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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

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stimmter Bruch, das heisst eigentlich, wenn die andere
nur in einem bestimmten Grade gehemmt würde.

Der Unterschied des vollen und des minderen Ge-
gensatzes ist von der Stärke der Vorstellungen unabhän-
gig. Es sey die eine =a, die andere =b, wo a und b
Zahlen bedeuten, vermittelst deren die Stärke beyder ver-
glichen wird; der Gegensatz aber =m, wo m einen Bruch
bedeutet, oder höchstens die Einheit: so muss bey vollem
Gegensatze (für welchen m=1), eben sowohl a ganz
sinken, wenn b soll ungehemmt bleiben, als b ganz sin-
ken muss, damit a ungehemmt bleibe. Denn das Hem-
mende muss ganz und gar weichen, wofern für das ent-
gegenstehende alle Hemmung verschwinden, und volle
Freyheit wiederkehren soll; und dies ist ganz auf gleiche
Weise nothwendig, es mag nun jenes oder dieses das
stärkere oder schwächere seyn. Bey minderem Gegen-
satze muss mb sinken, falls a, oder es muss ma sinken,
falls b ungehemmt bleiben soll. Denn je mehr von dem
Hemmenden vorhanden ist, in demselben Verhältnisse
mehr muss weichen, wofern das gegenüberstehende un-
angetastet bleiben soll. Bestünde b aus unendlich vielen
kleinen Theilen: so würde jedem derselben das Merk-
mal, einen Gegensatz gegen a zu bilden, zuzuschreiben
seyn, und zwar in dem Grade m; mit der Menge der
Theile in b aber würde sich diese Entgegengesetztheit
vervielfältigen, und deshalb in dem Producte mb ihren
Ausdruck finden.

Die Voraussetzung des vollen Gegensatzes wird die
nächstfolgenden Untersuchungen erleichtern; deshalb ma-
chen wir mit ihr den Anfang.

§. 42.

Die Summe der Hemmung ist das Quantum des
Vorstellens, welches von den einander entgegenwirken-
den Vorstellungen zusammengenommen, muss gehemmt
werden.

Diese Hemmungssumme muss nothwendig zuerst be-
stimmt seyn, wenn die Hemmung jeder einzelnen Vor-

stimmter Bruch, das heiſst eigentlich, wenn die andere
nur in einem bestimmten Grade gehemmt würde.

Der Unterschied des vollen und des minderen Ge-
gensatzes ist von der Stärke der Vorstellungen unabhän-
gig. Es sey die eine =a, die andere =b, wo a und b
Zahlen bedeuten, vermittelst deren die Stärke beyder ver-
glichen wird; der Gegensatz aber =m, wo m einen Bruch
bedeutet, oder höchstens die Einheit: so muſs bey vollem
Gegensatze (für welchen m=1), eben sowohl a ganz
sinken, wenn b soll ungehemmt bleiben, als b ganz sin-
ken muſs, damit a ungehemmt bleibe. Denn das Hem-
mende muſs ganz und gar weichen, wofern für das ent-
gegenstehende alle Hemmung verschwinden, und volle
Freyheit wiederkehren soll; und dies ist ganz auf gleiche
Weise nothwendig, es mag nun jenes oder dieses das
stärkere oder schwächere seyn. Bey minderem Gegen-
satze muſs mb sinken, falls a, oder es muſs ma sinken,
falls b ungehemmt bleiben soll. Denn je mehr von dem
Hemmenden vorhanden ist, in demselben Verhältnisse
mehr muſs weichen, wofern das gegenüberstehende un-
angetastet bleiben soll. Bestünde b aus unendlich vielen
kleinen Theilen: so würde jedem derselben das Merk-
mal, einen Gegensatz gegen a zu bilden, zuzuschreiben
seyn, und zwar in dem Grade m; mit der Menge der
Theile in b aber würde sich diese Entgegengesetztheit
vervielfältigen, und deshalb in dem Producte mb ihren
Ausdruck finden.

Die Voraussetzung des vollen Gegensatzes wird die
nächstfolgenden Untersuchungen erleichtern; deshalb ma-
chen wir mit ihr den Anfang.

§. 42.

Die Summe der Hemmung ist das Quantum des
Vorstellens, welches von den einander entgegenwirken-
den Vorstellungen zusammengenommen, muſs gehemmt
werden.

Diese Hemmungssumme muſs nothwendig zuerst be-
stimmt seyn, wenn die Hemmung jeder einzelnen Vor-

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[159/0179] stimmter Bruch, das heiſst eigentlich, wenn die andere nur in einem bestimmten Grade gehemmt würde. Der Unterschied des vollen und des minderen Ge- gensatzes ist von der Stärke der Vorstellungen unabhän- gig. Es sey die eine =a, die andere =b, wo a und b Zahlen bedeuten, vermittelst deren die Stärke beyder ver- glichen wird; der Gegensatz aber =m, wo m einen Bruch bedeutet, oder höchstens die Einheit: so muſs bey vollem Gegensatze (für welchen m=1), eben sowohl a ganz sinken, wenn b soll ungehemmt bleiben, als b ganz sin- ken muſs, damit a ungehemmt bleibe. Denn das Hem- mende muſs ganz und gar weichen, wofern für das ent- gegenstehende alle Hemmung verschwinden, und volle Freyheit wiederkehren soll; und dies ist ganz auf gleiche Weise nothwendig, es mag nun jenes oder dieses das stärkere oder schwächere seyn. Bey minderem Gegen- satze muſs mb sinken, falls a, oder es muſs ma sinken, falls b ungehemmt bleiben soll. Denn je mehr von dem Hemmenden vorhanden ist, in demselben Verhältnisse mehr muſs weichen, wofern das gegenüberstehende un- angetastet bleiben soll. Bestünde b aus unendlich vielen kleinen Theilen: so würde jedem derselben das Merk- mal, einen Gegensatz gegen a zu bilden, zuzuschreiben seyn, und zwar in dem Grade m; mit der Menge der Theile in b aber würde sich diese Entgegengesetztheit vervielfältigen, und deshalb in dem Producte mb ihren Ausdruck finden. Die Voraussetzung des vollen Gegensatzes wird die nächstfolgenden Untersuchungen erleichtern; deshalb ma- chen wir mit ihr den Anfang. §. 42. Die Summe der Hemmung ist das Quantum des Vorstellens, welches von den einander entgegenwirken- den Vorstellungen zusammengenommen, muſs gehemmt werden. Diese Hemmungssumme muſs nothwendig zuerst be- stimmt seyn, wenn die Hemmung jeder einzelnen Vor-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/179>, abgerufen am 19.03.2024.