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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

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nichts an), das gilt um so mehr von vielen Puncten, von
ganzen Figuren und Körpern.

Durch diesen Schwung im Vorstellen wird nun die
Hemmung zwischen den Theilen des Bildes bey weitem
weniger merklich als sie sonst seyn würde. Was wir
schnell (aber doch nicht ganz gleichmässig, sondern mit
successivem Vorherrschen einzelner Theil-Vorstellungen)
übersehen können, das gilt uns für eine silmultane Wahr-
nehmung; nur dürfen die darin enthaltenen Reihen sich
nicht verwirren; sonst trübt sich das Bild wegen der wi-
der einander strebenden Reproductionen, durch welche
jeder Punct auf die übrigen führt.

Anmerkungen.

Gegen das Ende des vorhergehenden Paragraphen wird
der Leser eine Dunkelheit bemerkt haben, die sich nicht
hinwegräumen lässt. Sie liegt nicht in der Sache, aber in
der nothwendigen Form des Vortrags. Wir nähern uns
dem Ende des synthetischen Theils; es kommt darauf
an, dass derselbe sich mit dem folgenden, analytischen,
gehörig verbinde. Wird dafür nicht im Voraus gesorgt:
so steht der synthetische Theil zu nackt, und späterhin
wird die Anknüpfung zu schwer. Hier muss der Leser
mit eignem Denken dem Buche, welches an diesem
Orte nur Andeutungen der analytischen Betrachtung ge-
ben kann, zu Hülfe kommen. Er muss sich dabey vor
Uebereilungen hüten; sonst entstehen Deuteleyen, wodurch
das Gegebene entstellt, und die Theorie auf falsche Wege
geleitet wird; wovon die Beyspiele in unserer neuesten
Philosophie (da, wo sie irgend welche Naturgegenstände
deducirt zu haben glaubt) nur zu reichlich vorhanden
sind.

Wollte man die Gegenstände, welche des analyti-
schen Verfahrens zur deutlichen Darstellung bedürfen,
im synthetischen Theile noch ganz unerwähnt lassen: so
würde noch eine andre Unbequemlichkeit entstehn. Man-
ches, das in den psychologischen Erscheinungen auf ver-

nichts an), das gilt um so mehr von vielen Puncten, von
ganzen Figuren und Körpern.

Durch diesen Schwung im Vorstellen wird nun die
Hemmung zwischen den Theilen des Bildes bey weitem
weniger merklich als sie sonst seyn würde. Was wir
schnell (aber doch nicht ganz gleichmäſsig, sondern mit
successivem Vorherrschen einzelner Theil-Vorstellungen)
übersehen können, das gilt uns für eine silmultane Wahr-
nehmung; nur dürfen die darin enthaltenen Reihen sich
nicht verwirren; sonst trübt sich das Bild wegen der wi-
der einander strebenden Reproductionen, durch welche
jeder Punct auf die übrigen führt.

Anmerkungen.

Gegen das Ende des vorhergehenden Paragraphen wird
der Leser eine Dunkelheit bemerkt haben, die sich nicht
hinwegräumen läſst. Sie liegt nicht in der Sache, aber in
der nothwendigen Form des Vortrags. Wir nähern uns
dem Ende des synthetischen Theils; es kommt darauf
an, daſs derselbe sich mit dem folgenden, analytischen,
gehörig verbinde. Wird dafür nicht im Voraus gesorgt:
so steht der synthetische Theil zu nackt, und späterhin
wird die Anknüpfung zu schwer. Hier muſs der Leser
mit eignem Denken dem Buche, welches an diesem
Orte nur Andeutungen der analytischen Betrachtung ge-
ben kann, zu Hülfe kommen. Er muſs sich dabey vor
Uebereilungen hüten; sonst entstehen Deuteleyen, wodurch
das Gegebene entstellt, und die Theorie auf falsche Wege
geleitet wird; wovon die Beyspiele in unserer neuesten
Philosophie (da, wo sie irgend welche Naturgegenstände
deducirt zu haben glaubt) nur zu reichlich vorhanden
sind.

Wollte man die Gegenstände, welche des analyti-
schen Verfahrens zur deutlichen Darstellung bedürfen,
im synthetischen Theile noch ganz unerwähnt lassen: so
würde noch eine andre Unbequemlichkeit entstehn. Man-
ches, das in den psychologischen Erscheinungen auf ver-

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[363/0383] nichts an), das gilt um so mehr von vielen Puncten, von ganzen Figuren und Körpern. Durch diesen Schwung im Vorstellen wird nun die Hemmung zwischen den Theilen des Bildes bey weitem weniger merklich als sie sonst seyn würde. Was wir schnell (aber doch nicht ganz gleichmäſsig, sondern mit successivem Vorherrschen einzelner Theil-Vorstellungen) übersehen können, das gilt uns für eine silmultane Wahr- nehmung; nur dürfen die darin enthaltenen Reihen sich nicht verwirren; sonst trübt sich das Bild wegen der wi- der einander strebenden Reproductionen, durch welche jeder Punct auf die übrigen führt. Anmerkungen. Gegen das Ende des vorhergehenden Paragraphen wird der Leser eine Dunkelheit bemerkt haben, die sich nicht hinwegräumen läſst. Sie liegt nicht in der Sache, aber in der nothwendigen Form des Vortrags. Wir nähern uns dem Ende des synthetischen Theils; es kommt darauf an, daſs derselbe sich mit dem folgenden, analytischen, gehörig verbinde. Wird dafür nicht im Voraus gesorgt: so steht der synthetische Theil zu nackt, und späterhin wird die Anknüpfung zu schwer. Hier muſs der Leser mit eignem Denken dem Buche, welches an diesem Orte nur Andeutungen der analytischen Betrachtung ge- ben kann, zu Hülfe kommen. Er muſs sich dabey vor Uebereilungen hüten; sonst entstehen Deuteleyen, wodurch das Gegebene entstellt, und die Theorie auf falsche Wege geleitet wird; wovon die Beyspiele in unserer neuesten Philosophie (da, wo sie irgend welche Naturgegenstände deducirt zu haben glaubt) nur zu reichlich vorhanden sind. Wollte man die Gegenstände, welche des analyti- schen Verfahrens zur deutlichen Darstellung bedürfen, im synthetischen Theile noch ganz unerwähnt lassen: so würde noch eine andre Unbequemlichkeit entstehn. Man- ches, das in den psychologischen Erscheinungen auf ver-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/383>, abgerufen am 19.04.2024.