Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

seyn; und wir werden sie leicht finden, wenn wir uns
das Verhältniss einer innern Vorstellungsreihe zu einer
andern analog denken mit dem Verhältnisse des äu-
sserlich Wahrgenommenen zu den ihm von Innen her
entgegenkommenden Vorstellungsmassen.

Erstlich also: die Perception geht allemal voran vor
der Apperception; hingegen die letztere ist das nachblei-
bende. Sie gleicht dem langsam, aber sicher, fortgehen-
den Geschäffte der Assimilation. Dies zeigt sich ganz
klar bey der äussern Wahrnehmung. Das neu Aufge-
fasste drückt Anfangs auf die vorhandenen Vorstellun-
gen; es drängt sie gegen die mechanische Schwelle hin,
(§. 77.) so fern sie ihm entgegengesetzt sind; es hebt
die ihm gleichartigen vorhandenen Vorstellungen im er-
sten Anfange nur langsam hervor, (§. 82. 97.); allein
sehr bald wird dies Hervortreten lebhafter, (ebendaselbst);
dagegen wird die momentane Auffassung schwächer we-
gen der abnehmenden Empfänglichkeit, (§. 94.) und das
Aufgefasste wird mehr und mehr gehemmt, wenn nicht
das ihm entgegenkommende Gleichartige es verstärkt und
aufrecht hält.

Zweytens: die von Innen her entgegenkommenden
Vorstellungsmassen sind die stärkeren, die dominirenden;
und die neu Aufgefasste, wie schon oben bemerkt, muss
sich gefallen lassen, von diesen an ihren Platz gestellt
zu werden.

Beydes wollen wir nun anwenden auf die innere
Wahrnehmung. Wir setzen also voraus: eine schwä-
chere, weniger tief
in dem ganzen Gedankenkreise
eingewurzelte Vorstellungsreihe, sey aufgeregt, und ent-
wickele sich nach ihrer Art im Bewusstseyn; dabey sey
eine andere, stärkere, tiefer liegende, obgleich jetzt
mehr im Gleichgewichte mit sich selbst und mit den übri-
gen Vorstellungen ruhende Gedankenmasse, entweder
schon im Bewusstseyn, oder sie werde eben durch irgend
welche Glieder jener vorigen geweckt, und in Bewegung
gebracht; (wobey man immer die Reproductionsgesetze

seyn; und wir werden sie leicht finden, wenn wir uns
das Verhältniſs einer innern Vorstellungsreihe zu einer
andern analog denken mit dem Verhältnisse des äu-
ſserlich Wahrgenommenen zu den ihm von Innen her
entgegenkommenden Vorstellungsmassen.

Erstlich also: die Perception geht allemal voran vor
der Apperception; hingegen die letztere ist das nachblei-
bende. Sie gleicht dem langsam, aber sicher, fortgehen-
den Geschäffte der Assimilation. Dies zeigt sich ganz
klar bey der äuſsern Wahrnehmung. Das neu Aufge-
faſste drückt Anfangs auf die vorhandenen Vorstellun-
gen; es drängt sie gegen die mechanische Schwelle hin,
(§. 77.) so fern sie ihm entgegengesetzt sind; es hebt
die ihm gleichartigen vorhandenen Vorstellungen im er-
sten Anfange nur langsam hervor, (§. 82. 97.); allein
sehr bald wird dies Hervortreten lebhafter, (ebendaselbst);
dagegen wird die momentane Auffassung schwächer we-
gen der abnehmenden Empfänglichkeit, (§. 94.) und das
Aufgefaſste wird mehr und mehr gehemmt, wenn nicht
das ihm entgegenkommende Gleichartige es verstärkt und
aufrecht hält.

Zweytens: die von Innen her entgegenkommenden
Vorstellungsmassen sind die stärkeren, die dominirenden;
und die neu Aufgefaſste, wie schon oben bemerkt, muſs
sich gefallen lassen, von diesen an ihren Platz gestellt
zu werden.

Beydes wollen wir nun anwenden auf die innere
Wahrnehmung. Wir setzen also voraus: eine schwä-
chere, weniger tief
in dem ganzen Gedankenkreise
eingewurzelte Vorstellungsreihe, sey aufgeregt, und ent-
wickele sich nach ihrer Art im Bewuſstseyn; dabey sey
eine andere, stärkere, tiefer liegende, obgleich jetzt
mehr im Gleichgewichte mit sich selbst und mit den übri-
gen Vorstellungen ruhende Gedankenmasse, entweder
schon im Bewuſstseyn, oder sie werde eben durch irgend
welche Glieder jener vorigen geweckt, und in Bewegung
gebracht; (wobey man immer die Reproductionsgesetze

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0251" n="216"/>
seyn; und wir werden sie leicht finden, wenn wir uns<lb/>
das Verhältni&#x017F;s <hi rendition="#g">einer</hi> innern Vorstellungsreihe zu einer<lb/><hi rendition="#g">andern</hi> analog denken mit dem Verhältnisse des äu-<lb/>
&#x017F;serlich Wahrgenommenen zu den ihm von Innen her<lb/>
entgegenkommenden Vorstellungsmassen.</p><lb/>
              <p>Erstlich also: die Perception geht allemal voran vor<lb/>
der Apperception; hingegen die letztere ist das nachblei-<lb/>
bende. Sie gleicht dem langsam, aber sicher, fortgehen-<lb/>
den Geschäffte der Assimilation. Dies zeigt sich ganz<lb/>
klar bey der äu&#x017F;sern Wahrnehmung. Das neu Aufge-<lb/>
fa&#x017F;ste drückt Anfangs auf die vorhandenen Vorstellun-<lb/>
gen; es drängt sie gegen die mechanische Schwelle hin,<lb/>
(§. 77.) so fern sie ihm entgegengesetzt sind; es hebt<lb/>
die ihm gleichartigen vorhandenen Vorstellungen im er-<lb/>
sten Anfange nur langsam hervor, (§. 82. 97.); allein<lb/>
sehr bald wird dies Hervortreten lebhafter, (ebendaselbst);<lb/>
dagegen wird die momentane Auffassung schwächer we-<lb/>
gen der abnehmenden Empfänglichkeit, (§. 94.) und das<lb/>
Aufgefa&#x017F;ste wird mehr und mehr gehemmt, wenn nicht<lb/>
das ihm entgegenkommende Gleichartige es verstärkt und<lb/>
aufrecht hält.</p><lb/>
              <p>Zweytens: die von Innen her entgegenkommenden<lb/>
Vorstellungsmassen sind die stärkeren, die dominirenden;<lb/>
und die neu Aufgefa&#x017F;ste, wie schon oben bemerkt, mu&#x017F;s<lb/>
sich gefallen lassen, von diesen an ihren Platz gestellt<lb/>
zu werden.</p><lb/>
              <p>Beydes wollen wir nun anwenden auf die innere<lb/>
Wahrnehmung. Wir setzen also voraus: eine <hi rendition="#g">schwä-<lb/>
chere, weniger tief</hi> in dem ganzen Gedankenkreise<lb/>
eingewurzelte Vorstellungsreihe, sey aufgeregt, und ent-<lb/>
wickele sich nach ihrer Art im Bewu&#x017F;stseyn; dabey sey<lb/>
eine andere, <hi rendition="#g">stärkere, tiefer liegende</hi>, obgleich jetzt<lb/>
mehr im Gleichgewichte mit sich selbst und mit den übri-<lb/>
gen Vorstellungen ruhende Gedankenmasse, entweder<lb/>
schon im Bewu&#x017F;stseyn, oder sie werde eben durch irgend<lb/>
welche Glieder jener vorigen geweckt, und in Bewegung<lb/>
gebracht; (wobey man immer die Reproductionsgesetze<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0251] seyn; und wir werden sie leicht finden, wenn wir uns das Verhältniſs einer innern Vorstellungsreihe zu einer andern analog denken mit dem Verhältnisse des äu- ſserlich Wahrgenommenen zu den ihm von Innen her entgegenkommenden Vorstellungsmassen. Erstlich also: die Perception geht allemal voran vor der Apperception; hingegen die letztere ist das nachblei- bende. Sie gleicht dem langsam, aber sicher, fortgehen- den Geschäffte der Assimilation. Dies zeigt sich ganz klar bey der äuſsern Wahrnehmung. Das neu Aufge- faſste drückt Anfangs auf die vorhandenen Vorstellun- gen; es drängt sie gegen die mechanische Schwelle hin, (§. 77.) so fern sie ihm entgegengesetzt sind; es hebt die ihm gleichartigen vorhandenen Vorstellungen im er- sten Anfange nur langsam hervor, (§. 82. 97.); allein sehr bald wird dies Hervortreten lebhafter, (ebendaselbst); dagegen wird die momentane Auffassung schwächer we- gen der abnehmenden Empfänglichkeit, (§. 94.) und das Aufgefaſste wird mehr und mehr gehemmt, wenn nicht das ihm entgegenkommende Gleichartige es verstärkt und aufrecht hält. Zweytens: die von Innen her entgegenkommenden Vorstellungsmassen sind die stärkeren, die dominirenden; und die neu Aufgefaſste, wie schon oben bemerkt, muſs sich gefallen lassen, von diesen an ihren Platz gestellt zu werden. Beydes wollen wir nun anwenden auf die innere Wahrnehmung. Wir setzen also voraus: eine schwä- chere, weniger tief in dem ganzen Gedankenkreise eingewurzelte Vorstellungsreihe, sey aufgeregt, und ent- wickele sich nach ihrer Art im Bewuſstseyn; dabey sey eine andere, stärkere, tiefer liegende, obgleich jetzt mehr im Gleichgewichte mit sich selbst und mit den übri- gen Vorstellungen ruhende Gedankenmasse, entweder schon im Bewuſstseyn, oder sie werde eben durch irgend welche Glieder jener vorigen geweckt, und in Bewegung gebracht; (wobey man immer die Reproductionsgesetze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/251
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/251>, abgerufen am 24.04.2024.