Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

Verbindung beyder; der Grad der Verbindung aber hängt
nicht von ihnen selbst, sondern von den zufällig mitwir-
kenden Kräften ab.

Jetzt wird die Eintheilung verständlich seyn, welche
den weitern Untersuchungen muss vorangestellt werden.
Vorstellungen aus verschiedenen Continuen können sich
gänzlich verbinden, so dass sie nur Eine Kraft ausmachen,
und als solche in Rechnung kommen; dergleichen Ver-
bindung nenne ich eine vollkommene Complica-
tion
. Vorstellungen aus einerley Continuum können sich,
wegen des unter ihnen statt findenden Gegensatzes, nicht
gänzlich verbinden (Falls sie nicht gänzlich gleichartig
sind, wie die Wiederhohlungen der nämlichen Wahr-
nehmung); alsdann ergiebt sich aus ihrer Stärke und
ihrem Gegensatze das Gesetz, wie genau ihre Vereinigung
werden kann; dergleichen Vereinigungen nenne ich Ver-
schmelzungen
. Endlich wegen zufälliger Hindernisse
kann es sowohl unvollkommne Complicationen als
unvollkommne Verschmelzungen geben.

§. 58.

Es seyen zwey vollkommene Complexionen gegeben,
A=a+a, und B=b+b. Welches wird die Summe
und das Verhältniss ihrer Hemmung seyn?

Die Summe macht bey vollkommenen Complicationen
keine besondere Schwierigkeit. Denn das Widerstreitende,
Unvereinbare gewisser Vorstellungen, welches einmal in
ihrer Natur liegt, kann durch ihre Verbindungen nicht
grösser noch kleiner werden. Sowohl a und b bilden un-
ter sich, als a und b unter sich, eine Hemmungssumme
nach den obigen Bestimmungen; beydes addirt, ergiebt
die H. S. der Complexionen A und B. Es sey also der
Hemmungsgrad zwischen a und b, =p; zwischen a und
b, =p: so ist nur noch zu bedenken, dass, obgleich
A>B, dennoch a<b seyn kann, wofern nur um so
mehr a>b. Angenommen, dass sich dies also verhalte:
so ist die H. S. =pb+pa.

Mehr Mühe macht das Hemmungs-Verhältniss. Man

Verbindung beyder; der Grad der Verbindung aber hängt
nicht von ihnen selbst, sondern von den zufällig mitwir-
kenden Kräften ab.

Jetzt wird die Eintheilung verständlich seyn, welche
den weitern Untersuchungen muſs vorangestellt werden.
Vorstellungen aus verschiedenen Continuen können sich
gänzlich verbinden, so daſs sie nur Eine Kraft ausmachen,
und als solche in Rechnung kommen; dergleichen Ver-
bindung nenne ich eine vollkommene Complica-
tion
. Vorstellungen aus einerley Continuum können sich,
wegen des unter ihnen statt findenden Gegensatzes, nicht
gänzlich verbinden (Falls sie nicht gänzlich gleichartig
sind, wie die Wiederhohlungen der nämlichen Wahr-
nehmung); alsdann ergiebt sich aus ihrer Stärke und
ihrem Gegensatze das Gesetz, wie genau ihre Vereinigung
werden kann; dergleichen Vereinigungen nenne ich Ver-
schmelzungen
. Endlich wegen zufälliger Hindernisse
kann es sowohl unvollkommne Complicationen als
unvollkommne Verschmelzungen geben.

§. 58.

Es seyen zwey vollkommene Complexionen gegeben,
A=a+α, und B=b+β. Welches wird die Summe
und das Verhältniſs ihrer Hemmung seyn?

Die Summe macht bey vollkommenen Complicationen
keine besondere Schwierigkeit. Denn das Widerstreitende,
Unvereinbare gewisser Vorstellungen, welches einmal in
ihrer Natur liegt, kann durch ihre Verbindungen nicht
gröſser noch kleiner werden. Sowohl a und b bilden un-
ter sich, als α und β unter sich, eine Hemmungssumme
nach den obigen Bestimmungen; beydes addirt, ergiebt
die H. S. der Complexionen A und B. Es sey also der
Hemmungsgrad zwischen a und b, =p; zwischen α und
β, =π: so ist nur noch zu bedenken, daſs, obgleich
A>B, dennoch α<β seyn kann, wofern nur um so
mehr a>b. Angenommen, daſs sich dies also verhalte:
so ist die H. S. =pb+πα.

Mehr Mühe macht das Hemmungs-Verhältniſs. Man

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0220" n="200"/>
Verbindung beyder; der Grad der Verbindung aber hängt<lb/>
nicht von ihnen selbst, sondern von den zufällig mitwir-<lb/>
kenden Kräften ab.</p><lb/>
              <p>Jetzt wird die Eintheilung verständlich seyn, welche<lb/>
den weitern Untersuchungen mu&#x017F;s vorangestellt werden.<lb/>
Vorstellungen aus verschiedenen Continuen können sich<lb/>
gänzlich verbinden, so da&#x017F;s sie nur Eine Kraft ausmachen,<lb/>
und als solche in Rechnung kommen; dergleichen Ver-<lb/>
bindung nenne ich <hi rendition="#g">eine vollkommene Complica-<lb/>
tion</hi>. Vorstellungen aus einerley Continuum können sich,<lb/>
wegen des unter ihnen statt findenden Gegensatzes, nicht<lb/>
gänzlich verbinden (Falls sie nicht gänzlich gleichartig<lb/>
sind, wie die Wiederhohlungen der nämlichen Wahr-<lb/>
nehmung); alsdann ergiebt sich aus ihrer Stärke und<lb/>
ihrem Gegensatze das Gesetz, wie genau ihre Vereinigung<lb/>
werden kann; dergleichen Vereinigungen nenne ich <hi rendition="#g">Ver-<lb/>
schmelzungen</hi>. Endlich wegen zufälliger Hindernisse<lb/>
kann es sowohl <hi rendition="#g">unvollkommne Complicationen</hi> als<lb/><hi rendition="#g">unvollkommne Verschmelzungen</hi> geben.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 58.</head><lb/>
              <p>Es seyen zwey vollkommene Complexionen gegeben,<lb/><hi rendition="#i">A</hi>=<hi rendition="#i">a</hi>+<hi rendition="#i">&#x03B1;</hi>, und <hi rendition="#i">B</hi>=<hi rendition="#i">b</hi>+<hi rendition="#i">&#x03B2;</hi>. Welches wird die Summe<lb/>
und das Verhältni&#x017F;s ihrer Hemmung seyn?</p><lb/>
              <p>Die Summe macht bey vollkommenen Complicationen<lb/>
keine besondere Schwierigkeit. Denn das Widerstreitende,<lb/>
Unvereinbare gewisser Vorstellungen, welches einmal in<lb/>
ihrer Natur liegt, kann durch ihre Verbindungen nicht<lb/>
grö&#x017F;ser noch kleiner werden. Sowohl <hi rendition="#i">a</hi> und <hi rendition="#i">b</hi> bilden un-<lb/>
ter sich, als <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi> und <hi rendition="#i">&#x03B2;</hi> unter sich, eine Hemmungssumme<lb/>
nach den obigen Bestimmungen; beydes addirt, ergiebt<lb/>
die H. S. der Complexionen <hi rendition="#i">A</hi> und <hi rendition="#i">B</hi>. Es sey also der<lb/>
Hemmungsgrad zwischen <hi rendition="#i">a</hi> und <hi rendition="#i">b</hi>, =<hi rendition="#i">p;</hi> zwischen <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi> und<lb/><hi rendition="#i">&#x03B2;</hi>, =<hi rendition="#i">&#x03C0;</hi>: so ist nur noch zu bedenken, da&#x017F;s, obgleich<lb/><hi rendition="#i">A&gt;B</hi>, dennoch <hi rendition="#i">&#x03B1;&lt;&#x03B2;</hi> seyn kann, wofern nur um so<lb/>
mehr <hi rendition="#i">a&gt;b</hi>. Angenommen, da&#x017F;s sich dies also verhalte:<lb/>
so ist die H. S. =<hi rendition="#i">pb</hi>+<hi rendition="#i">&#x03C0;&#x03B1;</hi>.</p><lb/>
              <p>Mehr Mühe macht das Hemmungs-Verhältni&#x017F;s. Man<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0220] Verbindung beyder; der Grad der Verbindung aber hängt nicht von ihnen selbst, sondern von den zufällig mitwir- kenden Kräften ab. Jetzt wird die Eintheilung verständlich seyn, welche den weitern Untersuchungen muſs vorangestellt werden. Vorstellungen aus verschiedenen Continuen können sich gänzlich verbinden, so daſs sie nur Eine Kraft ausmachen, und als solche in Rechnung kommen; dergleichen Ver- bindung nenne ich eine vollkommene Complica- tion. Vorstellungen aus einerley Continuum können sich, wegen des unter ihnen statt findenden Gegensatzes, nicht gänzlich verbinden (Falls sie nicht gänzlich gleichartig sind, wie die Wiederhohlungen der nämlichen Wahr- nehmung); alsdann ergiebt sich aus ihrer Stärke und ihrem Gegensatze das Gesetz, wie genau ihre Vereinigung werden kann; dergleichen Vereinigungen nenne ich Ver- schmelzungen. Endlich wegen zufälliger Hindernisse kann es sowohl unvollkommne Complicationen als unvollkommne Verschmelzungen geben. §. 58. Es seyen zwey vollkommene Complexionen gegeben, A=a+α, und B=b+β. Welches wird die Summe und das Verhältniſs ihrer Hemmung seyn? Die Summe macht bey vollkommenen Complicationen keine besondere Schwierigkeit. Denn das Widerstreitende, Unvereinbare gewisser Vorstellungen, welches einmal in ihrer Natur liegt, kann durch ihre Verbindungen nicht gröſser noch kleiner werden. Sowohl a und b bilden un- ter sich, als α und β unter sich, eine Hemmungssumme nach den obigen Bestimmungen; beydes addirt, ergiebt die H. S. der Complexionen A und B. Es sey also der Hemmungsgrad zwischen a und b, =p; zwischen α und β, =π: so ist nur noch zu bedenken, daſs, obgleich A>B, dennoch α<β seyn kann, wofern nur um so mehr a>b. Angenommen, daſs sich dies also verhalte: so ist die H. S. =pb+πα. Mehr Mühe macht das Hemmungs-Verhältniſs. Man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/220
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/220>, abgerufen am 19.03.2024.