Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

zu voreilig aus jener Spannung erklärt werden, obgleich
sie damit wesentlich zusammenhängen.

§. 43.

Das Verhältniss der Hemmung ist dasjenige Ver-
hältniss, in welchem sich die Hemmungssumme auf die
verschiedenen, wider einander wirkenden Vorstellungen
vertheilt.

Jede Vorstellung behauptet sich, so gut sie kann,
unter allen übrigen; sie darf aber nicht als eine ursprüng-
lich angreifende, sondern nur als eine widerstehende Kraft
betrachtet werden. Es ist hier gleich Anfangs ein mög-
licher Irrthum abzuhalten, der zu falschen Berechnungen
verleiten würde. Man könnte nämlich glauben: jede Kraft
wirke im Verhältniss ihrer Stärke auf die übrigen. Wäre
also z. B. die Vorstellung a=2, die Vorstellung b=1,
und was von b gehemmt würde =x: so müsse für
a=4, das von b Gehemmte =2x werden, indem die
hemmende Kraft verdoppelt sey. Dies ist darum unrich-
tig, weil a=4 verhältnissmässig weniger von b=1 ange-
griffen wird, als a=2 von dem nämlichen b. Aber a kann
nur wirken in so fern es durch das entgegengesetzte dazu
getrieben wird. Hätte, zugleich mit a, sich auch b ver-
doppelt: dann erst wäre mit der Kraft auch die Reizung,
folglich der Effect verdoppelt worden.

Gewiss aber widersteht jede Vorstellung dem, zwi-
schen den mehrern entstandenen
, Gegensatz um
so besser, je stärker sie ist. Sie leidet also im um-
gekehrten Verhältniss ihrer Stärke
.

Und jetzt können wir leicht den Gegenstand völlig
ins Klare setzen. Drey Betrachtungen müssen gesondert,
und wieder verbunden werden.

Erstlich: jede Vorstellung wirkt im Verhältniss
ihrer Stärke =i.

Zweytens: sie wirkt in dem Verhältniss, in wel-
chem sie leidet, [Formel 1] .

zu voreilig aus jener Spannung erklärt werden, obgleich
sie damit wesentlich zusammenhängen.

§. 43.

Das Verhältniſs der Hemmung ist dasjenige Ver-
hältniſs, in welchem sich die Hemmungssumme auf die
verschiedenen, wider einander wirkenden Vorstellungen
vertheilt.

Jede Vorstellung behauptet sich, so gut sie kann,
unter allen übrigen; sie darf aber nicht als eine ursprüng-
lich angreifende, sondern nur als eine widerstehende Kraft
betrachtet werden. Es ist hier gleich Anfangs ein mög-
licher Irrthum abzuhalten, der zu falschen Berechnungen
verleiten würde. Man könnte nämlich glauben: jede Kraft
wirke im Verhältniſs ihrer Stärke auf die übrigen. Wäre
also z. B. die Vorstellung a=2, die Vorstellung b=1,
und was von b gehemmt würde =x: so müsse für
a=4, das von b Gehemmte =2x werden, indem die
hemmende Kraft verdoppelt sey. Dies ist darum unrich-
tig, weil a=4 verhältniſsmäſsig weniger von b=1 ange-
griffen wird, als a=2 von dem nämlichen b. Aber a kann
nur wirken in so fern es durch das entgegengesetzte dazu
getrieben wird. Hätte, zugleich mit a, sich auch b ver-
doppelt: dann erst wäre mit der Kraft auch die Reizung,
folglich der Effect verdoppelt worden.

Gewiſs aber widersteht jede Vorstellung dem, zwi-
schen den mehrern entstandenen
, Gegensatz um
so besser, je stärker sie ist. Sie leidet also im um-
gekehrten Verhältniſs ihrer Stärke
.

Und jetzt können wir leicht den Gegenstand völlig
ins Klare setzen. Drey Betrachtungen müssen gesondert,
und wieder verbunden werden.

Erstlich: jede Vorstellung wirkt im Verhältniſs
ihrer Stärke =i.

Zweytens: sie wirkt in dem Verhältniſs, in wel-
chem sie leidet, [Formel 1] .

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0185" n="165"/>
zu voreilig aus jener Spannung erklärt werden, obgleich<lb/>
sie damit wesentlich zusammenhängen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 43.</head><lb/>
              <p>Das <hi rendition="#g">Verhältni&#x017F;s</hi> der Hemmung ist dasjenige Ver-<lb/>
hältni&#x017F;s, in welchem sich die Hemmungssumme auf die<lb/>
verschiedenen, wider einander wirkenden Vorstellungen<lb/>
vertheilt.</p><lb/>
              <p>Jede Vorstellung behauptet sich, so gut sie kann,<lb/>
unter allen übrigen; sie darf aber nicht als eine ursprüng-<lb/>
lich angreifende, sondern nur als eine widerstehende Kraft<lb/>
betrachtet werden. Es ist hier gleich Anfangs ein mög-<lb/>
licher Irrthum abzuhalten, der zu falschen Berechnungen<lb/>
verleiten würde. Man könnte nämlich glauben: jede Kraft<lb/>
wirke im Verhältni&#x017F;s ihrer Stärke auf die übrigen. Wäre<lb/>
also z. B. die Vorstellung <hi rendition="#i">a</hi>=2, die Vorstellung <hi rendition="#i">b</hi>=1,<lb/>
und was von <hi rendition="#i">b</hi> gehemmt würde =<hi rendition="#i">x</hi>: so müsse für<lb/><hi rendition="#i">a</hi>=4, das von <hi rendition="#i">b</hi> Gehemmte =2<hi rendition="#i">x</hi> werden, indem die<lb/>
hemmende Kraft verdoppelt sey. Dies ist darum unrich-<lb/>
tig, weil <hi rendition="#i">a</hi>=4 verhältni&#x017F;smä&#x017F;sig weniger von <hi rendition="#i">b</hi>=1 ange-<lb/>
griffen wird, als <hi rendition="#i">a</hi>=2 von dem nämlichen <hi rendition="#i">b</hi>. Aber <hi rendition="#i">a</hi> kann<lb/>
nur wirken in so fern es durch das entgegengesetzte dazu<lb/>
getrieben wird. Hätte, zugleich mit <hi rendition="#i">a</hi>, sich auch <hi rendition="#i">b</hi> ver-<lb/>
doppelt: dann erst wäre mit der Kraft auch die Reizung,<lb/>
folglich der Effect verdoppelt worden.</p><lb/>
              <p>Gewi&#x017F;s aber <hi rendition="#g">widersteht</hi> jede Vorstellung dem, <hi rendition="#g">zwi-<lb/>
schen den mehrern entstandenen</hi>, Gegensatz um<lb/>
so besser, je stärker sie ist. <hi rendition="#g">Sie leidet also im um-<lb/>
gekehrten Verhältni&#x017F;s ihrer Stärke</hi>.</p><lb/>
              <p>Und jetzt können wir leicht den Gegenstand völlig<lb/>
ins Klare setzen. Drey Betrachtungen müssen gesondert,<lb/>
und wieder verbunden werden.</p><lb/>
              <p>Erstlich: jede Vorstellung <hi rendition="#g">wirkt</hi> im Verhältni&#x017F;s<lb/>
ihrer Stärke =<hi rendition="#i">i</hi>.</p><lb/>
              <p>Zweytens: sie <hi rendition="#g">wirkt</hi> in dem Verhältni&#x017F;s, in wel-<lb/>
chem sie leidet, <formula/>.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0185] zu voreilig aus jener Spannung erklärt werden, obgleich sie damit wesentlich zusammenhängen. §. 43. Das Verhältniſs der Hemmung ist dasjenige Ver- hältniſs, in welchem sich die Hemmungssumme auf die verschiedenen, wider einander wirkenden Vorstellungen vertheilt. Jede Vorstellung behauptet sich, so gut sie kann, unter allen übrigen; sie darf aber nicht als eine ursprüng- lich angreifende, sondern nur als eine widerstehende Kraft betrachtet werden. Es ist hier gleich Anfangs ein mög- licher Irrthum abzuhalten, der zu falschen Berechnungen verleiten würde. Man könnte nämlich glauben: jede Kraft wirke im Verhältniſs ihrer Stärke auf die übrigen. Wäre also z. B. die Vorstellung a=2, die Vorstellung b=1, und was von b gehemmt würde =x: so müsse für a=4, das von b Gehemmte =2x werden, indem die hemmende Kraft verdoppelt sey. Dies ist darum unrich- tig, weil a=4 verhältniſsmäſsig weniger von b=1 ange- griffen wird, als a=2 von dem nämlichen b. Aber a kann nur wirken in so fern es durch das entgegengesetzte dazu getrieben wird. Hätte, zugleich mit a, sich auch b ver- doppelt: dann erst wäre mit der Kraft auch die Reizung, folglich der Effect verdoppelt worden. Gewiſs aber widersteht jede Vorstellung dem, zwi- schen den mehrern entstandenen, Gegensatz um so besser, je stärker sie ist. Sie leidet also im um- gekehrten Verhältniſs ihrer Stärke. Und jetzt können wir leicht den Gegenstand völlig ins Klare setzen. Drey Betrachtungen müssen gesondert, und wieder verbunden werden. Erstlich: jede Vorstellung wirkt im Verhältniſs ihrer Stärke =i. Zweytens: sie wirkt in dem Verhältniſs, in wel- chem sie leidet, [FORMEL].

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/185
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/185>, abgerufen am 19.03.2024.