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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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zuweilen die kichernd süßen Töne im Nebenzim¬
mer parodistisch überjubelten; dann und wann
unterbrach er auch selbst seinen Singsang, um
mich mit juristischen Fragen zu behelligen. Wenn
wir in unserem Urtheil nicht übereinstimmten,
griff er hastige Akkorde und klimperte Bewei߬
stellen. Ich aber unterstützte meine Meinung
immer durch die Autorität meines Lehrers, des
großen Hugo, der in Bologna unter dem Namen
Ugone, auch Ugolino, sehr berühmt ist.

Ein großer Mann! rief der Professor und
klimperte dabey und sang:

Seiner Stimme sanfter Ruf
Tönt noch tief in deiner Brust,
Und die Qual, die sie dir schuf,
Ist Entzücken, süße Lust.

Auch Thibaut, den die Italiener Tibaldo
nennen, wird in Bologna sehr geehrt; doch kennt
man dort nicht sowohl die Schriften jener Män¬
ner, als vielmehr ihre Hauptansichten und deren

zuweilen die kichernd ſuͤßen Toͤne im Nebenzim¬
mer parodiſtiſch uͤberjubelten; dann und wann
unterbrach er auch ſelbſt ſeinen Singſang, um
mich mit juriſtiſchen Fragen zu behelligen. Wenn
wir in unſerem Urtheil nicht uͤbereinſtimmten,
griff er haſtige Akkorde und klimperte Bewei߬
ſtellen. Ich aber unterſtuͤtzte meine Meinung
immer durch die Autoritaͤt meines Lehrers, des
großen Hugo, der in Bologna unter dem Namen
Ugone, auch Ugolino, ſehr beruͤhmt iſt.

Ein großer Mann! rief der Profeſſor und
klimperte dabey und ſang:

Seiner Stimme ſanfter Ruf
Toͤnt noch tief in deiner Bruſt,
Und die Qual, die ſie dir ſchuf,
Iſt Entzuͤcken, ſuͤße Luſt.

Auch Thibaut, den die Italiener Tibaldo
nennen, wird in Bologna ſehr geehrt; doch kennt
man dort nicht ſowohl die Schriften jener Maͤn¬
ner, als vielmehr ihre Hauptanſichten und deren

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[263/0271] zuweilen die kichernd ſuͤßen Toͤne im Nebenzim¬ mer parodiſtiſch uͤberjubelten; dann und wann unterbrach er auch ſelbſt ſeinen Singſang, um mich mit juriſtiſchen Fragen zu behelligen. Wenn wir in unſerem Urtheil nicht uͤbereinſtimmten, griff er haſtige Akkorde und klimperte Bewei߬ ſtellen. Ich aber unterſtuͤtzte meine Meinung immer durch die Autoritaͤt meines Lehrers, des großen Hugo, der in Bologna unter dem Namen Ugone, auch Ugolino, ſehr beruͤhmt iſt. Ein großer Mann! rief der Profeſſor und klimperte dabey und ſang: Seiner Stimme ſanfter Ruf Toͤnt noch tief in deiner Bruſt, Und die Qual, die ſie dir ſchuf, Iſt Entzuͤcken, ſuͤße Luſt. Auch Thibaut, den die Italiener Tibaldo nennen, wird in Bologna ſehr geehrt; doch kennt man dort nicht ſowohl die Schriften jener Maͤn¬ ner, als vielmehr ihre Hauptanſichten und deren

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/271>, abgerufen am 24.04.2024.