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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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"Du hast gut reden," antwortete der Philo¬
soph, "der liebe Gott war sehr knapp bey Cassa,
als er die Welt erschuf. Er mußte das Geld dazu
vom Teufel borgen, und ihm die ganze Schöpfung
als Hypothek verschreiben. Da ihm nun der liebe
Gott von Gott und Rechtswegen die Welt noch
schuldig ist, so darf er ihm auch aus Delicatesse
nicht verwehren, sich darin herum zu treiben und
Verwirrung und Unheil zu stiften. Der Teufel
aber ist seinerseits wieder sehr stark dabey interessirt,
daß die Welt nicht ganz zu Grunde und folglich
seine Hypothek verloren gehe; er hütet sich daher
es allzu toll zu machen, und der liebe Gott, der
auch nicht dumm ist, und wohl weiß, daß er im
Eigennutz des Teufels seine geheime Garantie hat,
geht oft so weit, daß er ihm die ganze Herrschaft
der Welt anvertraut, d. h. dem Teufel den Auf¬
trag giebt, ein Ministerium zu bilden. Dann
geschieht, was sich von selbst versteht, Samiel
erhält das Commando der höllischen Heerschaaren,

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„Du haſt gut reden,“ antwortete der Philo¬
ſoph, „der liebe Gott war ſehr knapp bey Caſſa,
als er die Welt erſchuf. Er mußte das Geld dazu
vom Teufel borgen, und ihm die ganze Schoͤpfung
als Hypothek verſchreiben. Da ihm nun der liebe
Gott von Gott und Rechtswegen die Welt noch
ſchuldig iſt, ſo darf er ihm auch aus Delicateſſe
nicht verwehren, ſich darin herum zu treiben und
Verwirrung und Unheil zu ſtiften. Der Teufel
aber iſt ſeinerſeits wieder ſehr ſtark dabey intereſſirt,
daß die Welt nicht ganz zu Grunde und folglich
ſeine Hypothek verloren gehe; er huͤtet ſich daher
es allzu toll zu machen, und der liebe Gott, der
auch nicht dumm iſt, und wohl weiß, daß er im
Eigennutz des Teufels ſeine geheime Garantie hat,
geht oft ſo weit, daß er ihm die ganze Herrſchaft
der Welt anvertraut, d. h. dem Teufel den Auf¬
trag giebt, ein Miniſterium zu bilden. Dann
geſchieht, was ſich von ſelbſt verſteht, Samiel
erhaͤlt das Commando der hoͤlliſchen Heerſchaaren,

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[209/0223] „Du haſt gut reden,“ antwortete der Philo¬ ſoph, „der liebe Gott war ſehr knapp bey Caſſa, als er die Welt erſchuf. Er mußte das Geld dazu vom Teufel borgen, und ihm die ganze Schoͤpfung als Hypothek verſchreiben. Da ihm nun der liebe Gott von Gott und Rechtswegen die Welt noch ſchuldig iſt, ſo darf er ihm auch aus Delicateſſe nicht verwehren, ſich darin herum zu treiben und Verwirrung und Unheil zu ſtiften. Der Teufel aber iſt ſeinerſeits wieder ſehr ſtark dabey intereſſirt, daß die Welt nicht ganz zu Grunde und folglich ſeine Hypothek verloren gehe; er huͤtet ſich daher es allzu toll zu machen, und der liebe Gott, der auch nicht dumm iſt, und wohl weiß, daß er im Eigennutz des Teufels ſeine geheime Garantie hat, geht oft ſo weit, daß er ihm die ganze Herrſchaft der Welt anvertraut, d. h. dem Teufel den Auf¬ trag giebt, ein Miniſterium zu bilden. Dann geſchieht, was ſich von ſelbſt verſteht, Samiel erhaͤlt das Commando der hoͤlliſchen Heerſchaaren, 14

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/223>, abgerufen am 19.04.2024.