der nur<lb/>
aus Ironie zwi&#x017F;chen die modernen Geba&#x0364;ude hin¬<lb/>
ge&#x017F;tellt i&#x017F;t, um allegori&#x017F;ch zu zeigen, wie la&#x0364;<lb/>
pi&#x017F;ch und albern es er&#x017F;cheinen wu&#x0364;rde, wenn man<lb/>
alte, la&#x0364;ng&#x017F;t untergegangene In&#x017F;titutionen des<lb/>
Mittelalters wieder neu aufrichten wollte, unter<lb/>
den neuen Bildungen einer neuen Zeit.</p><lb/>
          <p>Das oben Angedeutete gilt bloß von Ber¬<lb/>
lins a&#x0364;ußerlicher Er&#x017F;cheinung, und wollte man<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0023] alte Fritz und ſein ſpaniſches Roͤhrchen keine Macht mehr uͤben; denn ſonſt wuͤrde aus den alten, aufgeklaͤrten Fenſtern der geſunden Vernunft¬ ſtadt nicht ſo manch krankes Obſkurantengeſicht herausglotzen, und ſo manch dummes, aber¬ glaͤubiſches Gebaͤude wuͤrde ſich nicht unter die alten ſkeptiſch philoſophiſchen Haͤuſer eingeſiedelt haben. Ich will nicht mißverſtanden ſeyn, und bemerke ausdruͤcklich, ich ſtichle hier keinesweges auf die neue Werderſche Kirche, jenen gothi¬ ſchen Dom in verjuͤngtem Maßſtabe, der nur aus Ironie zwiſchen die modernen Gebaͤude hin¬ geſtellt iſt, um allegoriſch zu zeigen, wie laͤp¬ piſch und albern es erſcheinen wuͤrde, wenn man alte, laͤngſt untergegangene Inſtitutionen des Mittelalters wieder neu aufrichten wollte, unter den neuen Bildungen einer neuen Zeit. Das oben Angedeutete gilt bloß von Ber¬ lins aͤußerlicher Erſcheinung, und wollte man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/23
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/23>, abgerufen am 24.04.2024.